Grenzkontrollen
Polen kontrolliert die Grenze zu Deutschland
Warschau reagiert damit auf die verstärkten deutschen Kontrollen. Kritik kommt aus Brüssel, dort wird befürchtet, dass der Schengen-Raum Schaden nehmen könnte.

© Ebrahim Noroozi/AP/dpa
Polnische Polizisten kontrollieren die Grenze in Slubice.
Von Knut Krohn
Von der Grenze zu Polen kommt Entwarnung. „Wir haben keinerlei Rückstau nach Deutschland zu verzeichnen“, sagte am Montag ein Polizeisprecher in Görlitz. Der Beginn der Grenzkontrollen auch auf polnischer Seite hat in Sachsen nach Einschätzung der Bundespolizei keine Verkehrsprobleme ausgelöst. Seit Mitternacht werden Reisende an den 52 Übergängen entlang der deutsch-polnischen Grenze stichprobenartig überprüft. Die Kontrollen sollen zunächst bis zum 5. August andauern.
Deutschland kontrolliert seit 2023 die Grenze
Die Regierung in Warschau hat die Kontrollen als Reaktion auf die jüngst verschärften deutschen Grenzkontrollen angeordnet. Deutschland kontrolliert seit Oktober 2023 in Absprache mit dem Nachbarland stichprobenhaft an der Grenze zu Polen, um irreguläre Migration zu stoppen. Kurz nach dem Antritt der neuen Bundesregierung im Mai wurden dann ohne Rücksprache mit Warschau noch einmal intensivere Grenzkontrollen verfügt. Gleichzeitig ordnete Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) an, dass künftig auch Asylsuchende an der Grenze zurückgewiesen werden können.
Die Zurückweisungen aus Deutschland haben in Polen für große Aufregung gesorgt. Karol Nawrocki, rechtsnationalistischer Kandidat bei der Präsidentenwahl nutzte den Alleingang Deutschlands, machte damit politische Stimmung im Land – und gewann die Wahl. Auch rechte Aktivisten missbrauchten die Kontrollen und verbreiteten das Gerücht, deutsche Beamte transportierten Asylbewerber, die sich vorher nicht in Polen aufgehalten haben, ins Nachbarland.
Aus Brüssel kommt Kritik an den Kontrollen
Die Kritik aus Brüssel ist groß – und die bezieht sich vor allem auf die deutschen Grenzkontrollen. So warnte die stellvertretende EU-Parlamentspräsidentin Katarina Barley (SPD) vor einem „Dominoeffekt“ in der EU. Die polnischen Kontrollen sind aus ihrer Sicht in erster Linie „eine Retourkutsche“ für das deutsche Vorgehen, sagte sie im ZDF-„Morgenmagazin“. Sie betonte, dass es andere Möglichkeiten gebe, die nicht reguläre Migration zu bekämpfen, etwa durch Schleierfahndungen. Zudem sei die Zahl der Asylanträge in Deutschland zuletzt deutlich zurückgegangen, „ohne dass man solche scharfen Grenzkontrollen angeordnet hätte“, sagte sie.
Nicht nur wird der Alleingang der Bundesregierung gerügt, auch die möglichen Verstöße gegen das EU-Recht werden kritisiert. Entscheidend sind in diesem Fall die Regeln der Dublin-III-Verordnung der Europäischen Union. Darin ist geregelt, dass die Mitgliedsstaaten asylsuchende Flüchtlinge nicht einfach zurückweisen dürfen. Also auch dann nicht, wenn sie selbst nicht zuständig sind für das Verfahren. Vielmehr müssen sie genau prüfen, welcher Staat stattdessen zuständig ist. Dann dürfen und sollen sie den Flüchtling geordnet in genau dieses Land überstellen, damit dort das Asylverfahren durchgeführt werden kann.
Europa wartet auf die Asylreform
In der Realität werden diese Regelungen aber nicht umgesetzt. Aus diesem Grund haben sich im Mai 2024 die EU-Staaten nach jahrelangen Verhandlungen auf eine gemeinsame Asylreform geeinigt. Allerdings sollen die neuen, wesentlich schärferen Reglungen erst im Sommer 2026 umgesetzt werden. Die umstrittene Reform sieht strengere Verfahren an den Außengrenzen für eine bessere Verteilung innerhalb Europas vor. Einige Politiker und Experten hoffen, dass dann weniger Menschen mit geringen Erfolgsaussichten nach Deutschland kommen.
Da als Reaktion auf die deutschen Kontrollen auch in anderen EU-Staaten die Grenzen verschärft überwacht werden, sehen Beobachter den Schengen-Raum in Gefahr. Der wird als eine der größten Errungenschaften der EU gepriesen, da er den freien Personenverkehr in 29 Ländern Europas möglich macht. In den Regeln sind Reaktionen auf Krisensituationen festgeschrieben. Sie sehen vor, dass die Länder in Ausnahmefällen Kontrollen an EU-Binnengrenzen wieder einführen können, wenn die öffentliche Ordnung oder die innere Sicherheit bedroht sind. Allerdings sind Grenzkontrollen nur vorübergehend und als letztes Mittel zulässig. Die Wiedereinführung von Grenzkontrollen ist auf 30 Tage begrenzt. Dieser kann mehrmals auf bis zu sechs Monate verlängert werden, bei außergewöhnlichen Umständen auf bis zu zwei Jahre.
Bundesinnenminister Dobrindt versucht den Ball ins polnische Feld zurückzuspielen. Er habe seinem Amtskollegen gemeinsame Kontrollen auf der deutschen Seite der Grenze angeboten. Dieses Angebot sei bisher allerdings nicht angenommen worden. Für den 18. Juli hat der Bundesinnenminister seine Amtskollegen aus Frankreich, Polen, Österreich, Dänemark und Tschechien sowie den EU-Kommissar für Inneres und Migration, Magnus Brunner, zu einem „Migrationsgipfel“ auf die Zugspitze eingeladen.
Der Minister lädt zu einem Gipfel auf die Zugspitze