Gesundheitspolitik

Lauterbach braucht Geld für die Pflege, aber Lindner blockt ab

Der Pflegeversicherung drohen Beitragserhöhungen. Aber die Pläne für eine große Pflegereform sind so teuer, dass es nicht ohne neue Steuerzuschüsse gehen wird. Der Finanzminister ist nicht begeistert.

 

© dpa/Kay Nietfeld

 

Von Norbert Wallet

Fingerhakeleien zwischen Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und der FDP gehören eigentlich längst zu den eingespielten Routinen der Ampelkoalition. In Zeiten der Pandemie war es regelmäßig zu Spannungen zwischen Lauterbach und Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) gekommen. Das diente durchaus beiden Seiten zur Profilierung.

Diesmal allerdings bahnt sich ein Konflikt an, der auf einer anderen Ebenen spielt und auch in Hinblick auf den finanziellen Streitwert in einer anderen Liga spielt. Lauterbach braucht Milliarden zur Sanierung der maroden Pflegeversicherung. Aber Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) stellt sich quer.

Corona-Ausgaben belasten die Pflegekasse

Es gibt mehrere Gründe, warum es der Pflegeversicherung nicht gut geht. Deren Bilanz wies zum Jahresende ein sattes Minus von 2,2 Milliarden Euro aus. Dabei lagen die Liquiditätsreserven bereits 1,2 Milliarden Euro unter der gesetzlich vorgesehenen Höhe. Das ist aber noch nicht die ganze Rechnung: Hinzu kommt noch ein vom Bund 2022 gewährtes Darlehen in Höhe von einer Milliarde Euro, das im laufenden Jahr zurückgezahlt werden muss. Treiber des Defizits sind vor allem die Corona-Ausgaben von rund zwölf Milliarden Euro. Der Bund hatte sich daran nur mit etwas weniger als der Hälfte beteiligt. Allein um das aktuelle Defizit auszugleichen, wäre rechnerisch eine Beitragsanhebung um 0,3 Prozent notwendig. Der Beitrag liegt heute bei 3,05 Prozent für Versicherte mit Kindern und 3,4 Prozent für Kinderlose.

Aber selbst das beschreibt noch längst nicht vollständig die Nöte des Bundesgesundheitsministers. Denn die Koalitionäre haben sich zudem eine Pflegereform vorgenommen, die Leistungsverbesserungen vorsieht. So steht im Koalitionsvertrag unter anderem die Absicht, das Pflegegeld zu erhöhen. Die letzte Erhöhung ist über fünf Jahre her. Zudem hat das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber verpflichtet, noch in diesem Sommer die Pflegeversicherten mit mehreren Kindern zu entlasten. Das führt zu weiteren Einnahmeausfällen. Die Liste ließe sich fast beliebig verlängern: Für die ambulante Pflege soll eigentlich ein Entlastungsbudget eingeführt werden. Und der galoppierende Anstieg der Eigenanteile für Heimplätze muss dringend gebremst werden. Und eigentlich hatte sich die Koalition vorgenommen, die Rentenbeiträge für pflegende Angehörige aus Steuern zu finanzieren.

Lindner findet das Gesundheitsressort zu aufgebläht

Lauterbach braucht also viel Geld vom Finanzminister. Der aber findet, dass das Gesundheitsministerium, dessen Etat in Pandemiezeiten erheblich aufgestockt wurde, nun seine Ansprüche erheblich runterschrauben sollte. Es bestehe „erheblicher Beratungsbedarf“, heißt es aus Lindners Ministerium, was in Lauterbachs Ohren nach einer Kampfansage klingen muss und wohl auch genau so gemeint ist.

Steuerzuschuss oder ein prekäres „Weiter so“?

Der CDU-Gesundheitsexperte Tino Sorge fasst im Gespräch mit unserer Zeitung das Dilemma der Koalition so zusammen: „Die beiden Minister Lindner und Lauterbach stehen vor einer zentralen Weichenstellung: Ein substanzieller Steuerzuschuss von mehreren Milliarden Euro in den kommenden Jahren – oder ein prekäres ‚Weiter so‘ mit deutlichem Beitragsanstieg für die Versicherten.“

Dass sich Beitragserhöhungen nicht vermeiden lassen, hatte Lauterbach schon im Vorfeld klar gemacht. Damals aber hoffte er noch auf einen kräftigen Zuschuss aus Steuermitteln. Der Gesundheitsminister kann immerhin darauf pochen, dass im Koalitionsvertrag etwas lapidar „weitere Steuerzuschüsse“ verabredet worden sind.

SPD macht Druck auf Lindner

Da Lindner keine Signale für eine Verständigung sendet, versucht die SPD politischen Druck aufzubauen. „Das muss schnell auf den Weg gebracht werden und dazu brauchen wir die notwendigen Mittel vom Bundesfinanzminister“, sagt SPD-Gesundheitspolitikerin Heike Baehrens. Bei der unübersichtlichen Lage wundert es nicht, dass Lauterbach sich noch nicht in der Lage sieht, die schon für Ende 2022 in Aussicht gestellten Eckpunkte seiner Pflegereform vorzulegen.

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Erstellt:
1. Februar 2023, 16:26 Uhr

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