Medienethik und der Pressekodex des Deutschen Presserats

Selbstkontrollorgan der Medien legt Richtlinien fest, nach denen Journalisten arbeiten – Leser können Beschwerden über Berichterstattung einreichen

Die Geschäftsstelle des Deutschen Presserats hat ihren Sitz in Berlin. Foto: imago/Steinach

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Die Geschäftsstelle des Deutschen Presserats hat ihren Sitz in Berlin. Foto: imago/Steinach

Von Silke Latzel

BACKNANG. Ethik. Ein großes, ein wichtiges Wort. Vor allem dann, wenn es scheint, als verschieben sich die Grenzen dessen, was Anstand ist und was nicht, wahllos vor und zurück. Immer wieder wird in Deutschland auch über die Ethik des Journalismus und der Berichterstattung diskutiert. Und ja, nicht immer verhalten sich Journalisten ethisch korrekt. Um an das „eine“ Foto zu kommen, das die Konkurrenz vielleicht nicht hat, oder um eine Nachricht schneller und besser, mit mehr Details oder aus einem anderem Blickwinkel veröffentlichen zu können, geht mancher Journalist einen ethisch fragwürdigen Weg. Beispiele aus der Geschichte gibt es dafür einige:

Der Amoklauf von Winnenden und Wendlingen im Jahr 2009: Die Berichterstattung vieler Medien ruft Kritik hervor. Für besondere Aufregung sorgt die ganzseitige Fotomontage einer Boulevardzeitung, die den Amoktäter in einem Kampfanzug in heroischer Pose zeigt. Auch eine Grafik, die die Situation in einem Klassenzimmer nachzeichnet, empfanden viele Leser als pietätlos.

1988: Bei der dreitägigen Geiselnahme von Gladbeck hatten sich Journalisten quer durch die Republik an die Fersen der Geiselnehmer geheftet. Im weiteren Verlauf der Ereignisse entwickelte sich die tragische Entführung, bei der mehrere Menschen starben, zu einem Medienspektakel: Journalisten griffen selbst aktiv ins Geschehen ein. Sie hielten Pressekonferenzen mit den Verbrechern ab und boten ihnen so eine fragwürdige Plattform zur Selbstinszenierung.

Es sind nur zwei Beispiele aus der journalistischen Berichterstattung, die in der Öffentlichkeit heftig diskutiert wurden, deren Veröffentlichung umstritten war und Fragen aufwirft: Wo hört Journalismus, also die Vermittlung von Wissen und das öffentliche Interesse an einem Ereignis oder einer Person, auf, und wo beginnt Voyeurismus? Wer bestimmt, was ethisch vertretbar ist und was nicht?

Diese Fragen sind nicht leicht zu beantworten und es sind oft Einzelfallentscheidungen. Neben dem rechtlichen Rahmen, in dem Journalisten sich bei ihrer Arbeit bewegen – zum Beispiel dem im Presserecht verankerten Verbot von übler Nachrede, Verleumdung und Schmähkritik oder dem Schutz der persönlichen Ehre –, beschäftigt sich die Medienethik vor allem mit der Frage: Sollten Journalisten manche Dinge – selbst wenn sie rechtlich gestattet sind – überhaupt machen? Wer legt die Grenzen der Berichterstattung fest?

In liberalen Demokratien mit grundgesetzlich garantierter Kommunikationsfreiheit wie der Bundesrepublik Deutschland klafft, was Kontrolle und Regulierung von Medien betrifft, eine Lücke zwischen der bewussten Zurückhaltung des Staates einerseits und dem gesellschaftlichen Interesse an einer verantwortungsvollen Praxis des Journalismus anderseits. In diese Lücke springt etwa der Deutsche Presserat, ein Selbstkontrollorgan der Presse. Zu seinen Aufgaben gehört es, Fehlleistungen der Medien zu unterbinden oder nachträglich zu sanktionieren. Damit kommt er nicht nur gesetzlichen Regulierungen zuvor – was einem Eigeninteresse entspricht –, sondern handelt auch im Interesse der demokratischen Öffentlichkeit, welche auf unabhängige, funktionierende und qualitätsvolle Medien angewiesen ist.

Um einem geplanten Bundespressegesetz zuvorzukommen, entstand 1956 der Deutsche Presserat. Er befasst sich unter anderem mit dem Aufarbeiten von Beschwerden aus der Leserschaft. Außerdem verfasste der Deutsche Presserat den sogenannten Pressekodex. Wichtig ist dieser deshalb, weil zwar die allgemeine Moral dazu anhält, von niemandem die „privaten Angelegenheiten auszuforschen“, es für Journalisten aber wichtig ist, solche Angelegenheiten beispielsweise im Fall von politischen Funktionsträgern, bei Opfern von Gewalttaten oder Unglücken, über welche die Allgemeinheit informiert werden muss, öffentlich zu machen. Die Grundpfeiler des Journalismus bilden hierbei Wahrheit und Vollständigkeit der Informationen, geistige Unabhängigkeit beziehungsweise Objektivität, Aktualität, Verständlichkeit, Unterhaltsamkeit und die Nennung der Nachrichtenquelle, also die Transparenz.

Der Pressekodex sind Richtlinien für die publizistische Arbeit, herausgegeben vom Deutschen Presserat. Die Richtlinien dienen als Grundlage für die Beurteilung der von Lesern eingereichten Beschwerden und enthalten 16 Ziffern, die Maßstäbe hinsichtlich der Berichterstattung und des journalistischen Verhaltens festlegen. Mit ihnen wird die Wahrung der Berufsethik sichergestellt. Für die Sicherstellung einer ethisch korrekten Berichterstattung im Sinne des Persönlichkeitsschutzes sind Journalisten laut Kodex zu verschiedenen Dingen angehalten, wie etwa die Wahrheit zu schreiben, die Menschenwürde zu achten, sorgfältig zu recherchieren, keine ehrverletzenden Darstellungen zu veröffentlichen, niemanden zu diskriminieren oder aus Gründen des Jugendschutzes auf eine unangemessen sensationelle Darstellung von Gewalt, Brutalität und Leid zu verzichten.

Auch die Grenzen der Recherche sind im Kodex niedergeschrieben. So dürfen etwa bei der Beschaffung von personenbezogenen Daten, Nachrichten, Informationsmaterial und Bildern keine unlauteren Methoden angewandt werden. Außerdem muss die Presse das Privatleben der Menschen achten, sofern ihr Verhalten nicht von öffentlichem Interesse ist.

Sie, liebe Leser, haben immer die Möglichkeit, über unsere Arbeit eine Beschwerde beim Deutschen Pressedienst einzureichen. Diese wird geprüft und gegebenenfalls sanktioniert. Mehr Infos zum Pressekodex, nach dem wir arbeiten, und dem Deutschen Presserat im Allgemeinen gibt es auf www.presserat.de.

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Erstellt:
6. November 2019, 06:00 Uhr

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