Mit Kräuterkunde gegen Krankheiten

Der Spiegelberger Helmut Schiemer stellt aus Kräutern eigene Teesorten, Salze, Massageöl und Immunsystemstärker her

Helmut Schiemer hegt eine Leidenschaft für Kräuter. Kräuter anpflanzen, Kräuter sammeln und besonders Kräuter verarbeiten – zu Tee, Salzen, Ölen und Gewürzen. Seine Mischungen sind beliebt, auch im Krankheitsfall wenden sich immer mehr Menschen an ihn.

Für seine eigenen Tee- und Gewürzmischungen baut Helmut Schiemer aus Spiegelberg einige Kräuter selbst an. Die meisten jedoch sammelt er im Wald und auf Wiesen. Foto: A. Becher

© Pressefotografie Alexander Beche

Für seine eigenen Tee- und Gewürzmischungen baut Helmut Schiemer aus Spiegelberg einige Kräuter selbst an. Die meisten jedoch sammelt er im Wald und auf Wiesen. Foto: A. Becher

Von Kristin Doberer

SPIEGELBERG. Auf dem kleinen Tisch stapeln sich unzählige Einmachgläser, alle sind sie unterschiedlich groß und befüllt mit getrockneten Kräutern in den verschiedensten Grüntönen. Auf den Gläsern sind handbeschriebene Etiketten: Veilchenblüten, Fenchel, Wasserdost. „An dem läuft jeder nur vorbei, dabei ist er so gut für das Immunsystem“, erklärt Helmut Schiemer mit Blick auf den Wasserdost. Den 66-jährigen Spiegelberger könnte man wohl als eine männliche Kräuterhexe bezeichnen: Mehr als 30 verschiedene Kräuter- und Pflanzenarten hat er in seinen Gläsern gelagert. Aus ihnen produziert er Gewürze, individuelle Teemischungen, Massageöl und Immunsystemstärker, je nachdem was er und seine Kunden gerade benötigen.

Etwa 40 Menschen kaufen seine Teemischungen mittlerweile. Manche sind Stammkunden und kaufen regelmäßig ihren Lieblingstee, andere kommen mit Beschwerden oder im Krankheitsfall zu ihm. Für sie macht Schiemer dann eine ganz eigene Teemischung. Zum Beispiel mit Baldrian gegen Schlaflosigkeit und mit Anis gegen Husten.

Zum Sammeln fährt Schiemer dreimal jährlich extra nach Tirol

Beim Sammeln seiner Kräuter geht Schiemer sehr akribisch vor, die Kräuter müssen seinem Qualitätsanspruch entsprechen, das heißt, er sammelt sie in Wäldern und auf Wiesen, die frei sind von chemischer Belastung oder Verschmutzung durch Verkehr. Dreimal im Jahr fährt er dafür sogar extra nach Tirol auf eine Berghütte. Dort verbringt er ein bis zwei Wochen allein in Tälern voller Kräuter. „Da oben gibt es sonst auch nicht viel zu tun, außer Kräuter sammeln und natürlich Rezepte ausprobieren“, sagt er. Denn von seiner Berghütte bringt Schiemer nicht nur Eimer voller Kräuter, sondern auch neue Rezepte mit. Mal ist es ein Löwenzahnsalat mit besonderem Dressing, mal ein neues Bratkartoffelgewürz, das er auch gleich in sein Sortiment aufnimmt. Denn Tees sind lang nicht alles, was Schiemer aus seinen gesammelten Pflanzen herstellt. Öle, Salze, Gewürze und Immunsystemstärker gehören mittlerweile auch zu seinem Repertoire. Dass dieses immer weiter wächst, hat auch mit seiner eigenen Gesundheit zu tun. So hat er Massageöl hergestellt, um seine Rückenschmerzen zu behandeln, oder einen Immunsystemstärker, als eine Erkältung drohte.

Lange Zeit hat er allerdings ein völlig anderes Leben geführt, zunächst als Industriekaufmann, dann im Export bei Porsche, später bei Toyota. Die ganze Welt hat er in dieser Zeit bereist. Vor neun Jahren hat sich sein Leben dann radikal verändert: Er erlitt eine schwere Wirbelsäulenverletzung. Erst langsam musste er sich wieder an das Laufen herantasten, mit vielen Spaziergängen durch den Wald. „Dabei sind mir dann die vielen Kräuter überall aufgefallen und ich hab einfach angefangen, sie mitzunehmen“, sagt er über den Beginn seiner Sammelleidenschaft. Dann seien ihm wieder viele Erinnerungen aus der Jugend gekommen, in der er mit seinem Vater Tee angebaut und Pilze im Wald gesammelt hat. „Da ist das ganze Wissen über verschiedene Kräuter und ihre Wirkung von früher wieder hochgekommen.“ Aber auch aus dem Internet, alten Büchern und von der österreichischen Naturheilerin Maria Treben bezieht er viel Wissen und Inspirationen. „Vieles kommt aber mit der Erfahrung“, sagt Schiemer. „Oft werden die Stoffe in den Pflanzen ignoriert, obwohl sie große Wirkung haben können. Deswegen sollte man sich schon auskennen, denn manche Kräuter können die Wirkung von anderen Medikamenten beeinflussen. Da kann auch mal was schiefgehen“, warnt er. So könne Johanniskraut zum Beispiel die Wirkung der Pille aufheben.

Die Verarbeitung der Kräuter ist aufwendig und zeitintensiv

Das Hobby ist zeitintensiv: Im Gegensatz zu vielen anderen Teesorten kommen die Pflanzenstängel bei ihm nicht mit in den Tee, das bedeutet mühevolle und stundenlange Kleinstarbeit, wenn er und seine Frau jedes Blatt einzeln abpflücken. Anschließend werden sie an der Luft getrocknet, dabei mehrmals täglich gewendet und nach Qualität sortiert. Für Gewürzmischungen zum Beispiel kommt nur die beste Auswahl infrage. Danach mahlt Schiemer die getrockneten Kräuter klein und lagert sie für den Winter in luftdichten Gläsern.

Das große Geld verdient er mit seinen Eigenkreationen nicht, trotz des großen Arbeitsaufwands verlangt er nur ein paar Euro pro Teeglas: „Um Geld geht es mir auch gar nicht, ich will Leuten helfen, auch damit sie die Natur wieder mehr respektieren und sorgsamer mit ihr umgehen.“ Denn der Naturschutz steht auch über seiner Sammelleidenschaft. So lässt er seltene Kräuter und Pflanzen stehen, auch wenn sie sich gut in einer Teemischung machen würden. Und wenn er Blüten sammelt, nimmt er Rücksicht auf die Flugzeiten der Bienen. „Wir Menschen trampeln schon genug auf der Umwelt herum“, sagt er „Und wir merken gar nicht, was die Natur und Pflanzen für uns bewirken können.“

Kontakt über: helmut.schiemer@gmx.de

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Erstellt:
27. November 2019, 11:30 Uhr

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