OECD warnt wegen Covid-19-Epidemie vor drohender Rezession

dpa Paris. Aus Paris kommt ein ungewöhnlich deutlicher Warnruf: Staaten müssten handeln, um die Folgen der vom neuartigen Coronavirus ausgelösten Epidemie zu lindern. Können es die Notenbanken richten?

Ein Containerschiff der China Ocean Shipping Company (COSCO) am Containerterminal Tollerort der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA). Die OECD hat ihren neuen Konjunkturbericht vorgelegt. Foto: Christian Charisius/dpa

Ein Containerschiff der China Ocean Shipping Company (COSCO) am Containerterminal Tollerort der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA). Die OECD hat ihren neuen Konjunkturbericht vorgelegt. Foto: Christian Charisius/dpa

Die OECD schlägt angesichts der Covid-19-Epidemie Alarm: Bei einer weiteren Ausbreitung könnten die Eurozone oder Japan im laufenden Jahr in eine Rezession rutschen, warnte die Chefökonomin der Industriestaaten-Organisation, Laurence Boone, in Paris.

Ihre Botschaft ist klar: „Regierungen können es sich nicht leisten zu warten.“ Von einer Rezession sprechen Ökonomen, wenn die Wirtschaft in mindestens zwei aufeinanderfolgenden Vierteljahren schrumpft. „Wir sind sehr vorsichtig“, schränkte die OECD-Expertin mit Blick auf die Vorhersagen ein. Eines ist aber für die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) bereits klar: Die Ausbreitung der vom neuartigen Coronavirus ausgelösten Epidemie drückt aufs weltweite Wirtschaftswachstum.

Die Frage lautet nur, wie stark. Bei einem Szenario, das einen vergleichsweise begrenzten Ausbruch außerhalb Chinas zugrunde legt, nimmt die OECD ein Wachstum von noch 2,4 Prozent an - das ist ein halber Prozentpunkt weniger als zuletzt vorhergesagt. Im Vorjahr hatte die Wirtschaft weltweit noch um 2,9 Prozent zugelegt.

Für Deutschland wird ein Plus beim Bruttoinlandsprodukt von 0,3 Prozent angenommen, das sind 0,1 Punkte weniger als noch im November. In Italien, das besonders unter der neuen Gesundheitskrise leidet, wird die Wirtschaft der neuen Vorhersage zufolge hingegen stagnieren.

Falls der Ausbruch des neuartigen Coronavirus länger dauere und den asiatisch-pazifischen Raum, Europa und Nordamerika breit erfasse, seien noch deutlichere Auswirkungen zu befürchten, befürchtet die OECD. In diesem Fall könnte das weltweite Wachstum 2020 auf 1,5 Prozent sinken.

Bei diesem Negativ-Szenario ist dann auch eine Rezession in wichtigen Wirtschaftsräumen wie der Eurozone oder Japan möglich. Falls sich Covid-19 deutlich stärker in Ländern der südlichen Hemisphäre ausbreite, sei noch ein stärkerer Einbruch möglich - dieser wurde aber von Chefökonomin Boone nicht beziffert. Angesichts der Lage sollen Staaten jetzt handeln, appelliert die OECD. „Fügt nicht zur Gesundheitskrise noch eine Finanzkrise hinzu“, meinte Boone.

Die EU-Kommission jedenfalls erwägt wegen der Coronavirus-Krise Konjunkturmaßnahmen. „Heute ist die Zeit klarzustellen, dass die EU bereit ist, alle verfügbaren Politikoptionen zu nutzen - falls und wenn sie nötig sind -, um unser Wachstum vor den Risiken des Abschwungs zu schützen“, sagte EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni in Brüssel. Die Lage sei schwieriger als noch vor wenigen Wochen gedacht. Auch könnte es sich als zu optimistisch erweisen, von einer raschen wirtschaftlichen Erholung auszugehen.

Gegenmaßnahmen einzelner EU-Staaten würden wohlwollend geprüft, ergänzte Gentiloni. Er bezog dies auch auf die Ankündigung Italiens, trotz hoher Verschuldung ein milliardenschweres Konjunkturprogramm aufzulegen. Die italienische Regierung plant ein Hilfspaket für die durch den Coronavirus-Ausbruch zusätzlich angeschlagene Wirtschaft in Höhe von 3,6 Milliarden Euro.

Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Weltbank wollen ihre verfügbaren Hebel „in vollstem Umfang“ nutzen, um Ländern beim Kampf gegen den neuen Coronavirus und dessen wirtschaftliche Folgen zu helfen. Mitgliedsländern könne unter anderem mit kurzfristigen Finanzierungspaketen geholfen werden, teilten die Chefs der Organisationen, Kristalina Georgiewa vom IWF und Weltbank-Präsident David Malpass, mit. Solche Finanzierungen seien vielseitig einsetzbar, etwa um Gesundheitssysteme zu stärken und Epidemien einzudämmen, hieß es. Das Angebot gelte besonders für ärmere Staaten mit schwächeren Gesundheitssystemen, in denen die Menschen einem höheren Risiko ausgesetzt seien, betonten IWF und Weltbank.

Die OECD-Expertin sieht auch die Zentralbanken in der Pflicht. Es gilt aber als fraglich, wie weit geldpolitische Unterstützung in der Corona-Krise überhaupt helfen kann. Denn das Hauptproblem liegt nicht im Finanzsystem, sondern in der Realwirtschaft: Weil in China große Teile der Wirtschaft stillstehen und sich das Virus auf weitere Länder ausbreitet, sind die internationalen Produktions- und Lieferketten gestört. Dennoch versuchen die großen Notenbanken, der nervösen Stimmung an den Märkten etwas entgegenzusetzen.

Nachdem die US-Notenbank Fed am Freitag ihre geldpolitische Handlungsbereitschaft signalisiert hatte, zogen am Montag die Zentralbanken Großbritanniens und Japans nach. Die Europäische Zentralbank (EZB) gab sich zurückhaltender: Frankreichs Notenbankchef Francois Villeroy de Galhau sagte, man sei wachsam und vorbereitet, dürfte aber nicht die Ruhe verlieren.

Rufe nach mehr internationaler Zusammenarbeit werden laut. Die OECD regt eine gemeinsame Botschaft des G20-Clubs an, der große Industrie- und Schwellenländer vereinigt. Ziel sollte es dabei sein, mehr Vertrauen zu schaffen - das ist in der Tat nötig, denn in der vergangenen Woche waren die Börsen auf Talfahrt gegangen.

„So wie die EU-Gesundheitsminister sich in diesen Tagen eng abstimmen, müssen das auch EU-Wirtschafts- und Finanzminister tun“, fordert der Berliner FDP-Vizefraktionschef Michael Theurer. Die größte Volkswirtschaft der Eurozone habe ein Interesse daran, denn die „Coronakrise trifft Deutschland in einer wirtschaftlichen schwierigen Phase“, resümiert der Parlamentarier.

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Erstellt:
2. März 2020, 14:39 Uhr

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