Mistelbekämpfung in Aspach

Immer mehr werden die Misteln zu einem Problem: Sie setzen sich an Bäumen fest, schlagen tiefe Wurzeln und saugen ihn quasi aus. Die Gemeinde Aspach und der Verein Schwäbisches Mostviertel haben nun erstmals eine Mistelputzete veranstaltet.

Ganz oben kommt man nur mit der Teleskopsäge hin. Der Baumexperte Alexander Weißbarth (links) berät Aspachs Bürgermeisterin Sabine Welte-Hauff, wie sie den mistelbefallenen Ast korrekt absägt. Fotos: Tobias Sellmaier

© Tobias Sellmaier

Ganz oben kommt man nur mit der Teleskopsäge hin. Der Baumexperte Alexander Weißbarth (links) berät Aspachs Bürgermeisterin Sabine Welte-Hauff, wie sie den mistelbefallenen Ast korrekt absägt. Fotos: Tobias Sellmaier

Von Cordula-Irene von Waldow-Noller

Aspach. Die Laubholzmistel stellt mittlerweile eine ernst zu nehmende Gefahr für die Streuobstbestände dar. Dass man der Mistel zu Leibe rücken muss, weil sie sonst die Streuobstbäume kaputtmacht – darin sind sich nicht nur die Gemeinde Aspach und der Verein Schwäbisches Mostviertel einig. Am Samstag luden sie daher erstmals gemeinsam zu dem Pilotprojekt „Mistelputzete“ auf verschiedenen privaten Streuobstwiesen in den Aspacher Ortsteilen ein, tatkräftig unterstützt von der Nabu-Ortsgruppe sowie dem Obst- und Gartenbauverein OGV Rietenau. Gemeinsam sollten sukzessive befallene Streuobstflächen mit ehrenamtlichen Teams bearbeitet und die Misteln heruntergesägt werden.

Mehr als 25 Hilfswillige trafen sich bei strahlendem Sonnenschein und angenehmen Frühlingstemperaturen am Vereinsheim des TSV Rietenau, vielfach bereits gut ausgestattet mit Handsägen, Stangensägen oder sogenannten Hochentastern, mit denen auch höher wachsende Störenfriede erreicht werden können. „Die Mistel hat schon kräftig zugeschlagen und vor uns liegt eine Mammutaufgabe. Aber Nichtstun ist keine Option“, betonte die Aspacher Bürgermeisterin Sabine Welte-Hauff bei ihrer Begrüßung.

Baumexperte Alexander Weißbarth erklärte: „Wenn die Bäume im Winter grün sind, ist etwas falsch.“ Das Problem fange ganz klein an, doch die Mistelpflanzen auf den Bäumen verdoppelten sich exponentiell und schnell sei ein Baum komplett befallen. Dort, wo die Pflege der Obstbäume unterblieben ist, hat sich die Mistel in den vergangenen Jahren stark ausgebreitet.

Die Wurzeln der Pflanzen bohren sich tief in den Baum

Das Heimtückische an den zur Weihnachtszeit als Dekoration beliebten Misteln: Man kann sie nicht einfach nur abrupfen. An einem Baumschnitt demonstrierte der Experte, wie tief sich die Wurzeln der Mistel in einen Ast graben, dort weiterwachsen und sich verzweigen. Er erläuterte: „Die Mistel regt den Baum an, sich an dieser Stelle zu verdicken, und saugt ihn regelrecht aus.“ Bei dem Mistelschnittkurs auf dem Flurstück „Lauch“, an dem neben Sabine Welte-Hauff unter anderem auch Backnangs Erster Bürgermeister Stefan Setzer, zugleich Vorsitzender des Vereins Schwäbisches Mostviertel, und Geschäftsführerin Nadine Thoman teilnahmen, zeigte er, wo und wie weit ein Ast abgesägt werden muss, um die Mistel ein für alle Mal los zu sein.

Wichtig sei insbesondere bei den jungen Bäumen, den Baum zu erhalten. Sitze eine Mistel am Stamm, könne man diese lediglich immer wieder entfernen, damit sie nicht nach einigen Jahren weiße Beerenfrüchte ausbildet. Diese werden von den Vögeln gefressen, die über den Kot die Mistelsamen überall verteilen. Je größer die Mistel, desto mehr Früchte und desto größer die Verseuchung im weiten Umkreis. Deutlich war zu sehen, dass die Bäume von oben befallen werden und sich die Misteln dann langsam über den ganzen Baum verteilen können. Angesprochen auf die Verwendung der Mistel als medizinische Heilpflanze, informierte Alexander Weißbarth: „Das gilt nur für die seltenen Misteln an Eichen. An Obstbäumen sind Misteln Schmarotzer. Wenn wir unsere Streuobstwiesen erhalten wollen, hilft nur Konsequenz. Wird ein Baum regelmäßig gepflegt, kann sich die Mistel nicht festsetzen.

“Bäume mit großem Potenzial

Bei kleinen Mistelpflänzchen genüge es sogar, die Wurzel mit der Bohrmaschine auszubohren, ohne den Ast entfernen zu müssen. Die Lerngruppe der Helfer, die zumeist selbst Streuobstgrundstücke besitzen und entsprechend erfahren sind, traf auf verschiedene Herausforderungen. Schnell zeigte sich: Erst wenn die großen, weithin sichtbaren Misteln entfernt sind, werden auch die kleineren Schmarotzer wahrgenommen. Glück hatte der kleine Trupp rund um die Bürgermeisterin: Die Misteln saßen nicht wie anfangs befürchtet am Stamm, sondern stammnah auf den Ästen, sodass der fachkundig beschnittene Baum schnell frei war und zudem wunderschön aussah.

Weitere Themen

„Diese Bäume hier haben großes Potenzial“, bestätigte der Baumexperte. Seinen interessierten Kursteilnehmern und -teilnehmerinnen gab er zahlreiche Tipps auch für den Obstbaumschnitt und für die beste Sägetechnik: „Nach vorn locker lassen und kraftvoll zurückziehen.“ An einem anderen Baum, der harmloser ausgesehen hatte, mussten zahlreiche Äste entfernt werden, um ihn zu retten.

Die grünen Gewächse machen sich besonders im Winter bemerkbar, wenn der Baum ansonsten kahl ist.

© Tobias Sellmaier

Die grünen Gewächse machen sich besonders im Winter bemerkbar, wenn der Baum ansonsten kahl ist.

„Dies ist eine tolle, nachahmenswerte Aktion. Es bringt was“, resümierte Setzer, als nach rund 90 Minuten alle Misteln von den über 20 Bäumen entfernt waren. Der städtische Bauhof holt die abgesägten Äste ab und entsorgt sie im Häcksler. Um allerdings nachhaltigen Erfolg zu erzielen, müssen solche Putzaktionen regelmäßig wiederholt und vor allem ausgeweitet werden.

Schnell offenbarte sich: Pflegt jemand oder der Nachbar seine Bäume nicht, beginnt das Mistelsäuberungsspiel alljährlich von vorne. Wie gut, dass unter anderem der OGV Rietenau unter der Leitung von Baum- und Fachwart Alfred Binder sich seit Jahren diesem Thema widmet. Diesmal wirkte eine vierköpfige Gruppe im „Eulengreut“. Erfahrene Kompetenz bringt auch die Nabu-Ortsgruppe Aspach unter Vorsitz von Jochen Schäufele mit. Der sagt: „Wir führen an verschiedenen Stellen Mistelschnittkurse durch und sind seit fünf Jahren immer an einem oder zwei Samstagen im März auf unterschiedlichen Grundstücken unterwegs, um die Bäume zu pflegen. Immer mit sechs bis acht Ehrenamtlichen.“

Künftig könnte ein Netzwerk an Ehrenamtlichen regelmäßig helfen

Ruth Deichmann vom Liegenschaftsamt Aspach lobt: „Der Nabu hat uns mit seiner Erfahrung quasi die Blaupause für diese Auftaktveranstaltung geliefert.“ Ihr schwebt vor, „ein großes Team an ehrenamtlichen Helfern, ein Netzwerk mit unterschiedlichen Kompetenzen in einem guten Miteinander und viele solcher Aktionen“ dauerhaft zu etablieren.

An der Mistelputzete beteiligten sich zudem die Damen des Vereins Weissach Klimaschutz konkret, die mit ihrem „Streunerle“ angereist waren und für ein liebevoll hergerichtetes Vesper sorgten. Am Ende des Tages waren vier Streuobststückle mistelfrei und alle Beteiligten sehr zufrieden mit diesem Aktionstag – als Auftakt für vermutlich viele weitere.

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Erstellt:
11. März 2024, 06:00 Uhr

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