Nachruf: Hugendubel mit 107 gestorben

Nachruf: Hugendubel mit 107 gestorben

Annelies Hugendubel mit dem Schild, das sie in den 1940ern erfunden hat.

© Hugendubel

Annelies Hugendubel mit dem Schild, das sie in den 1940ern erfunden hat.

Von Uwe Bogen

Stuttgart - Als Annelies Hugendubel im Jahr 1942 hörte, dass sich in der Fundsachenstelle der Stuttgarter Straßenbahnen massenhaft Schirme des Familienunternehmens anhäuften, fiel ihr ein Werbespruch ein, der Stadtgeschichte geschrieben hat: „Vergiss nicht deinen Hugendubel“.

Das Schild war zugleich Werbung für die SSB mit ihrem freundlichen Personal. So nett waren Stuttgarts Schaffner, als es noch welche gab. Am Montag ist die Erfinderin des Spruchs im Alter von 107 Jahren nach einem ereignisreichen und mit viel Glück gesegneten Leben in der Filderklinik gestorben. „Als sie starb, regnete es“, berichtet ihre Tochter Regine Hugendubel – passend für die Branche, für die ihre Familie stand.

1999 musste die Regenschirm-Firma aufgeben

Einst konnte man in Stuttgart noch mit Regen Geld verdienen. Die 1833 im Dienste des Königs gegründete Firma Hugendubel ist zur drittgrößten Schirmfabrik in Deutschland mit 100 Mitarbeitern auf vier Etagen an der Hirschstraße aufgestiegen. Über fünf Jahrzehnte lang fuhr das Schild mit dem netten Schaffner, der sich aus einem gelben Siebener mit einem roten Schirm weit hinauslehnt, in allen Straßenbahnen mit. 1999 musste die Firma im Konkurrenzkampf gegen asiatische Billigschirme aufgeben. Damit verschwand das Schild aus den Bahnen, ist aber dennoch unvergessen.

Der Name Hugendubel hat in Stuttgart noch immer einen guten Klang – nicht zuletzt dank der Münchner Buchkette Hugendubel. Deren Gründer Heinrich Karl Gustav Hugendubel ist ein Stuttgarter und war mit den Regenschirm-Hugendubels verwandt. Zu ihrem 105. Geburtstag ist Annelies Hugendubel gefragt worden, wie man denn so alt werden könnte. Ihre Antwort: „Kein Nikotin, wenig Alkohol, fettarm, sparsam.“ Dazu habe sie über eine positive Lebenseinstellung, Herzlichkeit und viel Humor verfügt, sagt die Tochter Regine Hugendubel. Der Witz der Mutter sei einzigartig gewesen. Als sie mit 105 neue Zähne bekam, habe sie der verblüfften Familie mitgeteilt: „Mit denen kann ich jetzt ins Gras beißen!“️

Regine Hugendubel ist als „Knirps“ geboren, wie sie sagt. Ihr 1969 verstorbener Vater Horst Hugendubel, der Schirmfabrikant, war ein Visionär seiner Zeit. Seine Frau Annelies, die später im Unternehmen mitgearbeitet hat, lernte er 1941 im Café Königsbau kennen. Bekannt war das Paar für seine originellen Werbekampagnen und für seine Tierliebe. „Seit den 1950ern hatten wir Bulldoggen daheim“, erzählt die Tochter, „sie bekamen immer Hundenamen, die vom Familiennamen abgewandelt waren: Hugi, Hugiline oder Dubi.“ Eine Bulldoge – wen überrascht es? – schmückt das Firmenlogo. Im Maul hält der Hund einen Stockschirm.

Dankesbrief der Mutter aus dem Jahr 1987 entdeckt

Manchmal nahmen ihren Eltern die Bulldogge samt Affe Fips und Papagei Lora – auch die gehörten zur Familie – in den Schirmladen mit. „Die haben die Kunden unterhalten“, erinnert sie sich. Bekannt waren auch die Lieferwagen mit der Bulldogge auf dem Dach. Davon gab es eine Flotte, denn die Stuttgarter belieferten einst den Schirmfachhandel in Deutschland.

Annelies Hugendubel, Mutter von drei Kindern und Großmutter eines Enkels, lebte bis vor zwei Jahren bei ihrer Tochter. Dann zog sie in ein Pflegeheim, in dem sie sich wohlgefühlt habe. Im August wäre sie 108 Jahre alt geworden. Sie gehörte zu einer Generation, die kaum klagte, sondern immer das Positive sah. Als sie in den letzten Tage in der Filderklinik ohne Bewusstsein lag, war immer ein Familienmitglied da. In den Unterlagen mit dem Testament fand die Familie nach dem Tod einen Abschiedsbrief, den die Mutter bereits 1987 geschrieben hatte – es war ein Dankesbrief an die Kinder für das schöne Leben mit ihnen.

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Erstellt:
3. Juni 2025, 22:04 Uhr
Aktualisiert:
4. Juni 2025, 21:56 Uhr

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