„Lieber mit Maske als mit Beatmungsgerät“

Kaufen die Leute wegen des Mund- und Nasenschutzes weniger ein? Wir haben uns bei lokalen Einzelhändlern umgehört. Viele sprechen sich trotz Einschränkungen und zum Teil verändertem Einkaufsverhalten für die Maskenpflicht aus.

Ohne oder mit? Die Maskenpflicht beim Shoppen wird aktuell wieder diskutiert. Ilona Müller (links) und Claudia Weiß (rechts) haben schon jetzt Ideen für ein sicheres Einkaufsgefühl in der Zeit nach der Maskenpflicht. Sie wollen ihren Laden in Weissach im Tal aufteilen.Foto: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Ohne oder mit? Die Maskenpflicht beim Shoppen wird aktuell wieder diskutiert. Ilona Müller (links) und Claudia Weiß (rechts) haben schon jetzt Ideen für ein sicheres Einkaufsgefühl in der Zeit nach der Maskenpflicht. Sie wollen ihren Laden in Weissach im Tal aufteilen.Foto: J. Fiedler

Von Kristin Doberer

BACKNANG/WEISSACH IM TAL. In der Backnanger Boutique Zauberhaft gibt es das „must have des Sommers 2020“, so heißt es im Social-Media-Auftritt des Geschäfts – und das nur aufgrund der Maskenpflicht. Denn modische Brillenbänder wurden hier kurzerhand zu Maskenbändern umfunktioniert, mit denen man den Mundschutz immer greifbar um den Hals tragen kann. Dabei ist der Mund- und Nasenschutz im Einzelhandel gerade jetzt wieder in der Diskussion, allerdings nicht wegen der Tauglichkeit als Modeaccessoire, sondern weil erneut bundesweit über die Maskenpflicht beim Shoppen diskutiert wird. Immer wieder wurden Stimmen laut, dass die Maske die Stimmung der Mitarbeiter trübt und das Einkaufsverhalten der Bevölkerung negativ beeinflusst. Zumindest bei dem Modegeschäft Zauberhaft ist das aber nicht der Fall. Hier hat sich die Normalität wieder eingespielt – trotz Maskenpflicht. „Wir sind schon fast dran am Vor-Corona-Geschäft“, sagt Inhaberin Alexandra Rupp. Die meisten ihrer Kunden haben sich mittlerweile an die Maske gewöhnt. „Natürlich stört es auch manche Kunden.“ Immer wieder komme es vor, dass diese dann kurz vor die Tür gehen, den Mundschutz für einen Moment abnehmen und anschließend ihren Einkauf ganz normal fortsetzen. Es erschwere auch die Beratung, erklärt sie. Sowohl die Verständigung sei schwieriger als auch die Einschätzung über die Mimik der Kunden. Und trotzdem steht sie als Einzelhändler hinter der Maskenpflicht: „Ich bin ja kein Experte auf dem Gebiet. Und dann sag ich: lieber mit Maske als mit Beatmungsgerät. Und lieber so, als nochmal einen Ausnahmezustand wie vor einigen Wochen.“

„Wir brauchen die Aufhebung der Maskenpflicht nicht unbedingt.“

Ähnlich geht es dem Schuhgeschäft Schuhprofi in Backnang. Auch hier hat sich die Lage mittlerweile wieder normalisiert, das Geschäft laufe wie vor Corona, sagt Anja Zander. Hin und wieder kämen zwar Kunden, die ihre Maske zum Beispiel nicht über die Nase gezogen haben, „aber wir weisen sie darauf hin und dann ist das kein Problem.“ Auch könne sie keinen Unterschied im Einkaufsverhalten feststellen. Die Leute würden sich genauso im Laden umschauen und beraten lassen wie ohne Mund- und Nasenschutz. Auch die Zeit, die sie zum Einkaufen benötigen, sei unverändert. „Die Kunden fühlen sich beim Einkaufen trotzdem wohl. Bei uns ist es noch nicht vorgekommen, dass sie so schnell wie möglich rein und wieder rausgehen“, sagt Zander. „Wir können uns nicht beschweren. Wir brauchen die Aufhebung der Maskenpflicht gar nicht unbedingt.“ Auch für die Mitarbeiter sei das Tragen der Maske ganz selbstverständlich geworden. „Wir finden das überhaupt nicht mehr schlimm. Und manchmal, zum Beispiel im Lager, können wir sie ja auch kurz abnehmen.“

Doch nicht alle Einzelhändler können schon wieder die Vor-Corona-Umsätze verzeichnen. Ilona Müller und ihre Geschäftspartnerin Claudia Weiß merken zum Beispiel nach wie vor die Auswirkungen der Coronapandemie in ihrem Geschäft in Weissach im Tal. Das liege aber weniger an der Maske als vielmehr daran, dass sie nicht mehr so viele Kundinnen gleichzeitig in den Laden lassen dürfen, wie gerne einkaufen würden. „Viele haben auch einfach Angst, wenn sie vorbeikommen und sehen, dass schon jemand im Laden ist“, sagt Inhaberin Müller. Und trotz der Lockerungen sitzt die Coronazeit noch in den Knochen. Denn bereits jetzt wird die Herbstkollektion geliefert. Damit sie möglichst viel von der Sommerkleidung verkaufen können, haben sie ihre Preise stark gesenkt. „Umsatz machen wir dadurch zwar, Gewinn aber keinen“, sagt sie. Da ihre Kundschaft viel aus älteren Damen besteht, merken sie schon, dass diese sich mit der Maske immer wieder sehr schwertun. Und trotzdem stellt sie fest, dass das ihre Kunden nicht vom Einkaufen abhält und diese zum Teil sogar länger im Laden bleiben, solange die Temperaturen nicht zu warm sind. „Wir dürfen jetzt weniger Leute in den Laden lassen. Wenn sie ganz allein oder nur zu zweit im Laden sind, dann lassen sich die Kundinnen sogar mehr Zeit.“

Auch David Boss vom Sportgeschäft Sport Boss hat bisher nicht festgestellt, dass die Kunden wegen der Maske weniger Zeit in seinem Geschäft verbringen und unter Zeitdruck einkaufen. Aber aufgrund seiner Lage im Gewerbegebiet seien die meisten Einkäufe ohnehin sehr gezielt. „Bummeleinkäufer haben wir kaum“, sagt er. „Aber beim Textilgeschäft merkt man schon den Unterschied zum Einkaufsverhalten von vor Corona. Die Leute wollen mit der Maske weniger Kleidung anprobieren, Schuhe dagegen sind kein Problem.“

In seinem Team sei die Meinung zur Maskenpflicht sehr verschieden und auch er gibt zu: „Die Maske nervt ein bisschen.“ Trotzdem würde er Lockerungen erst bei einer besseren Lage der Infektionszahlen bevorzugen. Dass die aktuelle Diskussion tatsächlich zu einer Aufhebung der Pflicht führen kann, bezweifelt Boss. „Ich glaube, dass wir uns noch länger auf eine Maskenpflicht einstellen müssen.“ Er vermutet, dass die Regierung bei dieser Lockerung auf Nummer sicher gehen will und sich an den Fallzahlen orientiert. Die Maskenpflicht werde vermutlich erst dann aufgehoben, wenn es über einen längeren Zeitraum gar keine Fälle in Baden-Württemberg mehr gibt.

Sollte es irgendwann zu einer Aufhebung der Maskenpflicht kommen, so haben die Ilona Müller und Claudia Weiß schon jetzt einen Plan. „Bei dem Thema gehen die Meinungen ja weit auseinander. Wir wollen nicht, dass Leute, die eine Maske tragen wollen, sich unsicher fühlen, weil andere Kunden im Laden keine aufhaben.“ Deshalb würden sie in einem solchen Fall den Laden zweiteilen, ein Abschnitt für freiwillige Maskenträger und der andere für die Kunden ohne Maske. „Diese beiden Gruppen müssten sich dann gar nicht begegnen.“

Dass die beiden Frauen beim Arbeiten und Beraten selbst immer einen Mundschutz tragen müssen, stört sie nicht allzu sehr. „Wir kommen damit zurecht, es gibt Schlimmeres“, meint Müller. Viel wichtiger als die aktuelle Diskussion sei ihr, dass alle ihre Kunden gesund sind und es auch bleiben. „Wir wollen auch einfach nicht dafür verantwortlich sein, dass sich jemand ansteckt.“

Diskussion um die Maskenpflicht im Einzelhandel

In Baden-Württemberg müssen Mund und Nase beim Einkaufen und im öffentlichen Nahverkehr bedeckt werden. Die Regelung gilt bereits seit Ende April, bei Verstoß droht ein Bußgeld.

Ein Auslöser für die erneute Diskussionen zur Maskenpflicht war der Vorschlag von Mecklenburg-Vorpommerns Wirtschaftsminister Glawe. Er hat am Wochenende ein Ende der Maskenpflicht im Handel vorgeschlagen. Er betonte aber auch, dass die Abstandsregeln bestehen bleiben sollen.

Trotz immer neuer Lockerungen hat Baden-Württemberg in der Debatte um die Aufhebung der Maskenpflicht klar Stellung bezogen: Die Maskenpflicht wird bleiben, Lockerungen oder sogar ein Ende der Verordnung sind bisher nicht geplant, wie eine Sprecherin des Staatsministeriums am Montag in Stuttgart sagte.

Neben Baden-Württemberg haben am Montag auch weitere Bundesländer den Vorschlag Glawes abgelehnt. Dagegen ausgesprochen haben sich Bayern, Schleswig-Holstein, Brandenburg und Hamburg.

Am Montagnachmittag haben die 16 Gesundheitsminister der Länder dann vereinbart, dass im Kampf gegen die Corona-Krise die Maskenpflicht auch weiterhin gelten wird – in ganz Deutschland. Zur Begründung hieß es, es dürfe nicht der falsche Eindruck entstehen, die Pandemie sei vorbei.

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Erstellt:
7. Juli 2020, 06:00 Uhr

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