Überbleibsel der Evolution

Müssen die Weisheitszähne wirklich raus?

Weisheitszähne sind ein Überbleibsel der Evolution – und bereiten oft Probleme. Doch wann ist eine Operation wirklich nötig? Und welche Risiken bestehen?

Muss es wirklich eine Weisheitszahn-OP sein?

© Umanoide

Muss es wirklich eine Weisheitszahn-OP sein?

Von Harald Czycholl

Weisheitszähne sind ein rätselhaftes Übel: Keiner will sie, doch die meisten Menschen haben sie. „Warum es sie gibt, weiß keiner so genau“, sagt Torsten Reichert, Professor für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie am Universitätsklinikum Regensburg. Und weil für sie außerdem nicht so richtig Platz im Mund ist, müssen sie häufig gezogen werden

Seit vielen hunderttausend Jahren haben die Menschen 32 Zähne – acht auf jeder Seite und Etage. Die Weisheitszähne sind die jeweils achten und stoßen zum Schluss durch, meist zwischen dem 17. und 20. Lebensjahr. Häufig fehlt im Kiefer jedoch der nötige Platz. Dadurch wachsen sie schief oder können den Kieferknochen nicht oder nur teilweise durchbrechen.

Platzprobleme im Kiefer

„Diese sogenannten Retentionen oder Teilretentionen können Entzündungen, Schmerzen und Schwellungen zur Folge haben“, erklärt Nicola Blidschun, Zahnexpertin der Ergo-Krankenversicherung. Die Platzprobleme im Kiefer sind eine Folge der Evolution: Kopf und Gehirn wurden im Laufe der Zeit größer, der Kauapparat dagegen kleiner.

Doch nicht jeder Weisheitszahn erfordert eine direkte Reaktion. Es gibt Menschen, die mit allen Weisheitszähnen munter kauen können. Klarheit bringt meist ein Röntgenbild. „Wächst der Zahn gerade und bleibt unauffällig, kann er oft problemlos im Mund bleiben“, erläutert Blidschun. Anders sieht es aus, wenn wiederkehrende Entzündungen am Zahnfleisch im hinteren Kieferbereich auftreten, oder Schmerzen bestehen. „In diesen Fällen ist ein operativer Eingriff für Betroffene ratsam“, so die Expertin.

Der Patient entscheidet

Letztlich entscheidet der Patient, ob der Zahn tatsächlich gezogen wird. Manche lehnen das ab. Wer unsicher ist, ob ein Eingriff nötig ist, sollte sich die Einschätzung eines Zahnarztes oder Kieferchirurgen einholen. Eine zweite Meinung kann helfen, Vor- und Nachteile abzuwägen – auch bezüglich potenzieller Spätfolgen. „Nicht jeder Weisheitszahn muss raus. Drohen aber Komplikationen, ist eine zügige Entscheidung sinnvoll“, so Blidschun.

Gerade bei jungen Menschen verläuft die Entfernung oft unkompliziert, da die Zahnwurzeln noch nicht vollständig ausgebildet sind. Zahn-Professor Reichert rät dazu, mit einer Entfernung nicht länger als bis zum 25. Lebensjahr zu warten. Denn dann ist der umgebende Knochen noch leicht zu entfernen. Später drohen Komplikationen.

Manche Patienten möchten auch gleich alle vier Weisheitszähne auf einmal gezogen bekommen – denn dann haben sie es hinter sich. „Der Arzt muss schauen, ob das sinnvoll ist“, sagt Reichert. „Und man hat ja eine gewisse Begrenzung beim Lokalanästhetikum.“ Verteilt man das Ziehen auf zwei Sitzungen, einmal rechts, einmal links, „hat der Patient den Vorteil, dass er postoperativ noch auf einer Seite kauen kann.“

Angenehm ist die OP nicht

Egal ob man die Zähne in einer oder zwei Sitzungen entfernt – angenehm ist der Eingriff naturgemäß nicht. Eine Weisheitszahn-OP dauert unter lokaler Betäubung pro Zahn 10 bis 15 Minuten, bei sehr anspruchsvollen Zähnen kann sie sich auch bis zu 30 Minuten hinziehen. Neben typischen Beschwerden wie Schwellungen oder Schmerzen treten manchmal auch Wundheilungsstörungen, Infektionen oder Nervenreizungen auf.

Wer sich für eine OP entscheidet, sollte den Heilungsverlauf deswegen aktiv unterstützen. „Erholung, weiche Kost und regelmäßiges Kühlen helfen, die Beschwerden zu lindern. Wichtig ist es außerdem, körperliche Anstrengung, Alkohol und Nikotin zu vermeiden“, rät Ergo-Expertin Blidschun.

Darüber hinaus steht in den Tagen nach der Operation Hygiene an erster Stelle. „Die Wunde bleibt besser unberührt, da direktes Putzen den Heilungsprozess stört. Auch regelmäßige Nachkontrollen helfen, Komplikationen früh zu erkennen.“ Wenn alles nach Plan läuft, ist die Wunde nach etwa zwei Wochen gut verheilt.

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Erstellt:
10. Oktober 2025, 17:44 Uhr

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