Invasive Art im Südwesten

Wie gefährlich ist die Asiatische Hornisse wirklich?

Die Verwandte der heimischen Hornissen gilt jetzt in Deutschland als endgültig etabliert. Ihr Stich soll schmerzhaft sein, sie soll Bienenvölker ausräubern, und sie soll die hiesige Artenvielfalt bedrohen – das sind die Fakten.

Die Asiatische Hornisse (links) und ihre europäische Verwandte unterscheiden sich im Aussehen recht deutlich.

© dpa/imago stock & people

Die Asiatische Hornisse (links) und ihre europäische Verwandte unterscheiden sich im Aussehen recht deutlich.

Von Thomas Faltin

In diesen Tagen schlüpfen in den Nestern, die die jungen Königinnen der Asiatischen Hornissen gebaut haben, die ersten Arbeiterinnen – auch in der Region Stuttgart. Zwar hat diese invasive Art, die rund zwei Zentimeter lang wird und nicht identisch ist mit der in Europa nicht vorkommenden Riesenhornisse, ihren Verbreitungsschwerpunkt innerhalb Baden-Württembergs weiter rund um Mannheim und Karlsruhe. Aber auch in der Region Stuttgart sind im vergangenen Jahr rund 30 Nester gefunden worden, landesweit waren es 1469. Dieses Jahr sind es laut den Zahlen der Landesanstalt für Umwelt bisher drei Nester bei Schwieberdingen, Scharnhausen und Neckartenzlingen.

Über die Asiatische Hornisse kursieren weiter sehr unterschiedliche Geschichten – wie gefährlich ist sie wirklich? Ein Blick etwa in die neueste Ausgabe der „Bienenpflege“, der Mitgliederzeitung des Landesverbandes Württembergischer Imker, zeigt die Spannbreite der Meinungen: In einem Artikel ist von „einem massiven Eingriff in die heimische Insektenfauna“ die Rede, in einem zweiten Beitrag spricht der Autor von „Schauermärchen“ und „hysterischer Verarbeitung“. Was gilt nun? Die Wahrheit ist: Ganz Genaues weiß man nicht.

Eigentlich stellt die Hornisse keine Gefahr für den Menschen dar

Die größte Bedeutung für den Menschen hat zunächst, ob die Stiche der Asiatischen Hornisse ernsthafte Folgen haben können. Martin Klatt vom Nabu Baden-Württemberg betont, dass weder die heimische Europäische Hornisse noch die Asiatische Hornisse eine Gefahr für den Menschen darstelle. Das Gift dieser Hornissen sei vergleichbar mit dem von Bienen und Wespen. Auch Claudia Hailfinger, die Sprecherin des zuständigen Umweltministeriums sieht das so: „Die Asiatische Hornisse ist sogar weniger aggressiv gegenüber Menschen als etwa Wespen.“ Nur in Nestnähe ist sie auf Attacke getrimmt. Der BUND ergänzt, dass der größere und längere Stachel einer Hornisse den Stich aber schmerzhafter erscheinen lassen könne. Zu Lebensgefahr würden bei der Europäischen Hornisse erst 500 bis 1000 Stiche auf einmal führen.

Frank Neumann, der beim Staatlichen Untersuchungsamt in Aulendorf die Bienengesundheit im Land überwacht, berichtet allerdings von allergischen Reaktionen bei rund zehn professionellen Helfern, die im vergangenen Jahr Nester der Asiatischen Hornisse beseitigt haben. Diese Helfer seien sonst nicht allergisch gegen Bienenstiche gewesen. Vermutlich haben sie aber mehrere Stiche abbekommen.

Auch Patrick Schooler, der als Hobbyimker im Zabergäu für den Württembergischen Imkerverband die Asiatische Hornisse beobachtet, kann Ähnliches berichten. Seine Frau sei am Fuß gestochen worden; vier Tage lang sei das Bein bis über das Knie geschwollen gewesen: „Das war kein Spaß.“ Carolin Rein, die am Institut für Bienenkunde an der Universität Hohenheim mit der Kontrolle und Bekämpfung der Asiatischen Hornisse beauftragt ist, sagte in einem Vortrag, dass 75 Prozent aller allergischen Reaktionen, die in einer Klinik behandelt werden mussten, von der Asiatischen Hornisse ausgehen würden. Ein Problem ist, dass diese Art Nester manchmal auch in Hecken oder Sträuchern im Garten anlegt – beim Schneiden kann es dann zu ungewollten schmerzhaften Begegnungen kommen.

Und stimmt es nun, dass die Asiatische Hornisse so viele Honigbienen wegfrisst, dass tatsächlich Völker zusammenbrechen? Korrekt ist, dass in einem Nest der Asiatischen Hornisse bis zu 2000 Tiere leben können, während es bei heimischen Arten etwa 700 sind. Gerade im Herbst, wenn viel Brut da ist, die mit Protein versorgt werden muss, haben asiatische Hornissen also einen hohen Futterbedarf. Sie fangen Käfer, Raupen, Fliegen – oder Honigbienen. Zudem zieht ein Volk im Herbst bis zu 350 Jungköniginnen heran, während es bei den europäischen Hornissen nur ein Zehntel ist – die Ausbreitung geht also schnell und die Zahl der Individuen ist hoch. Leben Bienen in der Nähe eines Nestes, können diese zur leichten Beute werden.

Doch konkret gebe es weiter keine sicheren Nachweise, dass Bienenvölker wegen der Asiatischen Hornisse zugrunde gegangen seien, betont Frank Neumann. Bei Hinweisen schwärmt er selbst aus, um die Völker zu begutachten. Alle Verdachtsfälle hätten sich aber bisher nicht bestätigt, zumindest spielten meist auch andere Faktoren wie Krankheiten eine Rolle. Dies betont auch das Landwirtschaftsministerium: „Bisher konnten Schäden an Bienenvölkern nicht direkt und alleinig auf die Präsenz der Asiatischen Hornisse zurückgeführt werden“, so Sprecher Jonas Esterl.

Trotzdem sehen die Imker und auch die Landesanstalt für Bienenkunde die Asiatische Hornisse als potenzielle Bedrohung an. Laut Carolin Rein würden die Honigbienen auch nicht mehr ausfliegen, wenn manchmal Dutzende von Hornissen vor dem Flugloch lauerten. Dann drohten Futtermangel und Tod.

Patrick Schooler sieht vor allem die Jungvölker in Gefahr, da sich diese wegen der deutlich geringeren Volksstärke schlechter verteidigen könnten. Er habe selbst erlebt, wie bei einem Bekannten 17 von 19 Jungvölker innerhalb weniger Wochen zusammengebrochen seien. Sein Rat an die Imker: nur sehr starke Jungvölker mit drei oder mehr Brutwaben bilden und im Herbst Absperrgitter mit weniger als 5,5 Millimeter Maschenweite am Flugloch anbringen – dann könnten die Hornissen zumindest nicht in den Stock eindringen.

Ein Problem könnte die Asiatische Hornisse auch für die Landwirtschaft werden. Denn die erwachsenen Tiere ernähren sich ausschließlich von Nektar, Obst, Weintrauben und Baumsäften. Es gibt offenbar Meldungen aus Spanien, Portugal und Frankreich, dass dort die Ernteeinbußen bis zu zwölf Prozent betragen hätten. Im Südwesten sind bisher laut Landwirtschaftsministerium keine Schäden bekannt. „Insgesamt nehmen wir die Situation aber sehr ernst“, betont Minister Peter Hauk (CDU).

Bisher keine negativen Einflüsse auf Biodiversität bekannt

Was die Ausbreitung der Asiatischen Hornisse für einheimische Insektenarten bedeutet, ist ebenfalls noch nicht wirklich erforscht. Die Nabu-Insektenexpertin Laura Breitkreuz befürchtet aber Schlimmes: „Die Asiatische Hornisse ist ein Paradebeispiel dafür, wie eingeschleppte Arten heimische Ökosysteme gefährden können. Weil die Völker der Asiatischen Hornisse besonders groß sind, kann sie lokal Bestände massiv dezimieren.“ Die Tiere eines Nestes würden pro Jahr rund elf Kilo an Insektenmasse vertilgen – das entspricht mehr als 100 000 Honigbienen, also rund drei Völkern.

Claudia Hailfinger vom Umweltministerium sieht die Lage nicht ganz so kritisch: Der Naturschutzverwaltung lägen bisher keine Erkenntnisse vor, dass ein Schaden an der Biodiversität durch die Asiatische Hornisse drohe. Im Gegenteil hätten sich im vergangenen Jahr 94 Prozent der nachgewiesenen Nester in Baden-Württemberg in Orts- und Ortsrandlagen befunden: „Es ist deshalb derzeit nicht davon auszugehen, dass heimische wildlebende Arten, insbesondere geschützte, gefährdete oder seltene, durch die Präsenz der Asiatischen Hornisse erheblich beeinträchtigt werden.“ Ob die Asiatische Hornisse umgekehrt auch Vorteile bringt, etwa bei der Bestäubung von Pflanzen, ist nicht bekannt.

Das Land hat mittlerweile der Landesanstalt für Bienenkunde die Koordination für die Kontrolle und Bekämpfung der Asiatischen Hornisse übergeben. Da die Art jetzt als etabliert gilt, werden Nester nur noch dort entfernt, wo der lokale Druck besonders hoch ist. Das Institut bearbeitet alle Meldungen und beauftragt auch die Entfernungen. Daneben testet die Einrichtung derzeit Fallen im Freiland. Wer eine Asiatische Hornisse oder ein Nest sichtet, sollte eine Meldung bei der Landesanstalt für Umwelt abgeben.

Die deutlich gefährlichere Riesenhornisse mit einer Körperlänge von mehr als fünf Zentimetern kommt in Europa nicht vor. Dagegen wurde im Herbst 2024 erstmals auch eine Orientalische Hornisse in Mannheim entdeckt. Ob sie auch negative Auswirkungen auf die heimische Fauna habe, müsse sich erst noch zeigen, so Nabu-Experte Martin Klatt.

Wie erkennt man eine Asiatische Hornisse?

MerkmaleDie Asiatische Hornisse hat rotbraunen Beinchen und ein ganz schwarzes Brustsegment (auf lateinisch heißt diese Art Vespa velutina nigrathorax); nur das äußerste Ende des Hinterleibs ist gelb und orange. Die Europäische Hornisse ist etwas größer und hat einen rotbraunen Brust- und einen vorwiegend gelben Hinterleib mit schmalen schwarzen Binden und Punkten.

LebensweiseDie Asiatische Hornisse baut im Laufe eines Sommers oft drei Nester an verschiedenen Standorten, viele hängen hoch in Bäumen. Während bei den Honigbienen das ganze Volk überwintert, sterben bei der Asiatischen Hornisse alle Arbeiterinnen und auch die Königin im Spätherbst oder Winter ab. Nur die jungen Königinnen überwintern und fangen im Frühjahr allein mit dem Bau eines Nestes an. fal

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Erstellt:
28. April 2025, 11:34 Uhr
Aktualisiert:
28. April 2025, 15:37 Uhr

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