„Politik ist bei jungen Leuten nicht mehr so sexy“

Kommunalwahl 2019: Die neu gegründete Partei duhastdiewahl.org generiert ihre Themen durch Online-Abstimmungen

Axel Bauer tritt als Kandidat an. Foto: Alexander Becher

© Pressefotografie Alexander Beche

Axel Bauer tritt als Kandidat an. Foto: Alexander Becher

Von Sarah Schwellinger

BACKNANG. Völlige Transparenz, jeder kann sich einbringen, keine Hierarchien: „Wir waren schon immer politisch interessiert“, stellt Daniel Werner, einer der Parteigründer, klar. Doch den jungen Männern fehlte eine Möglichkeit, mitzubestimmen. „Wir wollten aktiv werden und was tun.“ In den großen Parteien mit strikten Strukturen sind die Möglichkeiten zu gering. Im August 2017 haben sich die jungen Männer, die sich aus der Schulzeit in Backnang kennen, zusammengesetzt. Die Lösung sahen die Backnanger in der Gründung ihrer eigenen Partei, die mithilfe der eigenen Online-Plattform organisiert: duhastdiewahl.org. Hier können sich Interessierte anmelden, Themen einbringen, diskutieren, abstimmen. Neben der neuen, jungen Art Politik zu machen, spielt auch die anspruchsvolle IT eine Rolle: Die Macher haben eine Plattform entworfen, mittels derer man diskutieren und sich austauschen kann.

So können Bürger ihre Themen gestalten, vorbringen, die Vertreter in den Gremien vertreten somit die Meinung der Bürger. Das System haben Felix Papsdorf und Daniel Werner so konzipiert, dass Abstimmungen quasi unmanipulierbar sind. Das ist bei den momentan 85 Mitgliedern noch einfach möglich, doch auch für eine große Zahl an Mitgliedern hat DHDW Ideen, die Daten auf der Plattform absolut sicher zu verwalten. Dieses technische Know-how wollen die Macher in Zukunft auch anderen Parteien anbieten: „So können auch andere Parteien eine solche direkte Art schaffen“, so Papsdorf.

Finanziert wird die Backnanger Partei allein durch Spenden, einen Mitgliedsbeitrag gibt es nicht.

Global denken,

lokal handeln

Für Backnang haben die Mitglieder von DHDW ganz konkrete Vorstellungen. Nach dem Motto „Global denken, lokal handeln“, sollen globale Probleme wie beispielsweise der Klimawandel auf lokaler Ebene angepackt werden. „Alle unsere Themen sind global“, erklärt Felix Papsdorf. Um Demokratie und Mitspracherecht der Bürger zu fördern, plädieren DHDW auf ein Backnanger Bürgerbudget, einen Geldtopf im Haushalt. „Dieser Geldtopf wird gemeinsam von Bürgern verwaltet“, erklärt Silvan Vollmer, der für den Gemeinderat kandidiert. Zahlt jeder Bürger nur einen Euro in die Kasse, kämen in diesem Geldtopf schon mehr als 37500 Euro zusammen. „So hätte der Backnanger Bürger die Hoheit über sein Geld“, so Vollmer weiter. Die Bürger entschieden somit selbst, an welcher Stelle sie investieren, welche Projekte sie fördern wollen. Die Vorteile führt Vollmer auf: „Der Bürger hat die Möglichkeit mitzubestimmen, hat direkten Einfluss, es ist unkompliziert und transparent.“

Außerdem auf der Agenda der jungen Partei: Fahrradwege und deren Pflege. „Es sind 50.000 Euro für einen Parkplatz am Bahnhof da, welcher nur kurze Zeit existiert, aber keine dringend notwendigen 90.000 € für Radwege“, wundert sich Axel Bauer, ein weiterer Gemeinderatskandidat. Wenn Autos aus der Stadt ferngehalten werden sollen, unter anderem wegen des Abgasproblems, dann sollten laut DHDW auch Alternativen gefördert werden. Dazu gehören auf der einen Seite die Radwege, auf der anderen Seite günstigere Bustickets.

Sie setzen sich ein für eine grünere Stadt, an Konzepten, die helfen Plastik zu vermeiden – allen Projekten voran das Backnanger Straßenfest. Weiter soll im Bausektor einiges getan werden. Denn viele junge Leute suchen nach bezahlbarem Wohnraum – und an vielen Stellen der Stadt sieht DHDW noch Potenzial. „Man muss sich nur fünf bis zehn Minuten am Tag Zeit nehmen und stimmt bei Themen ab, die einen betreffen“, so Papsdorf – damit sei schon ein Stück Demokratie im Alltag geschaffen. „Politik ist bei jungen Leuten nicht mehr so sexy“, so Vollmer, „es ist schwer, teilzuhaben. So aber hat es jeder einfach.“

33 Prozent der Backnanger Bevölkerung seien unter 30 Jahre alt. Im Gemeinderat momentan sei der größte Teil der Räte aber über 50, teilt Axel Bauer mit: „Langfristig soll Backnang eine junge Stadt bleiben“, findet er. Gerade deshalb müssten die Ideen der jungen Leute gehört werden. Der Schritt in die Kommunalpolitik soll für die junge Partei noch nicht genug sein. Sie wollen ihr Konzept auf Bundesebene anbringen. „Wir können mithilfe der Technologie ein Durchschnittsmeinungsbild erfassen. So erhoffen wir uns eine nachhaltige deutschlandweite Verbreitung.“

Die Kandidaten: Axel Bauer, Silvan Vollmer, Daniel Werner, Leonard Hebgen, Martin Frase, Dennis Schröder, Julius Kleinert, Jonathan Kannegießer, Tim Salvo, Kevin Geißler.

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Erstellt:
18. Mai 2019, 06:00 Uhr

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