Passierschein ist Pflicht

Nur bei zwingenden Gründen dürfen die Annonayer ihre Wohnungen verlassen – Blick in Backnangs französische Partnerstadt

Das Coronavirus hält auch Annonay fest im Griff: Die Ausgangsbeschränkungen sind noch umfassender als in Deutschland. Wer ins Freie geht, hat jedes Mal eine Bescheinigung auszufüllen, auf der einer der aufgeführten Gründe angekreuzt sein muss. Wird man ohne Formular erwischt, werden Geldbußen verhängt. Selbst Radfahren nur so zum Vergnügen ist für Erwachsene untersagt. Es gibt aber auch eine gute Nachricht: Die Covid-19-Fallzahlen halten sich in Backnangs französischer Partnerstadt in Grenzen.

Jeder, der sich außerhalb seiner Wohnung aufhält, muss schriftlich nachweisen, dass der Ausgang notwendig ist. Hier kontrolliert ein Polizist eine Seniorin in der Stadtmitte von Annonay.Foto: Reveil du Vivarais

Jeder, der sich außerhalb seiner Wohnung aufhält, muss schriftlich nachweisen, dass der Ausgang notwendig ist. Hier kontrolliert ein Polizist eine Seniorin in der Stadtmitte von Annonay.Foto: Reveil du Vivarais

Von Ingrid Knack

BACKNANG/ANNONAY. Fabienne Dusser, Mitarbeiterin der Wochenzeitung Réveil du Vivarais in Annonay und Kommunikationsbeauftragte im Safaripark in Peaugres, postet in diesen Tagen auf Facebook Bilder von Büchern, einem Hometrainer und ihrer 13-jährigen Tochter Lou-Ann, die am Schreibtisch ihre Hausaufgaben macht oder Kuchen backt. „Wir sind vorbereitet“, schreibt sie. Der Ton ist relativ entspannt.

Annonay ist immerhin kein Coronavirus-Hotspot. In der Ardèche gab es bis Ende März zwölf Todesfälle, 78 Menschen mussten in einem Krankenhaus behandelt werden, davon weniger als 15 in der Annonayer Klinik.

Seit Mitte März haben auch in Frankreich Schulen, Hochschulen und Gymnasien geschlossen. Fabienne Dusser ist seit dem 16. März von ihrer Arbeit freigestellt, um ihre Tochter betreuen zu können („eine staatliche Maßnahme, die es einem Elternteil pro Paar erlaubt, zur Betreuung von Kindern unter 16 Jahren zu Hause zu bleiben“). Der Safaripark in Peaugres ist allerdings ohnehin geschlossen, wie beispielsweise auch Museen, Schwimmbäder oder Bibliotheken.

Wer kein Zertifikat dabei hat, muss eine Geldbuße zahlen

„Covid 19 hat keine Beine. Er benutzt dich, um sich zu bewegen.“ Mit Sätzen wie diesen wird um Verständnis für die Ausgangssperre in Frankreich geworben. Wenn Fabienne Dusser das Haus verlässt, hat sie ein Ausgangsformular (Attestation de Déplacement) und ihren Personalausweis dabei. Jedes Mal muss sie den Grund ihres Aufenthalts in der Öffentlichkeit angeben.

Erlaubt ist es den Franzosen, in den momentan autorisierten Geschäften einzukaufen, sie können zur Arbeit gehen oder fahren, wenn Telearbeit oder Home Office nicht möglich sind, einen Arzt besuchen oder gefährdeten Personen helfen, zur Polizei gehen oder Vorladungen des Gerichts folgen. Der Hund darf Gassi geführt werden und auch Spazierengehen im direkten Umfeld des eigenen Wohnplatzes in einem Umkreis von einem Kilometer (alleine oder mit einem Partner) sind eine Stunde lang am Tag zugelassen. Fabienne Dusser: „Wenn wir das Ausgangsformular nicht haben und unser ,Ausflug‘ nicht gültig ist, können wir eine Geldstrafe verhängt bekommen.“ 135 Euro werden fällig, wenn man ohne Formular erwischt wird. 200 Euro bezahlt derjenige, der innerhalb von 15 Tagen ein zweites Mal gegen diese Vorschrift verstößt. Bei schweren Verstößen gibt es eine Geldstrafe (375 Euro). Außerdem lässt Fabienne Dusser wissen: „Freizeitradeln ist für Erwachsene verboten, aber sie können mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren. Kinder können auf einem kurzen Ausflug Fahrrad fahren, begleitet von einem Erwachsenen zu Fuß.“

Trotz des Dekrets vom 23. März, das Märkte verbietet, haben bestimmte Gemeinden wie Annonay von ihrer Präfektur eine Ausnahme erhalten: In Annonay kann man derzeit noch auf dem Wochenmarkt einkaufen. Wie in allen Geschäften muss ein Mindestabstand von einem Meter eingehalten werden.

Lehrer und Professoren schicken den Kindern via Internet regelmäßig Hausaufgaben. „Meine Tochter hat diese Woche viele Hausaufgaben. Lehrer aller Fächer (Sport, Physik, Englisch, Mathematik, Französisch, Spanisch, Musik, Geografie...) übermitteln ihr Übungen und geben Unterricht“, so Fabienne Dusser. Das geht nicht immer gut. „Es ist ein bisschen schwierig für sie, früh aufzustehen und sich gut gelaunt an die Arbeit zu machen. Ich unterhalte mich mit anderen Eltern, und es ist für alle gleich. Andererseits finde ich, dass die Lehrer meiner Tochter ziemlich erfinderisch sind. Einige bereiten Videos vor, andere ein Quiz. Sie organisieren auch regelmäßig Videokonferenzen mit allen Schülern.“

Fabienne Dusser unterstützt ihre Tochter Lou-Ann bei den Hausaufgaben. Foto: privat

Fabienne Dusser unterstützt ihre Tochter Lou-Ann bei den Hausaufgaben. Foto: privat

Die Menschen, die sich im Freien aufhalten, müssen damit rechnen, von der Polizei kontrolliert zu werden. Die Annonayer Gendarmerie warnt in diesem Zusammenhang aber vor Betrügern, die die Ausgehbescheinigungen überprüfen. „Bei Verstößen gegen die Regeln verlangen sie die sofortige Zahlung der Geldbuße von 135 Euro und zögern nicht, Sie zu einem Geldautomaten zu führen“, so die Polizei. Kein Fake sind die Mountainbike-Patrouillen der Gendarmen, auf diese Weise sind Kontrollen an abgelegenen Orten oder Pfaden für sie leichter möglich.

Über die Zeitung hat sich auch das Partnerschaftskomitee zu Wort gemeldet. Es bedauert die vielen abgesagten Treffen, darunter das ursprünglich für Ende Juni geplante internationale Fußballturnier in Backnang, an dem eine junge FCA-Mannschaft teilnehmen sollte, erklärt Präsident Patrick Charrier. Der Impromptu-Chor, dessen Präsident Charrier ebenfalls ist, spricht überdies von einem geplanten Besuch der Chorallen vom 21. bis 23. Mai in Annonay. „Wir wissen noch nicht, ob wir dieses Treffen aufrechterhalten können.“ Patrick Charrier ist diesbezüglich jedoch nicht optimistisch: „Auch wenn die Ausgangssperre bis dahin beendet sein könnte, bedeutet dies nicht, dass die Veranstaltungen genehmigt werden.“ Auch spricht er das 50. Straßenfest in Backnang an. Ein Besuch beim „Fête des rues“ steht seit Jahrzehnten ganz oben auf der Liste der Partnerschaftsaktivitäten. Nun hieß es bisher: „On verra“, man wird sehen. Mit der Vorahnung eines negativen Ausgangs.

Intensivpflegeplätze von 8 auf 18 erhöht

Patrick Charrier freut sich aber auch über den Optimismus von Christa Elser, die seit dem Weggang von Michel Thobois die Fäden beim Partnerschaftskomitee Annonay-Backnang in der Hand hält. Der Tenor: Wann auch immer man sich wieder sieht, der Freundschaft tun auch verschobene Treffen keinen Abbruch.

Die aktuellen Nachrichten aus dem Rathaus sind, dass in Annonay bisher nicht übermäßig viele Covid-19-Patienten behandelt werden mussten. Zwei Bereiche wurden für die Erkrankten im Hospital reserviert, die Intensivbetten um 10 auf 18 erhöht. 12 davon sind Covid-19-Patienten vorbehalten.

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Erstellt:
15. April 2020, 06:00 Uhr

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