Mühlenbesitzer Wolf verklagt die Stadt

Blick in das Archiv von Peter Wolf: Drei Backnanger Getreidemühlen im Besitz des Augustiner-Chorherrenstifts werden in einer Urkunde von 1245 genannt, darunter die Stiftsmühle an der Sulzbacher Brücke und die Burgermühle an der heutigen Talstraße.

Ansichtskarte mit der Wolf’schen Mühle an der Sulzbacher Brücke um 1900. Repros: P. Wolf

Ansichtskarte mit der Wolf’schen Mühle an der Sulzbacher Brücke um 1900. Repros: P. Wolf

Von Claudia Ackermann

BACKNANG. Beim Thema Mühlen denkt man im süddeutschen Raum gerne an das romantische Bild von der klappernden Mühle am rauschenden Bach in idyllischer Umgebung. Im Schwäbisch-Fränkischen Wald gibt es noch zahlreiche, denkmalgeschützte Exemplare mit mächtigen Mühlrädern zu bewundern. Aber auch in Städten waren Mühlen von großer Bedeutung, nicht nur für die Herstellung des Mehls fürs tägliche Brot.

In einer Urkunde von 1245 werden summarisch drei Backnanger Getreidemühlen genannt, die sich im Besitz des Augustiner-Chorherrenstifts befanden, informiert das Backnang-Lexikon. Es handelt sich dabei um die Stiftsmühle, auch Hintere Mühle genannt, und um die „Burgermühle“ beziehungsweise Vordere Mühle. Der Standort der dritten, die vermutlich wenig später aufgegeben wurde, ist nicht genau bekannt. Die Mühlen mahlten das Korn der Bauern und behielten einen Anteil des Getreides als Mahllohn. Der Antrieb der Mühlsteine erfolgte über Wasserräder.

Direkt an der Sulzbacher Brücke, außerhalb der Stadtmauer, befand sich die Stiftsmühle, die 1622 von der Stadt erworben wurde. In jenem Jahr gehörten zum Mühlanwesen: „das Haus, darin die Mühle ist, mit einem Scheuerle dahinter und ½ Morgen Rain zwischen Murr und Stadtmauer, hinten an des Stifts Burgrain und vornen an der Burger Waschhaus stoßend“, hat Helmut Bomm für sein Büchlein „Was Straßenschilder erzählen“ recherchiert.

Die Stiftsmühle wurde 1693 beim Stadtbrand schwer beschädigt.

Beim Stadtbrand 1693 wurde die Mühle schwer beschädigt. Schließlich riss man das Gebäude 1747 ab und baute es neu, heißt es im Stadtkataster. Die Stadt veräußerte die Mühle, die später nach der letzten Müllerfamilie als Wolf’sche Mühle bekannt war, um 1800 wegen Unrentabilität in private Hände. Eine Ansichtskarte, die um 1900 entstanden ist, zeigt die Wolf’sche Mühle, mit dem niedrigen Anbau für die Mühlräder und die Scheune direkt an der Murr mit der Aufschrift „Kunstmühle“. Dies war die Bezeichnung für Mühlen, die einen für die damalige Zeit besonders hohen technischen Standard aufwiesen. So waren etwa die alten Mahlgänge mit Mühlsteinen durch moderne Walzenstühle ersetzt worden. Der Zusatz „Kunst“ bezog sich also auf die Technik. Zwischen 1905 und 1918 verklagte Mühlenbesitzer Wolf die Stadt und die Lederindustrie wegen der Abwässer in der Murr, von denen er krank geworden sei, so Bomm. Im Jahr 1919 kaufte die Stadt die Wolf’sche Mühle zurück und richtete darin Wohnungen ein. Die Scheune wurde zusammen mit dem Mühlkanal 1931 beseitigt und das Mühlgebäude dann 1938 abgerissen. Beim Abbruch kamen hinter ihr gewaltige Teile der Stadtmauer zum Vorschein. Heute kann man zwischen Stadtmauer und Murr auf einem Fußweg spazieren. An die einstige Mühle erinnert nur noch das imposante Bleichwiesen-Wehr.

Lohmühle Winter in der Fabrikstraße in den 1970er-Jahren.

Lohmühle Winter in der Fabrikstraße in den 1970er-Jahren.

Die andere frühe Getreidemühle befand sich an der heutigen Talstraße 1. Im Stiftlagerbuch von 1393 wird diese Mühle „gen Aspach us“ verzeichnet, heißt es im Stadtkataster. Das Augustiner-Chorherrenstift verkaufte sie 1482 an die Stadt, daher der Name „Burgermühle“ informiert das Backnang-Lexikon. Für ihren Betrieb war der Bau eines 500 Meter langen Mühlkanals vom Wehr in der Murr in Höhe des Biegels bis zur Mühle an der Aspacher Brücke notwendig, vier Wasserräder trieben die Mahlgänge an.

Wegen Baufälligkeit wurde das Mühlgebäude 1743 durch einen Neubau ersetzt und 1799 von der Stadt in private Hände verkauft. Als alleinigen Antrieb erhielt die Getreidemühle 1908 eine Francis-Turbine. Ein Foto, das um 1910 aufgenommen wurde, zeigt das Mühlgebäude, das noch heute vorhanden ist. Ein modernisierter Mahlbetrieb entstand im 1927/28 errichteten Neubau an der Stelle der ehemaligen Scheune. Als letzte Getreidemühle in Backnang war die Stadtmühle beziehungsweise Layher’sche Mühle, wie sie nach ihrem letzten Betreiber genannt wurde, bis 1978 in Betrieb.

Die Layher’sche Mühle um 1910 in der Talstraße am Mühlkanal.

Die Layher’sche Mühle um 1910 in der Talstraße am Mühlkanal.

Nach der Stilllegung des Mahlbetriebs wurde 1984 im Anbau das Ungarndeutsche Heimatmuseum eröffnet. Auf eine umfassende Innen- und Außenrenovierung 1993, bei der das Fachwerk freigelegt wurde, folgte zwei Jahre später der Wiedereinbau einer Turbine zur Stromgewinnung. Bis heute ist der Mühlkanal hinter der Bácsalmás-Anlage ein wichtiges Zeugnis mittelalterlicher Technikgeschichte.

Eine weitere Mühle wird 1498 im Bereich der späteren Fabrikstraße erwähnt. Sie war in württembergischem Besitz und wurde von der Stadt Backnang betrieben. Im Dreißigjährigen Krieg lag hier, an einem von der Murr abgezweigten Mühlkanal, eine Ölmühle, beschreibt das Stadtkataster. Sie wurde während der Kriegswirren zerstört. Hans Michael Käferle ließ sie 1701 als Loh- und Ölmühle wiederaufbauen. Eine Lohmühle diente zur Zerkleinerung der für die Lohgerberei notwendigen Baumrinden als Gerbmittel. Das gesamte Anwesen bestand 1832/34 aus der in das Wohnhaus integrierten Mühle, der Wasserstube und der Lohmühle. Das um 1900 als Backsteinhaus errichtete Mühlengebäude diente bis 1961 diesem Zweck und ist heute noch vorhanden (Lohmühle Winter). Mühlkanal und Wehr wurden im Zuge der Murrbegradigung 1957 beseitigt. Der zugeschüttete Mühlkanal floss einst unter einem Teil des Hauses hindurch.

Die Zeit der Industrialisierung änderte die Verhältnisse. Jetzt waren Mühlen nicht mehr auf einen Antrieb durch Wasserkraft angewiesen. So gab es in der Weissacher Straße (heute Stuttgarter Straße 67) eine Ölmühle. Das Gebäude wurde 1903 gebaut, weiß Albert Dietz. Im Erdgeschoss befanden sich die Produktion und der Verkaufsraum. Nach hinten angebaut war die Dampfmaschine, die mit Kohle befeuert wurde. Mit der Abwärme wurde die Wohnung im Obergeschoss, als eine Art der frühen Zentralheizung, mitgewärmt.

In einer Werbung, die im Postkartenformat verschickt wurde, pries die Ölmühle G. Wöhrle an: „Feinste Speiseöle, Maschinen-, Lein- Fußboden- und Repsöle“. Bis 1963 wurde die Ölmühle betrieben. Heute dient das Gebäude dem Schwäbischen Albverein, Ortsgruppe Backnang, als Veranstaltungsort.

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Erstellt:
21. Januar 2021, 11:30 Uhr

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