Licht und Schatten beim Ersatzverkehr ab Waiblingen

Seit knapp drei Wochen ist die Bahnstrecke zwischen Waiblingen und Bad Cannstatt gesperrt. Das Fahrplankonzept, welches auf die Umleitung von Zügen und auf Schienenersatzverkehr setzt, wird von den Bahnreisenden bislang sehr unterschiedlich bewertet.

Angesichts der vielen eingesetzten Busse wird es am Bussteig in der Waiblinger Dammstraße bisweilen eng. Foto: Privat

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Angesichts der vielen eingesetzten Busse wird es am Bussteig in der Waiblinger Dammstraße bisweilen eng. Foto: Privat

Von Kai Wieland

Rems-Murr. „Verspätungen ohne Ende“, „kein guter Service“, „Fahrtzeit hat sich verdoppelt“ – seit Mitte Mai rollen die Busse des Schienenersatzverkehrs zwischen Waiblingen und Bad Cannstatt sowie zwischen Backnang und Marbach am Neckar. Die Rückmeldungen auf die Qualität des Fahrplankonzepts sind in den sozialen Netzwerken teilweise harsch. Genauso ist aber zu lesen: „Klappt super“, „die Einweiser machen einen tollen Job“ und „Busse fahren teilweise zu früh ab, ansonsten zufrieden“. Die Erfahrungen mit dem Schienenersatzverkehr (SEV) sind offenbar in erster Linie eines, und zwar sehr unterschiedlich.

Ein positives Erlebnis vermeldet etwa Reinhold Groll, der als Angestellter bei einem Softwareunternehmen in Stuttgart-Vaihingen zumeist im Homeoffice arbeitet. Zuletzt wagte er sich aber morgens in die S-Bahn ab Backnang, um dann in Waiblingen der Wegführung zu den SEV-Bussen zu folgen. „Ich finde das ganz gut organisiert“, berichtet er. „Die Busfahrt dauerte, auch wegen eines Staus im Berufsverkehr, etwas länger als gedacht, dennoch klappte auch der Umstieg in Bad Cannstatt problemlos. Ich war damit vergleichsweise nicht viel länger unterwegs als sonst.“

Ist die Taktung zu gering?

Große Sorgen, wie sich die Streckensperrungen auswirken würden, plagten im Vorfeld Charlotte Obertreis, die im Rahmen ihres Freiwilligen Sozialen Jahres fast täglich aus Althütte ins Kinderhospiz nach Stuttgart pendelt. Von dem enormen Aufwand, der betrieben wird, um die Sperrungen zu überbrücken, ist sie jedoch positiv überrascht, gleichwohl nicht alle Maßnahmen aufgehen: „Es ist weniger planbar geworden, weil die Busse gerade zu den Stoßzeiten sehr voll sind und oft im Stau stehen“, sagt sie. „Dadurch wird es zeitlich eng mit dem Anschluss in Waiblingen, da die S-Bahnen trotz der kurzen Strecke und der deutlich längeren Stehzeiten in Waiblingen nur halbstündlich fahren. Eine höhere Frequenz wäre da sehr wünschenswert.“ Alles in allem sei jedoch ein gutes Konzept entwickelt worden.

In der Gegenrichtung ist Katrin Lechler aus Pforzheim unterwegs, die für ihren Job im Kultur- und Sportamt der Stadt Backnang jeden Tag die Pendelstrecke in die Gerberstadt auf sich nimmt. Im Regelbetrieb benötigt sie von Tür zu Tür etwa eindreiviertel Stunden. Nun bringen ihre Umstiege auf den IRE nach Pforzheim sowie umgekehrt meistens viel Wartezeit mit sich. „Es ist klar, dass der SEV alle fünf Minuten fahren muss, um alle Passagiere einer S-Bahn aufzunehmen, aber wer steht dann schon gerne 25 Minuten in Waiblingen rum? Warum pendelt die S3 nicht im Viertelstundentakt, Züge und Fahrer sind doch da?“, fragt sich Katrin Lechler. Sie bevorzugt daher die Fahrt mit den Regionalzügen über Marbach, hadert aber auch hier mit der geringen Taktung. „Aus unerfindlichen Gründen gibt es diese Verbindung nur stündlich, was die Flexibilität einschränkt.“

Die Deutsche Bahn ist zufrieden

Weitgehend zufrieden mit dem Auftakt der Vollsperrungen beziehungsweise des Schienenersatzverkehrs zeigte sich indessen die Deutsche Bahn. Im Umwelt- und Verkehrsausschuss des Kreistags betonten Rüdiger Weiß, Leiter für Betrieb und Fahrplan Südwest der DB Netz, und Dirk Rothenstein von der Geschäftsleitung der S-Bahn Stuttgart einmal mehr die Schwierigkeiten, welche die Arbeiten am digitalen Knoten für die Koordinierung des Bahnverkehrs mit sich bringen (wir berichteten).

Ein Lob erhält die Deutsche Bahn für ihr Schienenersatzkonzept auch vom Grünen-Landtagsabgeordneten Ralf Nentwich. Er selbst pendelt täglich von Murrhardt nach Stuttgart, in der Regel mit den Regionalzügen über die sogenannte kleine Murrbahn.

„Mich haben einige Rückmeldungen wirklich sehr gefreut“, sagt Nentwich. „Man hört natürlich auch Negatives, aber das Stimmungsbild ist in meiner Wahrnehmung doch, dass das Konzept sehr gut funktioniert.“ Vor allem, dass fast alle Anregungen umgesetzt oder in wenigen Fällen zumindest mit schlüssiger Begründung abgelehnt wurden, stimmt ihn zufrieden. „Natürlich gingen gerade zu Anfang auch einige Dinge schief, aber das sind eben Startschwierigkeiten gewesen.“ Gespannt ist er allerdings, wie sich die bevorstehende zusätzliche Sperrung zwischen Schwäbisch Hall und Murrhardt ab 17. Juni auswirken wird. „Das wird noch einmal ein Härtetest“, vermutet Nentwich.

Gernot Gruber sieht Verbesserungspotenzial

Auch der Landtagsabgeordnete Gernot Gruber (SPD) kennt die Lage im ÖPNV bestens aus eigener Erfahrung. Sein Fazit fällt, beruhend auch auf Rückmeldungen aus der Bevölkerung, durchwachsen aus: „Am frühen Morgen, zwischen 5 und 6.30 Uhr, sowie abends ab 19 Uhr scheint das Platzangebot in Zügen und S-Bahnen ausreichend zu sein“, berichtet er. Später am Morgen sowie am späten Nachmittag hingegen seien Busse aufgrund des ebenfalls zunehmenden Autoverkehrs oft verspätet und es komme zu Anschlussproblemen. Gruber fährt seinerseits meist mit dem Zug um 6.05 Uhr ab Backnang über Marbach zum Hauptbahnhof. Die Verbindung sei gut ausgelastet, aber nicht überfüllt. Allerdings handelt es sich dabei auch um den Zug, der in der ersten Woche versehentlich auf die klassische Murrbahn geleitet wurde und in Neustadt-Hohenacker endete. Am Abend versucht Gruber vor 16.30 oder nach 19 Uhr zu fahren, um die Stoßzeiten zu meiden.

Für die Murrbahn würde er einen gemeinsamen Fahrplan von DB- und GoAhead-Zügen begrüßen und brachte diesen Vorschlag bei der Nahverkehrsgesellschaft, welche die elektronische Fahrplanauskunft betreibt, ein. Außerdem sieht er bei einzelnen Regionalzügen noch Potenzial zur Verlängerung, wohingegen die S-Bahnen bereits zumeist als Langzüge verkehrten.

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Erstellt:
31. Mai 2023, 06:00 Uhr

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