Noch einige Hürden bis zum Baustart

Nach der Präsentation des Siegerentwurfs im vergangenen Frühjahr ist es ruhig geworden um das Quartier Backnang-West. Hinter den Kulissen wird aber weiter mit Hochdruck an dem IBA-Projekt gearbeitet, denn der Zeitplan ist ehrgeizig.

Die Mauern der alten Industriehallen dienen auch dem Hochwasserschutz. Sie dürfen deshalb nicht einfach abgerissen werden. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Die Mauern der alten Industriehallen dienen auch dem Hochwasserschutz. Sie dürfen deshalb nicht einfach abgerissen werden. Foto: A. Becher

Von Kornelius Fritz

Backnang. Internationale Bauausstellung (IBA) 2027 – das klingt nach ferner Zukunft, tatsächlich ist jedoch höchste Eile geboten, wenn in fünf Jahren einem Fachpublikum im Backnanger Westen ein neues Stadtquartier oder zumindest Teile davon präsentiert werden sollen. Der Rahmen für die künftige Bebauung ist gesetzt: Nach einem städtebaulichen Wettbewerb mit mehr als 100 Teilnehmern aus aller Welt hatte ein Preisgericht im vergangenen April den städtebaulichen Entwurf der Büros Teleinternetcafe (Berlin) und Treibhaus (Hamburg) zum Sieger gekürt. Bis zwischen Friedrichstraße und Murrtalviadukt die Bagger anrollen werden, ist es aber noch ein weiter Weg. Zahlreiche Detailfragen müssen zuvor geklärt werden.

Ein Knackpunkt sei der Hochwasserschutz, erklärt Tobias Großmann, der das Backnanger Stadtplanungsamt leitet. Denn die alten Fabrikhallen und Mauern am Murrufer mögen zwar nicht schön aussehen, sie wirken aber als Barrieren, wenn der Fluss über die Ufer tritt. Bei einer Neubebauung dürfen sie deshalb nur abgerissen werden, wenn sich der Hochwasserschutz dadurch nicht verschlechtert. Großmann ist überzeugt, dass das möglich ist: Statt mit Mauern lasse sich der Fluss auch durch erhöhte Uferwege im Zaum halten. Das Regierungspräsidium als zuständige Aufsichtsbehörde unterstütze diese Pläne.

Allerdings muss die Stadt deren Wirksamkeit nachweisen. Mit einem speziellen Laserscanner wird deshalb ein digitales Modell des Geländes erstellt, mit dem man Hochwasserszenarien simulieren und die Wirkung der Schutzmaßnahmen überprüfen kann. „Wir arbeiten mit Hochdruck an diesem Thema“, erklärt Großmann.

Einige Ideen aus dem Siegerentwurf sollen die Planer auch noch einmal überarbeiten, zum Beispiel das Hochhausthema: „Es wird keine drei Hochpunkte auf dem IBA-Gelände geben“, stellt Tobias Großmann klar. Vor allem im hinteren Bereich an der Fabrikstraße würde ein 50 Meter hohes Gebäude aus Sicht der Verwaltung nicht ins Stadtbild passen.

Tesat plant Erweiterung im neuen Quartier

Parallel dazu führt die Stadt Gespräche mit den privaten Grundstückseigentümern: Neben den Firmen Riva und Tesat sind dies die Nachfahren der Lederfabrikanten Räuchle und Kaess. Baudezernent Stefan Setzer lobt das Klima der Gespräche: „Alle ziehen am selben Strang, und zwar in dieselbe Richtung.“ Allerdings haben die Eigentümer natürlich auch ihre eigenen Vorstellungen und Wünsche. So würde sich Tesat zum Beispiel gerne eine Fläche für eine künftige Standorterweiterung sichern. „Wir sind gerade auf klarem Wachstumskurs“, sagt Geschäftsführer Ralf Zimmermann. In fünf bis zehn Jahren könnte es an der Gerberstraße deshalb eng werden. Ein Neubau auf dem IBA-Gelände würde sich anbieten und Tesat besitzt dort auch Flächen – allerdings in einem Bereich, wo laut Rahmenplan der neue Uferpark entstehen soll. Die Lösung könnte ein Ringtausch von Flächen zwischen Tesat, Riva und der Stadt sein. Doch darüber muss erst noch verhandelt werden.

Es sind also noch einige Hausaufgaben zu erledigen, bevor das Quartier Backnang-West Realität werden kann. Wobei heute schon klar ist, dass 2027 bestenfalls ein Teil des insgesamt 17 Hektar großen Areals bebaut sein wird. Man werde das Gebiet in mehrere Baufelder aufteilen, für die dann jeweils noch einmal ein eigener Architektenwettbewerb ausgeschrieben wird, erklärt Stefan Setzer. Wo am Ende zuerst gebaut wird, hängt dann auch maßgeblich von den Grundstückseigentümern und ihren finanziellen Möglichkeiten ab. Die Stadt will jedenfalls mit gutem Beispiel vorangehen und mit dem Bau der sogenannten Parkaue so schnell wie möglich beginnen.

Dass das Jahr 2027 wie ein Damoklesschwert über allem schwebt, sieht Stefan Setzer nicht als Nachteil: „Das motiviert und zwingt zu stringentem Handeln.“ IBA-Sprecher Tobias Schiller sieht es ähnlich: „Ein solches Datum ist sehr hilfreich, um die Kräfte zu bündeln.“ Der Stand der Planung in Backnang sei mit dem anderer IBA-Projekte vergleichbar. „Wir sind zuversichtlich, dass in fünf Jahren in Backnang zumindest einzelne Bausteine des künftigen Quartiers präsentiert werden.“

Wobei der erste Meilenstein schon nächstes Jahr erreicht werden soll: 2023 steht nämlich das erste von zwei IBA-Festivals an. Auch da wolle Backnang dabei sein und „die Transformation sichtbar machen“, kündigt Tobias Großmann an. Allerdings wird sich die Präsentation dann wohl noch auf Visualisierungen und temporäre Installationen beschränken, denn neue Gebäude werden bis dahin noch keine stehen.

Weitere IBA-Projekte im Rems-Murr-Kreis

Bislang hat der Aufsichtsrat der IBA-Gesellschaft 13 sogenannte IBA-Projekte in der Region Stuttgart benannt, vier davon befinden sich im Rems-Murr-Kreis. Neben dem Quartier Backnang-West sind dies:

Produktives Stadtquartier Winnenden: Die Stadt plant auf einer Fläche von 5,5 Hektar ein dichtes, gemischt genutztes Quartier. Das „Produktive Stadtquartier Winnenden“ liegt im Südwesten der Stadt, wo Obstanbau und Landwirtschaft mit Gewerbe zusammentreffen. Hier soll ein neues Viertel entstehen, das wenig Fläche verbraucht und gleichzeitig mehr Wohnraum und Gewerbeflächen erschließt, die sich gut in die Umgebung einpassen.

Hangweide, Kernen im Remstal: Das acht Hektar große Areal bot über viele Jahre Menschen mit Behinderung Wohnraum. Nach dem Wegzug der Diakonie Stetten und dem Verkauf des Geländes plant die Gemeinde hier ein „urbanes Dorf“, das die Vorzüge von Dorf und Stadt vereint. Das Quartier ist barrierefrei geplant und sieht Wohnraum für Menschen mit Behinderungen sowie Geflüchtete vor. Der öffentliche Raum dient als Begegnungsort.

„Agriculture meets manufacturing“, Fellbach: Das Projektgebiet umfasst 110 Hektar zwischen Stuttgart und der Fellbacher Innenstadt. Auf der einen Seite der Stuttgarter Straße liegen intensiv genutzte Landwirtschaftsflächen, auf der anderen befindet sich das größte Gewerbegebiet der Stadt. Bei den Planungen geht es unter anderem um Möglichkeiten einer Durchmischung und Nachverdichtung des Gewerbegebiets und Optionen zur Stärkung der urbanen Landwirtschaft.

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Erstellt:
12. Januar 2022, 06:00 Uhr

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