Wie die Volksbank Backnang den digitalen Wandel meistern will

Bei der Impulsveranstaltung der Volksbank Backnang zum Thema „Innovation und Digitalisierung im Mittelstand“ teilen Experten, die den digitalen Wandel erfolgreich begleiten und meistern, ihre Erfahrungen mit Vertretern von Handel und Gewerbe der Region.

Jürgen Beerkircher, Pascal Barreuther, Heiko Onnen und Armin Renz (von links) geben Impulse für Innovationen in mittelständischen Unternehmen. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Jürgen Beerkircher, Pascal Barreuther, Heiko Onnen und Armin Renz (von links) geben Impulse für Innovationen in mittelständischen Unternehmen. Foto: Alexander Becher

Von Andreas Ziegele

Backnang. Der Mittelstand ist das Rückgrat der deutschen Wirtschaft und spielt eine entscheidende Rolle bei der Schaffung von Arbeitsplätzen und der Förderung des wirtschaftlichen Wachstums. Angesichts der rasanten Entwicklung von Technologie und digitalen Lösungen müssen sich mittelständische Unternehmen neuen Herausforderungen stellen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Darauf verweist gleich zu Beginn der Vorstandsvorsitzende der Volksbank Jürgen Beerkircher in seiner Begrüßung bei der Impulsveranstaltung zum Thema „Innovation und Digitalisierung im Mittelstand“. „Auch die Volksbank Backnang stellt sich den Herausforderungen der Digitalisierung“, sagt er und nennt als ein Beispiel den Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) bei der Kreditvergabe.

Pascal Barreuther beschäftigt sich in seinem Vortrag dann mit dem Thema „Business Model Innovation“. Dabei geht es um das aktive Verändern traditioneller Geschäftsmodelle, die sowohl den Kunden als auch den Unternehmen selbst einen Mehrwert bringen. Der Strategie-, Innovations- und Transformationsberater hebt dann auch gleich den warnenden Zeigefinger in Richtung des Gastgebers. „Werden wir in Zukunft noch Banken brauchen?“, lautet seine provozierende Frage. Seine Antwort: „Ohne tiefgreifende Veränderungen wird es keine Banken mehr geben.“

Die Welt verändert sich immer schneller

Wie schnell sich die Geschäftswelt derzeit verändert, zeigt er am Beispiel von Netflix, dem TV-Streamingdienst, und ChatGPT, dem Chatbot, welcher mittels künstlicher Intelligenz Text generiert und derzeit in aller Munde ist. Während Netflix dreieinhalb Jahre brauchte, um eine Million Nutzer zu gewinnen, sind es bei ChatGPT fünf Tage. „Die Welt wird sich nie wieder so langsam verändern wie in den letzten zehn Jahren“, so die These von Barreuther. Dass diese Veränderungen alle betrifft, ist für ihn ebenfalls sicher. „Digitalisierung geht mich nichts an.“ Diesen Satz hört er oft und findet ihn gefährlich. „68 Prozent der Handwerksbetriebe nutzen heute schon digitale Hilfsmittel wie Drohnen oder das Tracking von Betriebsmitteln.“ Das zeigt, dass die digitale Veränderung nicht beim Mittelstand haltmacht.

Für einen erfolgreichen Weg zu einem innovativen Geschäftsmodell sind für den Berater drei Dinge entscheidend: die Kundenfokussierung, eine schnelle Marktvalidierung der Produkte und Dienstleistungen sowie die Förderung einer agilen und digitalen Unternehmenskultur. „Verabschieden Sie sich von dem in Deutschland immer noch weit verbreiteten Perfektionismus“, so sein Appell an die Zuhörer.

Ständige Investitionen in Digitalisierung und neue Geschäftsfelder

Dass sich auch klassische Unternehmen wandeln müssen und dies auch machen, zeigt dann Armin Renz in seinem Vortrag. Der geschäftsführende Gesellschafter der Erwin Renz Metallwaren GmbH&Co. KG aus Kirchberg an der Murr nennt zwei Beispiele: die Internationalisierung und die Digitalisierung, verbunden mit einem Ausbau der Serviceleistungen. Der Briefkastenhersteller ist an neun europäischen Standorten aktiv. Zudem hat das Unternehmen bereits im Jahr 2011 in ein schwedisches Start-up investiert. Das digitale Produkt aus dem Hause Renz ist die sogenannte Renzbox, eine digitale Briefkastenanlage. „Im Jahr 2016 haben wir die Firma Renz Services gegründet“, sagt der Firmenchef, um auch im Umfeld der Produkte Dienstleistungen anbieten zu können. Armin Renz macht aber auch deutlich, dass es ein langer Weg war, der Atem und Kapital gekostet hat. „Wir hätten die komplette Kontrolle über das Start-up in Schweden früher übernehmen müssen“, gibt er sich selbstkritisch. In die Zukunft blickt er optimistisch: „Ich glaube, dass man auch in 25 Jahren an einem Neubau einen Briefkasten anbringt.“ Die Firma wird dazu auch in Zukunft in die Digitalisierung und neue Geschäftsfelder investieren.

Wie schwierig es ist, wenn ein großes Traditionsunternehmen wie die Würth-Gruppe aus Künzelsau ein Start-up gründet, das erläutert Heiko Onnen in seinem Vortrag. Onnen ist Geschäftsführer der Wucato Marketplace GmbH in Stuttgart. Auf diesem digitalen Marktplatz finden Unternehmen schnell und einfach Betriebsmittel aller Art, auch solche, die über das normale Produktspektrum von Würth hinausgehen.

Der Wettbewerb ändert sich durch Unternehmen wie Amazon Business

„Wozu brauchte Würth ein Start-up wie dieses, das im Jahr 2015 gegründet wurde?“, fragte sich laut Onnen so mancher zur damaligen Zeit. Drei Gründe sind es, die das Unternehmen dazu veranlasst haben. Zunächst ist es das Potenzial des Marktes. „Der weltweite B2B-Onlinehandel hatte im Jahr 2018 ein Volumen von 107 Milliarden Euro. Im Jahr 2021 waren es bereits 209 Milliarden, 54 Milliarden davon entfallen auf digitale Marktplätze“, so Onnen. Ein weiterer Grund war die veränderte Einkäufergeneration. 80 Prozent der Beschaffer von Unternehmen informieren sich online und kaufen auch online ein. Ebenfalls 80 Prozent dieser Einkäufer begrüßen eine Verlagerung in digitale und automatisierte Prozesse. Und letztlich verändert sich auch der gesamte Wettbewerb mit Unternehmen wie Amazon Business, Mercateo, Conrad Business Services und weiteren Firmen, die alle bereits Produkte auf digitalen Marktplätzen anbieten.

Der Wucato-Geschäftsführer verheimlicht nicht, dass es ein steiniger Weg war, bis sich das Unternehmen innerhalb der Würth-Gruppe etabliert hatte. „Wir sind im Jahr 2015 mit vier Leuten wie ein klassisches Start-up gestartet“, sagt Heiko Onnen. Im Jahr 2019 wurde dann klar, dass das junge Unternehmen ein Identitätsproblem hat. „Wir hatten keine Strategie, kein eigenes Branding und keinen eigenen Vertrieb“, blickt er zurück. Nach intensiven Gesprächen mit der Unternehmensleitung, in die selbst Reinhold Würth involviert war, wurde unter anderem beschlossen, einen eigenen Vertrieb aufzubauen und gleichzeitig das Marketingbudget um ein 15-faches zu erhöhen.

„Heute beschäftigten wir 36 Mitarbeiter, dahinter aber viele weitere aus der Würth-IT“, sagt der Geschäftsführer nicht ohne Stolz. Und wie groß die Plattform mittlerweile ist, belegen weitere Zahlen. „Wir haben 20 Millionen Artikel, 110 Lieferanten und 4.500 Marken in 19 Kategorien“, beschreibt Onnen zu Ende seines Vortrags die Dimension dieses Marktplatzes. Wer also heute Schrauben und Muttern von Würth kauft, kann gleich noch Kopierpapier, Arbeitskleidung oder einen Kühlschrank für das Büro zusätzlich bestellen.

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Erstellt:
15. Juni 2023, 06:00 Uhr

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