Kurzfristige Gleiswechsel in Oppenweiler haben Tücken

Immer wieder fahren Züge in Oppenweiler an einem anderen Gleis ein als planmäßig. Die Ansagen kommen oft erst spät. Wer in der Mobilität eingeschränkt ist, schafft es dann nicht mehr rechtzeitig, den Bahnsteig zu wechseln. Eine Lösung ist nicht in Sicht.

Der Bahnsteig 1 in Oppenweiler ist barrierefrei umgebaut worden. Wenn allerdings kurzfristig ein Gleiswechsel angesagt wird, müssen Bahnreisende über die Brücke – oder sie machen einen 800 Meter langen Umweg. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Der Bahnsteig 1 in Oppenweiler ist barrierefrei umgebaut worden. Wenn allerdings kurzfristig ein Gleiswechsel angesagt wird, müssen Bahnreisende über die Brücke – oder sie machen einen 800 Meter langen Umweg. Foto: Alexander Becher

Von Lorena Greppo

Oppenweiler. Eigentlich hat sich in Oppenweiler im vergangenen Jahr am Bahnhof einiges zum Positiven verändert. Denn die Deutsche Bahn hat den Bahnsteig 1 erhöht, sodass die Fahrgäste stufenfrei in die Züge einsteigen können. Zusätzlich wurden die Handläufe an den Treppen zu den Bahnsteigen barrierefrei angepasst. Der Bahnhof wurde zudem mit einem einheitlichen Leitsystem für Menschen mit Sehbehinderung ausgestattet. Als „Meilenstein für die barrierefreie Mobilität“ hatte die Gemeindeverwaltung diese Umbauarbeiten bezeichnet. So steige die Lebensqualität der Gemeinde. „Dies ist ein entscheidender Schritt, um die Zugänglichkeit des öffentlichen Verkehrs zu verbessern und sicherzustellen, dass alle Bürgerinnen und Bürger die gleichen Chancen haben, ihn zu nutzen“, hieß es im Gemeindeblatt im vergangenen Herbst.

Soweit die Theorie. In der Praxis hatten Menschen mit eingeschränkter Mobilität in den vergangenen Monaten am Bahnhof in Oppenweiler mit einem ganz anderen Problem zu kämpfen. Denn immer wieder kam und kommt es vor, dass kurzfristig – also nur wenige Minuten vor dem Eintreffen des Zugs – ein Gleiswechsel angesagt wurde. Flinke Menschen können dann eben über die Brücke zum anderen Gleis wechseln. Mit Rollstuhl, Rollator oder Kinderwagen geht das nicht. Was nützt also ein wunderbar barrierefrei gestaltetes Gleis 1, wenn die Bahn tatsächlich an Gleis 2 einfährt?

Jürgen Schmelcher hat die Situation schon häufig beobachtet. Früher war er selbst regelmäßiger Bahnfahrer. Seine Familie wohnt seit den 60er-Jahren im Bahnhof, die Eltern tun dies bis heute. Sie sind also im wörtlichen Sinne nah dran an dem Problem. Im vergangenen Jahr habe seine Schwester beobachten können, wie ein gehbehinderter Mann zweimal hintereinander den Zug verpasst hat, weil er den Weg zum anderen Bahnsteig nicht schnell genug geschafft hatte. „Das ist ein Unding“, findet Jürgen Schmelcher. Er nahm sich der Sache an und wandte sich an Gemeinderat und Verwaltung.

Auf Gleis 2 ist eine Durchfahrt schneller

„Das ist eine richtig blöde Situation“, findet auch Bürgermeister Bernhard Bühler. Das Thema schlage immer wieder im Rathaus auf. Wenn auch noch Baustellen dazukommen, trete es vermehrt auf. Er habe schon zahlreiche Versuche gestartet, bei der Deutschen Bahn eine Verbesserung zu erlangen, so Bühler. Die Antwort war jedes Mal ernüchternd: Viel tun könne man da nicht, die Problematik sei technisch nicht anders lösbar. Denn der Gleiswechsel hat ein hehres Ziel: „Damit sollen Verspätungen abgebaut und die Fahrzeiten der Züge verkürzt werden“, erklärt ein Sprecher der Bahn.

Wie das? Bernhard Bühler weiß Näheres: Aufgrund der Weicheneinstellung kann Gleis 2 in Oppenweiler schneller durchfahren werden. Da die Murrbahn auf dieser Strecke einspurig ist, kann eine Verspätung einer Bahn nur dann aufgeholt werden, wenn sie an einem Bahnhof den Vorzug vor einem anderen Zug bekommt. Die Bahn, die Zeit wieder reinholen soll, wird dann auf Gleis 2 gelotst und hält dort auch nur vergleichsweise kurz. Laut Jürgen Schmelcher könnten so vielleicht anderthalb Minuten reingeholt werden. Der Vorgang sei daher seiner Meinung nach „absoluter Blödsinn“.

Dass ein Gleiswechsel nötig wird, kommt immer mal wieder vor. „Dies ist abhängig von der betrieblichen Lage insgesamt und kann täglich schwanken“, sagt der Bahnsprecher. Meistens hätten die Bahnreisenden aber genügend Vorlauf. „Es kann vorkommen, dass vereinzelt ad hoc über einen Gleiswechsel entschieden werden muss. Dadurch kann es zu einem kürzeren Vorlauf der Ansage kommen. Das stellt jedoch den absoluten Ausnahmefall dar“, so der Bahnsprecher weiter. Auch Bürgermeister Bühler kennt den Fall als große Ausnahme. Vonseiten der Bahn habe man ihm mitgeteilt, dass dies im Schnitt höchstens dreimal in der Woche vorkomme.

Ein Unding für Menschen mit Gepäck, Kinderwagen oder Gehhilfen

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Für Menschen ohne eingeschränkte Mobilität sei der Wechsel an den anderen Bahnsteig dann meist auch noch gut möglich. Für jene Personen, die auf den Rollstuhl oder eine Gehhilfe angewiesen sind, einen Kinderwagen schieben oder mit sehr schwerem Gepäck unterwegs sind, ist es hingegen ein Ding der Unmöglichkeit. „Da ist es dann eigentlich auch egal, wann die Information kommt“, fügt Oppenweilers Bürgermeister mit Bedauern an.

In der Theorie ist der Wechsel an den anderen Bahnsteig barrierefrei möglich – aber der Weg ist lang. Um ohne Treppenstufen von Gleis 1 an Gleis 2 zu gelangen, müssten Betroffene vom Bahnhofsplatz über die Zeller Straße zur Brücke in der Eschelhofstraße, um von dort nach links auf die Reutenhofstraße zu kommen. Das sind etwa 800 Meter Fußweg.

Gibt es eine andere Möglichkeit, dem Problem entgegenzuwirken? Bei der Bahn lautet die Antwort auf diese Frage: „Unsere Mitarbeitenden sind sensibilisiert, auf dieses Problem zukünftig verstärkt zu achten, sodass die Information für Reisende über mögliche Gleiswechsel mit entsprechendem Vorlauf erfolgt.“ Laut Jürgen Schmelcher haben sich dadurch bislang keine Verbesserungen ergeben. „Deswegen bin ich bei dem Thema so aufbrausend“, sagt er.

Das Problem in seinem Grundsatz anzugehen und die Querung am Bahnhof barrierefrei zu gestalten (also mit Aufzügen an beiden Gleisen) scheint hingegen keine Option zu sein. „Das wäre ein Riesenaufwand“, weiß Bühler. Er könne sich nicht vorstellen, dass die Deutsche Bahn diesen als gerechtfertigt ansieht.

Bühler selbst weiß noch eine andere Alternative: „So richtig gut wär’s, wenn die Murrbahn auf dieser Strecke zweispurig wäre“, sagt der Bürgermeister. Doch auch das sei momentan keine Perspektive. Zwar gibt es immer wieder Hoffnungsschimmer für den zweigleisigen Ausbau der Murrbahn – zuletzt kam 2021 ein Gutachten zu dem Schluss, dass es sich um ein wirtschaftliches Bauvorhaben handle –, doch selbst bei einem Beschluss dafür läge die Umsetzung noch in weiter Ferne.

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Erstellt:
2. Februar 2024, 06:00 Uhr

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