„Oma, mach dich mal locker“

Blutsbande Die Moderatorin Katrin Bauerfeind scherzt im Fernsehen gerne über ihre Großmutter – Doch wie findet Oma Ulmer das?

Blutsbande (7) - Ihre Enkelin, Katrin Bauerfeind, hat Irmgard Ulmer ein bisschen miterzogen. Wie aber blickt die Oma auf ihr eigenes Leben? Und wie ist das Leben mit so einer frechen Enkelin?

Aalen Irmgard Ulmer sitzt in einer Ecke des Zimmers auf dem Sofa und lächelt in die Kamera. „So oft wurde ich in meinem ganzen Leben nicht geblitzt“ sagt sie, ohne dass sich ihr Lächeln verzieht. Über die Großmutter von Katrin Bauerfeind ist der Öffentlichkeit bislang nur bekannt, was ihre Enkelin berichtet. Wenn die Journalistin, Fernsehmoderatorin und Buchautorin auf der Bühne oder vor der Kamera steht, erzählt sie gern auch mal aus ihrem Leben. Bis heute ist Irmgard Ulmer als ihre Oma ein Teil davon.

In den Büchern ihrer Enkelin taucht Irmgard Ulmer kurz und präzise auf wie eine lasergesteuerte Pointe. So schreibt Katrin Bauerfeind etwa: „Boah, Oma, mach dich mal locker, sagte ich in der Pubertät oft, sie aber blieb so locker wie ein Kilo Eisen. Das Leben war wie das Kleingedruckte in Versicherungsverträgen.“

Die Enkelin ist vor einigen Jahren nach Berlin gezogen. Oma Ulmer wohnt noch immer auf einem Hof in Aalen, wo Katrin Bauerfeind am 21. Juli 1982 zur Welt kam. Für ein Foto nimmt Irmgard Ulmer heute auf der Couch ihrer Nichte Platz. Das Management ihrer Enkelin möchte nicht, dass man sie in ihrer eigenen Wohnung trifft. Doch die gebürtige Fränkin, die in Katrin Bauerfeinds Scherzen Schwäbin ist, erzählt offenherzig, wohin das Leben sie führte.

Ihre Geschichte beginnt am 15. Mai 1931 in Hollenbach, einem Dorf in der Region Hohenlohe zwischen Bad Mergentheim und Schwäbisch Hall. Auf dem Bauernhof ihrer Eltern wuchs Irmgard Ulmer mit zwei Brüdern und einer Schwester als älteste Tochter auf. Von klein auf wollte sie Lehrerin für Handarbeit werden. Doch ihr Leben war von der Arbeit auf dem Hof der Eltern bestimmt. Morgens um sechs, noch vor dem Frühstück, molk sie die Kühe. Tagsüber bewirtschafteten sie mit Pferden die Felder. Am Abend galt es, um acht noch mal die Kühe zu melken.

So war ihre Jugend vom Krieg und von harter Arbeit auf dem Land geprägt. Mit 20 hatte sie genug vom Leben in der fränkischen Provinz. Sie packte ihre wenigen Sachen und fuhr mit dem Zug nach Stuttgart. „Früher war das wie eine Weltreise“, sagt sie. Nur dass die neue Welt für sie der Hof Glems­eck bei Leonberg war. Der Chef wollte fleißige Mädels, sagt sie, und die jungen Frauen aus Hohenlohe konnten anpacken. Nebenbei besuchte sie die Hauswirtschaftsschule und lernte nähen, kochen und wie man Tiere hält.

Sie war 21, als sie auf dem Leonberger Pferdemarkt ihren späteren Mann kennenlernte. Mit 24 heiratete sie Fritz Ulmer und zog zu ihm auf einen Bauernhof in Aalen. Ein Jahr später wurde sie das erste Mal Mutter. Von ihren vier Kindern leben noch drei, der einzige Sohn starb mit sechs Jahren an einem Fieber. Die jüngste Tochter ist die Mutter von Katrin Bauerfeind.

Die Enkelin erwähnt Aalen hin und wieder auf der Bühne. Als sie mal dort war, habe man sie gefragt: „Und Katrin, was machsch du so?“ – „Ihr werdet’s nicht glauben, ich hab neulich Michail Gorbatschow interviewt.“ Da soll ihr Gegenüber völlig unbeeindruckt vom einst mächtigsten Russen gesagt haben: „Du, der Karl-Heinz hat jetzt auch Krebs.“ Und weil im Schwabenland das Elend in ganz anderen Einheiten gemessen wird als anderswo, sagte man noch dazu: „Und die hen grad erscht a neue Einbauküche kauft!“ Beim nächsten Besuch habe der Bürgermeister über acht Obststände hinweg gebrüllt: „Frau Bauerfeind, das finde ich aber nicht okay, was Sie da neulich im Fernsehen über Aalen gesagt haben.“ Viele seien beleidigt, wenn Bauerfeind Scherze über die alte Heimat macht.

Für Irmgard Ulmer wurde das Dasein in Aalen über die Jahre immer moderner, aber die Arbeit kaum weniger. In ihrem ganzen Leben ist sie nicht einmal verreist. Erst bestellte sie mit Pferden die Felder, später mit einem Traktor. Erst sammelte sie das Heu mit der Gabel auf, später mit einem Heu­lader. Wie sie selbst mussten auch ihre Kinder auf dem Hof mithelfen. Sie erzog die drei nicht streng, aber diszipliniert, wie sie heute sagt. Doch niemand von den Töchtern konnte sich so ein Leben vorstellen. Heute schaffen sie als Büroangestellte.

Das Bild von Frauen hat sich mit der Zeit verändert. Irmgard Ulmer hat bis heute keinen Führerschein, obwohl sie gern einen hätte. „Wenn du Trecker fährst, reicht das doch“, hatte es früher geheißen. Und: „Du brauchst keinen Führerschein, du führst doch schon den Haushalt.“

Ihre Enkelin Katrin Bauerfeind ist dafür bekannt, die noch heute fehlende Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern zum Thema zu machen. Dabei sei gerade Humor auch inhaltlich ein wichtiger Punkt, in einem Interview mit der „Welt am Sonntag“ sagte sie: „Bis heute ist es so, dass selbst in Kontaktanzeigen Frauen immer einen humorvollen Mann suchen – Männer aber niemals eine humorvolle Frau. Und bis in die 60er Jahre stand in den Benimmfibeln: ‚Die Frau halte sich bei Tische mit Darbietung von Scherzen zurück.‘ Frauen mit Humor, das ist ein derart neues Thema in der Menschheitsgeschichte – da kann ich nicht erwarten, dass jetzt schon alle so weit sind.“

Dass einige der Scherze ihrer Enkelin auf ihre Kosten gehen, spielt für Irmgard Ulmer keine Rolle. Sie selbst hat die fünf Enkel ein bisschen miterzogen. Als ihre Töchter anfingen zu schaffen, passte die Oma mittags auf die Enkel auf. „Die fünf haben wir alle gleich gehalten“, sagt sie und lacht bescheiden.

Katrin Bauerfeind hat kürzlich in der Fernsehsendung „Inas Nacht“ davon erzählt, wie ihre Oma sie traumatisiert hat. „Wenn ihr ned brav seid, dann kommt die Polizei“, soll sie früher gedroht haben. Als das nicht mehr funktionierte, hat die Oma ein Huhn aus dem Stall geholt und gesagt: „Wenn ihr ned brav seid, dann leg ich euch das Huhn heut Nacht ins Bett.“ In dem Moment bekam das Huhn einen Herzinfarkt und starb in den Händen der Großmutter. „Und dann war natürlich klar, da sind wir natürlich sehr brav, und seitdem haben alle in der Familie Angst vor Hühnern“, erzählte Bauerfeind im Fernsehen. Ihr selbst sei seitdem der Appetit auf Hühner vergangen.

Als Bauerfeind noch ein Kind war, habe Irmgard Ulmer schon festgestellt, dass ihrer Enkelin das Rampenlicht liegt. Sie hat Theater gespielt, Berichte geschrieben und immer schon laut gelacht. Wenn sie heute zu Besuch kommt, wünscht sie sich Linsen mit Spätzle. Fast lieber noch bekocht sie ihre Oma aber selbst. Kürzlich hat die Oma der Enkelin beigebracht, wie man Schupfnudeln kocht. Sie habe sich gewandelt, sagt Oma Ulmer, das müsse man schon sagen. Vor allem dass sie nicht mehr raucht, gefällt ihr sehr.

„Mädele, du musch mit dem Rauche aufhöre“, hatte sie ihrer Enkelin so oft gesagt. Die hörte mit Mitte 30 tatsächlich damit auf. Als sie der Oma erzählte, wie viel Geld sie dadurch sparte, konnte Irmgard Ulmer es kaum fassen. „So viel Geld hascht du fürs Raucha ausgegeba? Du gibsch des Geld jetzt mir, weil du brauchsch net, und i bin reich.“ An Weihnachten bekam die Oma ein Kuvert, auf dem stand „Meine Oma hat’s verdient“. Darin das eingesparte Geld der letzten sechs Monate, 1500 Euro. „Ich hab gedacht, die schwäbische Seele legt’s für schlechte Zeiten zurück“, erzählt Katrin Bauerfeind im Fernsehen. Doch Oma Ulmer hat sich lieber ein neues Sofa und ein Boxspringbett gegönnt.

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Erstellt:
19. Februar 2019, 03:04 Uhr

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