Plädoyer für die Reform des Rentensystems

Drei Schüler des Max-Born-Gymnasiums in Backnang haben einen bundesweiten Wettbewerb der FAZ gewonnen. In ihrem Beitrag fordern sie eine Veränderung des Rentensystems hin zum Kapitaldeckungsverfahren. Ihren Vorschlag haben sie kürzlich der Bundesregierung übergeben.

Fabio Valente (von links), Felix Knietsch und Patrice Schmid sind die glücklichen Gewinner des anspruchsvollen Wettbewerbs. Foto: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Fabio Valente (von links), Felix Knietsch und Patrice Schmid sind die glücklichen Gewinner des anspruchsvollen Wettbewerbs. Foto: J. Fiedler

Von Anja La Roche

Backnang. Die Freude über den ersten Platz steht Felix Knietsch, Fabio Valente und Patrice Schmid noch ins Gesicht geschrieben. Die Schüler des Max-Born-Gymnasiums haben sich bei einem bundesweiten Schülerwettbewerb der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) gegen 3400 andere Schüler durchsetzen können. Aufgabe war es, eine politische Zukunftsvision einzusenden, verpackt als eine mediale Botschaft. Felix, Fabio und Patrice reichten hierfür ein Video ein, in welchem sie die Reform des Rentensystems hin zu einem Kapitaldeckungsverfahren als sinnvolle Maßnahme begründet darlegen. „Das Video zeigt das komplexe und zugleich weitreichende Thema einfach und anschaulich erklärt“, begründet die FAZ ihre Entscheidung. Dass die Schüler an dem Wettbewerb teilnahmen ist auch ihrer Deutschlehrerin Manja Heim zu verdanken. Sie hat ihrem Deutsch-Leistungskurs der 12. Klassenstufe dafür Zeit in ihrem Unterricht eingeräumt.

Die politische Zukunftsvision der Schüler durfte dabei das Thema Bildung, Klimaschutz oder Gesellschaft in einer digitalen Welt betreffen (siehe Infobox). Um ihre Siegchancen zu verbessern, haben sich die Backnanger Schüler entschieden, sich dem Rentensystem zu widmen. Denn sie vermuteten eine geringe Wahrscheinlichkeit, dass auch andere Schüler sich gerade dieses Thema herauspicken würden. Ausschlaggebend war allerdings nicht nur die Hoffnung, im Wettbewerb herauszustechen. Sondern die 17-Jährigen erkannten die Relevanz des Themas für ihre eigene Zukunft. Damit sie selbst auf eine gesicherte Rente blicken können, wünschen sie sich ein zukunftsfähiges System, statt des aktuellen Umlageverfahrens.

Der demografische Wandel bedroht das aktuelle Rentensystem

In ihrem Video schildern die drei Schüler zunächst das Problem des aktuellen Rentensystems. Dieses basiert in Deutschland auf dem Umlageverfahren, das bedeutet, dass die durch Beiträge aufgebrachten Mittel sogleich als gesetzlich vorgeschriebene Leistungen, also als Rente, ausgegeben werden. Doch der demografische Wandel stellt immer weniger Beitragszahler immer mehr Rentnern gegenüber. Drei Möglichkeiten gebe es, so erklären es die Schüler im Video, das aktuelle Rentensystem trotz demografischen Wandels zu halten: Erstens, jeder muss länger arbeiten als 67 Jahre, zweitens, der Staat subventioniert das Rentensystem weiter, oder drittens, die Renten fallen geringer aus. Diese Aussicht sei nicht zukunftssicher, so die Jugendlichen. Sie sehen dringenden politischen Handlungsbedarf. „Wir bekommen das von den Großeltern mit. Es ist zwar noch kein großes Problem, aber es wird immer größer“, sagt Fabio.

Die Oberstüfler haben sich daher mit anderen Rentenmodellen beschäftigt. Sie sind bei dem umstrittenen Thema zu dem Schluss gekommen, dass das norwegische und schwedische Modell auch für Deutschland attraktiv sei. Diese Länder wollen die Rente ihrer Bevölkerung mit staatlichen Pensionsfonds sichern. Dabei investiert der Staat die Rentengelder am internationalen Finanzmarkt, um so die Rentenzahlungen der Zukunft zu gewinnen.

Detailliert erklären die drei Schüler ihre Reformidee. Das aktuelle Umlageverfahren würde zu Teilen bestehen bleiben, aber zu Teilen durch die Aktienrente ersetzt. „Anders als es die FDP vorschlägt, würden wir nicht nur zwei Prozent von den 18,6 Prozent der Renteneinzahlung in die Aktienrente investieren, sondern einen zügigen und geordneten Übergang in das Kapitaldeckungsverfahren anstreben.“ Anhand eines Beispielbürgers namens Karl rechnen die Schüler vor, wie der einzelne Arbeitnehmer so später mehr Rente erhalten würde. Auch für die Finanzierung der Reform schlagen sie konkrete Maßnahmen vor: Deutschland könnte eine 100-jährige Anleihe in der Höhe von einer Billion Euro ausgeben, um einen Staatsfonds zu errichten. Somit nehmen Fabio, Patrice und Felix zum Thema Rente in ihrem preisgekrönten Video klar Stellung. Das Investment am Kapitalmarkt bringe zwar auch Risiken mit sich, gestehen sie. „Aber soll uns das wirklich davon abhalten an unserem jetzigen Umlageverfahren festzuhalten?“

Ein Schüler war bei der Übergabe an die Regierung online dabei

Als krönenden Abschluss des Schulwettbewerbs durften die zehn Gewinnerteams ihre zentralen Thesen sogar als „Zukunftscharta“ der Bundesregierung übergeben. Felix übernahm diese Aufgabe für sein Team und nahm an der Veranstaltung teil – allerdings nur online, denn aufgrund eines Sturms an diesem Tag konnte er nicht mit dem Zug nach Berlin reisen. Aber ob online oder persönlich vorgetragen: Womöglich hat der Vorschlag der Schüler zur Reform des Rentensystems ja einen Denkanstoß auf Bundesebene gegeben. Immerhin stehen die Schüler seither mit der FDP-Bundestagsabgeordneten Ria Schröder in Kontakt.

Die zahlreichen Stunden zusätzlicher Fleißarbeit der Schüler haben sich also gelohnt. Auch Manja Heim ist enorm stolz auf diese Leistung. Sie setzt die Projekte der FAZ gerne mit ihren Schülern um. „Ich halte es für relevant, dass sich die Schüler mit gesellschaftlichen Themen beschäftigen.“

Das Schulprojekt „Bundestagswahl 2021 – Gib der Zukunft deine Stimme!“

Projekt Schon seit mehr als 40 Jahren arbeitet die FAZ mit Schulen zusammen, um unter anderem das Demokratiebewusstsein und die Medienkompetenz der Schüler zu fördern. Die Lehrerin Manja Heim hat schon viele Klassen am Max-Born-Gymnasium bei diesen Projekten begleitet. Bei dem Schulprojekt im vergangenen Jahr, das von der Google News Initiative finanziell gefördert wird, beschäftigten sich die Schüler insbesondere mit der Bundestagswahl. Kern des Projekts war zudem der Wettbewerb.

Ablauf Zunächst beschäftigten sich die Schüler mit dem Wahlkampf, der Wahl und der Regierungsbildung auf Bundesebene im vergangenen Jahr sowie mit den Instrumenten einer Demokratie. Dabei sollten sie sich kritisch mit dem Wahlgeschehen auseinander setzen. Für die Teilnahme am Wettbewerb verpackten sie dann eine eigene politische Zukunftsvision als Text-, Audio- oder Videobeitrag. Eine Jury der FAZ und Google News Initiative wählte zehn Gewinnerteams aus. Diese wurden zu einer Koalitionsverhandlung als digitales Planspiel eingeladen. Dort wurden relevante Themen ausgehandelt und zu einer gemeinsamen „Zukunftscharta“ zusammengetragen. Dieses Dokument haben die Gewinner des Schulprojekts dann im vergangenen Monat an die neue Bundesregierung übergeben.

Weitere Gewinner Auf dem zweiten Platz landete ein Podcast zur Klimapolitik der großen Parteien, den dritten Platz erhielt ein Video über ausbaufähige Aspekte des Schulsystems.

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Erstellt:
23. März 2022, 11:30 Uhr

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