Raumfahrt-Start-up
Mit Kerzenwachs in den Weltraum
Das Start-up Hy Impulse in Hohenlohe hat einen Treibstoff für Raketen entwickelt, der sicherer als der übliche sein soll – und dabei auch noch günstiger.

© Hy Impulse
Erfolgreicher Start der ersten Hy-Impulse-Rakete
Von Ulrich Schreyer
Neuenstadt am Kocher hat einen hübschen Marktplatz, ein mittelalterliches Stadttor, die Freilichtspiele im Schlossgraben – und Hy Impulse. Das Start-up aus der Nähe von Heilbronn hat es schon geschafft, eine selbst entwickelte Rakete bis in 60 Kilometer Höhe zu katapultieren und diese auch wieder heil zur Erde zurückzubringen. Das kann also nicht nur Elon Musk. Nach dem Start in Australien im Mai 2024 und der erfolgreichen Landung kam die Rakete wieder zurück in die Fabrikhalle im Gewerbegebiet von Neuenstadt.
Dort haben die raumfahrtbegeisterten Tüftler um Christian Schmierer verschiedene Maschinen für die Arbeit an ihrer Rakete stehen. Zu sehen ist auch das kleine Triebwerk der zwölf Meter hohen Rakete, die schon in den Himmel über Australien geflogen ist.
Die Gründer kennen sich seit dem Studium in Stuttgart
Kennengelernt haben sich die vier Gründer des Start-ups an der Universität Stuttgart. Dort haben sie Luft- und Raumfahrttechnik studiert. „Schon während des Studiums war uns klar, dass wir sehr gut in der Lage sind, eine Raketenentwicklung in Deutschland auch kommerziell in einer eigenen Firma voranzutreiben“, sagt Mitgründer Schmierer bei einem Gang durch die Fabrikhalle. Für den Firmensitz Neuenstadt sprach die Nähe zum Testgelände des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Lampoldshausen. Dieses kannte der in der Gegend aufgewachsene heutige Vorsitzende der Geschäftsführung „schon als Kind“.
In Europa, so haben offenbar schon die damaligen Studenten erkannt, „gab es eine Marktlücke für kleine Raketen“. Und außerdem wollten sie etwas ganz besonders Innovatives machen. So kam die Studentengruppe unter Führung des Mitgründers Mario Kobald, der auch heute noch für die Technik zuständig ist, auf einen Antrieb aus Paraffin, also Kerzenwachs. Nach dem Studium arbeiteten die Raketenpioniere beim DLR in Lampoldshausen, aus dem sie 2028 ihr eigenes Unternehmen ausgründeten.
Paraffin ist ein sowohl sicherer als auch günstiger Antrieb
„Kerzenwachs kann nicht explodieren. Das macht unsere Rakete sicherer und verhindert auch Beschädigungen an der Startrampe,“ meint Schmierer zum Clou bei der Rakete des Neuenstädter Start-ups. Kerzenwachs hat nach seinen Worten noch einen weiteren Vorteil: Es ist relativ preiswert – beim Einkauf ebenso wie beim Einbau in die Rakete. Einer der wichtigsten Kostenfaktoren ist das Triebwerk. In Neuenstadt wird dieses wie ein Bausatz zusammengesetzt und dann mit Kohlefasermaterial umwickelt. „Es gibt keine metallverarbeitenden Produktionsschritte, die teuer sind“, erklärt der Firmenchef.
Der Festbrennstoff Paraffin wird als Granulat geliefert, in der Fabrikhalle geschmolzen, in eine Form gebracht, ähnlich wie beim Glockengießen, und dann direkt in das Triebwerk eingebaut. Im Firmennamen Hy Impulse steht Hy nicht nur für die Höhe, in die die Raketen fliegen sollen, sondern auch für Hybrid. Damit alles funktioniert ist neben dem Kerzenwachs auch flüssiger Sauerstoff nötig – und kleine Mengen an „Zusatzstoffen“, wie Schmierer sagt. Worum es sich handelt, ist ein Geheimnis, das nicht einmal alle Mitarbeiter kennen – ähnlich wie beim Rezept für Coca-Cola. Konkurrenten wie Isar Aeorospace in Ottobrunn oder die Rocket Factory in Augsburg nutzen flüssigen Treibstoff für ihre Raketen.
Finanzierungsrunde kurz vor dem Abschluss
In der Halle steht auch schon ein Teil für einen größeren Antrieb für eine Rakete. Diese soll 30 Meter lang werden und eine Höhe von 400 bis 500 Kilometern schaffen. Sie soll kleine Satelliten etwa für Wettervorhersagen, Klimaforschung und Verkehrsüberwachung in den Weltraum transportieren. Erste Tests des Antriebs gibt es schon in Schottland, vom kommenden Jahr an sollen diese dann in Lampoldshausen stattfinden.
Beschäftigt werden bei dem Raketen-Start-up 70 Mitarbeiter, davon 50 in Lampoldshausen, die übrigen in Glasgow oder Ottobrunn bei München. Finanziert wird das Unternehmen bisher von dem Investor Professor Rudolf Schwarz, dem Vorsitzenden der Industriebeteiligungsgesellschaft IABG in Ottobrunn. Weitere Investoren werden gesucht: „Wir sind gerade in den letzten Wochen einer Finanzierungsrunde“, sagt Schmierer. Diese soll 30 Millionen Euro in die Kassen spülen. Zudem gibt es von der Europäischen Raumfahrtagentur ESA Entwicklungsaufträge für die 30-Meter-Rakete. „Mit den damit verfügbaren 60 Millionen Euro können wir gut zwei Jahre weiterarbeiten“, meint der Raumfahrtexperte.
Suche nach einem größeren Standort
Dies dann wohl allerdings nicht mehr in Neuenstadt. Soll die große Rakete zusammengebaut werden, braucht Hy Impulse mehr Platz, auch die Beschäftigtenzahl soll sich in den nächsten anderthalb Jahren verdoppeln. In der Gegend zwischen Stuttgart und Heilbronn wird deshalb nach größeren Hallen gesucht. Bis in zehn Jahren wird ein Jahresumsatz von mehr als einer halben Milliarde Euro angestrebt. „Schwarze Zahlen erreichen wir schon in vier bis fünf Jahren“, meint Schmierer. Recht erfreut ist der Firmenchef über eine Neuigkeit aus Berlin: Das Forschungsministerium heißt nun „Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt“. „Die Politik hat offenbar erkannt, wie wichtig die Raumfahrt ist“, sagt Schmierer und fügt hinzu: „Die Lücke zu den USA und China muss kleiner werden.“
Luft- und Raumfahrt
Bund In der Luft- und Raumfahrtindustrie in Deutschland sind nach den jüngsten Angaben des Bundesverbands der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI) 115 000 Beschäftigte tätig. Davon arbeiten 81 000 in der Luftfahrt, 10 000 in der Raumfahrt und 24 000 im Verteidigungsbereich. Der Gesamtumsatz beträgt 46 Milliarden Euro. Der zivile Flugzeugbau trägt dazu 33 Milliarden bei, der militärische Bereich zehn Milliarden und die Raumfahrt drei. Milliarden. Die Exportquote liegt bei 67 Prozent, für Forschung und Entwicklung werden in der gesamten Branche. acht Prozent des Umsatzes ausgegeben.
LandLandIn Baden-Württemberg gibt es nach den Angaben des Wirtschaftsministeriums 200 Unternehmen, die in der Luft- und Raumfahrt tätig sind. Der Umsatz beträgt mehr als fünf Milliarden Euro. Die Luft- und Raumfahrt hat im Südwesten 16 000 Beschäftigte. Das Land sieht sich als stärksten Raumfahrtstandort in Deutschland. Hier würden 40 Prozent aller in der Raumfahrt tätigen Beschäftigten arbeiten, so das Ministerium, das wären also 4 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Zum Umsatz gibt es keine getrennten Zahlen für die unterschiedlichen Bereiche. Diese sind zudem eng miteinander verflochten. (ey)