Lob für das Nebeneinander von Alt und Neu
Im historischen Gebäude des Stuttgarter Hauptbahnhofs gehen die Rohbauarbeiten dem Ende entgegen. Die Bahn feiert Richtfest – und schweigt zu den Kosten.

© Ferdinando Iannone
Richtfestgäste statt Reisende in der großen Halle des Hauptbahnhofs.
Von Christian Milankovic
Stuttgart - Mit einigem Aufwand hat die Deutsche Bahn Richtfest bei der Sanierung und dem Umbau des historischen Gebäudes des Stuttgarter Hauptbahnhofs gefeiert. Und weil die Arbeiten am Dach nur einen verschwindend geringen Teil des Großprojekts ausmachen, hat sie die Feier konsequenterweise ins Innere der Bahnhofshalle verlegt. Der Stimmung vor Ort tat das aber keinen Abbruch.
Alle Redner lobten den Mut der Bahn, in Stuttgart Altes mit Neuem zu verknüpfen. Das Nebeneinander der neuen Bahnsteighalle des Architekten Christoph Ingenhoven, der dem Richtfest als stiller Beobachter beiwohnte, und der wieder in Form gebrachte mehr als 100 Jahre alte Bahnhofsbau von Paul Bonatz ergänzten sich aufs Beste, so die einhellige Meinung vom Rednerpult aus.
„Architekt Christoph Ingenhoven ist gelungen, den denkmalgeschützten Bonatzbau mit dem futuristischen Kelchstützen-Bahnhof harmonisch zu verschmelzen“, befand Ralf Thieme, Vorstand Personenbahnhöfe der DB Infrago. Es entstehe „ein Paradebeispiel für einen Bahnhof der Zukunft, der fit und barrierefrei ist für die Erfordernisse des modernen Bahnverkehrs“. Wie sehr das Stuttgarter Beispiel tatsächlich als Blaupause taugt, wird sich noch weisen müssen. Ursprünglich auf 250 Millionen Euro taxiert, stiegen die Kosten bis Sommer 2024 auf 581 Millionen Euro. Ob das noch der aktuelle Preisstand ist, sagte Thieme weder in seiner Rede noch wollte er sich danach etwas dazu entlocken lassen.
Aufs Geld kam hingegen der Stuttgarter Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU) zu sprechen. Es sei „für einen aus Überzeugung und von Amts wegen sparsamen Schwaben wie mich auch eine große Freude, dass die Kosten für Sanierung und Aufwertung des Bonatzbaus dankenswerterweise die Deutsche Bahn trägt und nicht die Stadt Stuttgart“, sagt er. Er verband das mit der Zusage, dass aber auch die Stadt alsbald in die gar nicht mehr so prall gefüllten Taschen greifen werde, um das Bahnhofsumfeld auf Vordermann zu bringen. „Die untere Königstraße, der Arnulf-Klett-Platz und die Arnulf-Klett-Passage befinden sich gegenwärtig in einem beklagenswerten Zustand. Alle drei Bereiche müssen baldmöglichst wie einstens Dornröschen wach geküsst werden“. Allerdings können Teile dieser Projekte erst angegangen werden, wenn die Baukolonnen den Bonatzbau geräumt haben. Das wird sich bis Ende 2027 hinziehen.
Schon von Ende 2026 an sollen Reisende – wenn der Zeitplan der Bahn hält – durch den sanierten Bahnhofsaltbau in den Bahnhofsneubau gelangen. Bekannt ist bereits, dass in die Fläche des bisherigen Reisezentrums eine Ansammlung von Imbissen, ein sogenannter Foodcourt, einziehen wird. In einem innerhalb der bestehenden Außenmauern des Bonatzbaus errichteten Neubau eröffnet ein Vier-Sterne-Hotel. Insgesamt wird die Bahn 30 Flächen unterschiedlichen Zuschnitts vermieten.
Berthold Frieß, Ministerialdirektor im Landesverkehrsministerium, erinnerte daran, dass der Bonatzbau für Stuttgart 21 seine Seitenflügel eingebüßt hat. Er unterstrich aber, wie wichtig moderne und funktionierende Bahnhöfe für die Verkehrswende und die Klimaneutralität seien. Und weil hier „eine Kathedrale der Mobilität“ entstehe, gehe er davon aus, dass auch Architekt Paul Bonatz seinen Frieden mit der Umgestaltung des Gebäudes gemacht hätte. Dass all das mit vielen Beeinträchtigungen für die rund 300 000 täglichen Fahrgäste verbunden ist, stellte Bahnmanager Thieme nicht in Abrede. Dass diese Erschwernisse am Ende nicht umsonst gewesen sind, dessen ist er sich sicher. Man lasse „dieses Stuttgarter Wahrzeichen in neuem Glanz erstrahlen“.