Per Quote zurGleichheit – ein Irrweg

Ein Gesetz zwingt Parteien in Brandenburg, gleich viele Frauen und Männer aufzustellen

In Brandenburg haben SPD, Linke und Grüne ein Gesetz verabschiedet, das die Parteien zwingt, bei der Listenaufstellung gleich viele männliche wie weibliche Kandidaten aufzubieten. Jubel ist ihnen in allen Kreisen sicher, die sich selbst als fortschrittlich ansehen. Wer könnte schon etwas dagegen haben, für eine gleiche Anzahl weiblicher Abgeordneter zu sorgen? Tatsächlich ist ein höherer Anteil weiblicher Mandatsträger ein sinnvolles gesellschaftliches Ziel. Wer gegen den Brandenburger Weg ist, redet deshalb nicht automatisch dem Rückzug ins Patriarchat das Wort, sondern führt eine Instrumentendebatte. Brandenburg hat ein völlig untaugliches Instrument gewählt.

Der Brandenburger Weg rührt in fahrlässiger Weise an ein grundlegendes demokratisches Prinzip: Wenn sie sich im Rahmen der freiheitlichen Grundordnung bewegen, steht es den Parteien ganz frei, wie sie sich organisieren. Anders gesagt: Den Staat geht es ganz und gar nichts an, auf welche Weise Parteien ihre Kandidaten ermitteln. Ob ihre Listen nur aus Männern oder Frauen, zur Hälfte aus Kaninchenzüchtern oder zwingend aus mindestens zehn Prozent Vegetariern bestehen – der Staat hat sich da rauszuhalten. Diese Organisationsfreiheit ist ein sehr hohes Gut. Im Übrigen tragen die Parteien für ihre Aufstellungen ja auch das Risiko an der Wahlurne. Brandenburg setzt dagegen für ein vermeintlich progressives Ziel auf das rückwärtsgewandte – man möchte sagen: paternalistische – Mittel der Bevormundung.

Zudem ist der Ansatz, die Hälfte der Mandate an Frauen zu vergeben, an die falsche Bezugsgröße geknüpft. Der angemessenere Bezugspunkt wäre der Frauenanteil in den Parteien. Beispiel FDP: Die Partei hat einen Frauenanteil von rund 23 Prozent. Das entspricht ziemlich genau dem Anteil der Frauen in der Bundestagsfraktion. Mit welchem Recht zwingt der Staat die Partei, einen Frauenanteil ihrer Fraktion abzubilden, den es in der Partei gar nicht gibt?

Wer stattdessen die 50-Prozent-Marke als Bezugsgröße wählt, hat das Leitbild vor Augen, nach dem das Parlament ein demografisches Abbild der Gesellschaft zu sein hat. Das aber ist der (Rück-)Weg zum Ständeparlament. Wer das wirklich ernst meint, darf dann bei der Frauenquote nicht stehenbleiben. Mindestens müsste das vom Bundesverfassungsgericht anerkannte dritte Geschlecht ebenfalls bei den Kandidatenlisten berücksichtigt werden. Dann ginge es weiter: Sollten nicht auch Migranten, als prägender Teil einer modernen Gesellschaft, angemessen quotiert im Parlament vertreten sein? Und die Senioren? Und Arbeitnehmer? Braucht es nicht auch genug Selbstständige im Bundestag?

So funktioniert eine repräsentative Demokratie nicht. Das Parlament soll eine Bestenauswahl sein. Der Staat muss garantieren, dass niemand aufgrund seines Geschlechts, seines Herkommens, seiner sexuellen Orientierung benachteiligt wird. Er muss sicherstellen, dass Frauen und Männer den gleichen Zugang zu Parteien haben. Der Rest ist Sache der Zivilgesellschaft. Mehr Frauen in die Parlamente – das ist eine sehr vernünftige Forderung. Die Parteien sind aufgerufen, das zu ermöglichen. Dazu können auch quotierte Listen gehören, wenn sich Parteien aus freiem Willen darauf verständigen. Einige Parteien tun das längst. An der Wahlurne werden sie dafür nur höchst maßvoll belohnt. Ein Fortschritt wäre es, wenn Frauen tatsächlich verstärkt den Weg in die Parteien gehen. Das müssen sie selbst in die Hand nehmen, statt sich ausgerechnet der Krücken von Väterchen Staat zu bedienen.

norbert.wallet@stzn.de

Zum Artikel

Erstellt:
2. Februar 2019, 03:14 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen