Strafzölle
Mit friesischer Gelassenheit gegen Donald Trump
Der EU-Parlamentarier Bernd Lange sucht als Unterhändler seit Wochen nach Wegen aus dem Zollstreit mit den USA.

© Jacquelyn Martin/dpa
Trump: Echte Drohungen oder Theaterdonner?
Von Knut Krohn
Bernd Lange bringt so schnell nichts aus der Ruhe. In diesen Wochen wird die friesische Gelassenheit des Europaabgeordneten allerdings auf eine harte Probe gestellt. Zum wiederholten Male ist der Vorsitzende des Handelsausschusses des Europaparlaments mit einer Delegation in die USA gereist, um nach einem Lösungsweg im Zollstreit mit Donald Trump zu suchen. Doch erneut kehrte Bernd Lange mit leeren Händen zurück. „Es ist sehr schwierig, wirklich greifbare Ergebnisse zu erzielen“, räumt der gebürtige Oldenburger ein, „im Moment ist ja alles im Fluss.“
Echte Drohung oder Theaterdonner?
Das ist eine eher diplomatische Umschreibung für das wilde Hin und Her bei den Gesprächen. In der EU hatte sich zuletzt die Hoffnung breitgemacht, doch noch auf dem Verhandlungsweg eine weitere Eskalation des Zollkonfliktes vermeiden zu können. Dann aber brachte US-Präsident Donald Trump jüngst unvermittelt für Anfang Juni eine neue drastische Zollerhöhung ins Spiel. Dann zog er diese Drohung nach einem Gespräch mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen überraschend wieder zurück. Aber kaum hatte Trump den Hörer aufgelegt, kündigte er eine Verdopplung der bereits bestehenden Sonderzölle auf Stahl- und Aluminiumimporte von 25 auf 50 Prozent an. Die neuen Sätze sollen demnach schon ab kommenden Mittwoch (4. Juni) gelten.
Bernd Lange nimmt diese neue Drohung überraschend gelassen. „Ich glaube, da ist auch viel Theaterdonner mit dabei“, sagt der SPD-Politiker. „Das hat wenig mit Realismus zu tun“, zumal die rechtliche Basis für solch einen drastischen Schritt unsicher sei. An dieser Stelle zeigt sich allerdings ein Problem: während sich die EU immer wieder auf die geltende Gesetze beruft, kümmert die Rechtslage den US-Präsidenten offenbar herzlich wenig. Allerdings laufen wegen der Rechtmäßigkeit vieler Zölle aktuell verschiedene Prozesse, in denen noch keine endgültigen Entscheidungen gefallen sind.
Auch in den USA weckt das wankelmütige Verhalten Sorgen
Trump hat bereits klargemacht, dass er diesen Streit nötigenfalls bis vors Oberste Gericht bringen will, den Supreme Court in Washington. Der Präsident hat die Stimmenmehrheit der neun Richterinnen und Richter an dem Gericht während seiner ersten Amtszeit mit mehreren Nachbesetzungen weit nach rechts verschoben. Aber selbst die konservativen Richter entscheiden in der Sache längst nicht immer in seinem Sinne.
Bernd Lange betont, dass auch in den USA das wankelmütige Agieren des Präsidenten mit großer Sorge beobachtet wird. „Ich habe bei den Besuchen mit vielen Gouverneuren und Senatoren auch von den Republikanern gesprochen, die das alles sehr kritisch sehen“, sagt der EU-Politiker. Denn auch in deren Bundesstaaten gebe es Unternehmen, die unter der aktuellen Unsicherheit sehr leiden und deswegen schon Leute entlassen mussten. „Auch für die US-Unternehmen werden Lieferketten unterbrochen und die Kosten steigen.“
Zolleinnahmen zur Finanzierung von Steuersenkungen?
Bei seinen Besuchen in den USA sei ihm bewusst geworden, sagt Bernd Lange, dass Donald Trump mit seiner Zollpolitik neben den beiden bekannten, noch ein drittes Ziel verfolge. Anfangs sagte der US-Präsident, er wolle Handelsungleichgewichte korrigieren und Produktionsstandorte in den USA sichern. Der EU-Parlamentarier glaubt aber, dass „die US-Zollpolitik in einem größeren Zusammenhang mit der Haushaltspolitik steht“. Der US-Präsident habe ein Steuerpaket auf den Weg gebracht und seinen Anhängern erhebliche Steuersenkungen versprochen, erklärt Bernd Lange. Diese müssten aber finanziert werden, und da habe Trump die möglichen zusätzlichen Zolleinnahmen entdeckt. Die würden von aktuell rund sieben Milliarden auf etwa 100 Milliarden steigen, sollte der US-Präsident seine Vorstellungen durchsetzen. „Das ist natürlich eine sehr relevante Summe für den Haushalt“, betont Bernd Lange. Allerdings habe er in allen Verhandlungen seinen Gesprächspartnern in Washington immer wieder gesagt, dass die Unternehmen aus Europa auf gar keinen Fall auf diesem Weg den Haushalt der USA sanieren würden.
EU ist für Gegenmaßnahmen bereit
Immer wieder betont der SPD-Politiker, dass Europa an einer Verhandlungslösung interessiert sei und das Angebotspaket seit Wochen auf dem Tisch liege. Im Rahmen dieses Deals könnte etwa der Import von amerikanischem Flüssiggas (LNG) erhöht werden. Zudem wäre es möglich, mehr Militärtechnik und Agrargüter aus den USA importieren und die Importzölle für US-Autos zu senken.
Sollten die USA tatsächlich den Konflikt eskalieren, ist die EU aber bereit, Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Aus Brüssel heißt es, dass diese Reaktion sehr schnell umgesetzt werden könne. Die Regierungen der EU-Staaten hatten bereits im April den Weg für erste Gegenzölle zwischen 10 und 25 Prozent freigemacht. Diese könnten theoretisch umgehend in Kraft gesetzt werden und unter anderem in den USA produzierende Hersteller von Jeans, Motorrädern, Rindfleisch oder Zitrusfrüchten treffen. An weiteren Maßnahmen wird gearbeitet. Erwogen werden weitere Zusatzabgaben auf Industrie- und Agrarprodukte wie Autos, Süßkartoffeln und Whiskey.
Bundeskanzler Friedrich Merz wird am Donnerstag erwartet
Am Donnerstag wird auch der deutsche Bundeskanzler Friedlich Merz bei seinem ersten Besuch in den USA bei Donald Trump den Zollstreit ansprechen. Ein Verhandlungsmandat hat der Regierungschef nicht, aber als Chef des wirtschaftsstärksten europäischen Landes kann er durchaus Impulse setzen. Eine Botschaft dürfte er in die Gespräche einbringen: ein Handelskrieg würde nicht nur Europa, sondern auch den USA schaden.