Bundestagswahl 2025

Politikwissenschaftler zur AfD: „Das ist nicht nur ein Ost-Phänomen“

Die AfD hat auch in vielen Gemeinden Baden-Württembergs stark abgeschnitten. Was heißt das für die Landtagswahl, die in gut einem Jahr stattfinden wird?

AfD-Parteichefin Alice Weidel holte zwar kein Direktmandat im Bodenseekreis, zieht aber über die Zweitstimme in den Bundestag ein.

© dpa/Sören Stache

AfD-Parteichefin Alice Weidel holte zwar kein Direktmandat im Bodenseekreis, zieht aber über die Zweitstimme in den Bundestag ein.

Von Annika Grah

Die politische Landkarte in Baden-Württemberg hat viele blaue Flecken. In vielen Gemeinden hat die AfD die meisten Zweitstimmen errungen. „Es ist ein Faktum, dass die AfD auch in Baden-Württemberg einen Lauf hat“, sagt Michael Wehner von der Landeszentrale für Politische Bildung in Freiburg.

Herr Wehner, die AfD hat ja nicht nur in den ostdeutschen Bundesländern die meisten Stimmen geholt, sondern auch in vielen Gemeinden Baden-Württembergs. Gehört eine starke AfD jetzt zur Normalität?

Es scheint so zu sein. Die Daten zeigen, dass die AfD in Baden Württemberg etwas schwächer abgeschnitten hat als im Bundesvergleich. Aber dennoch sind es 19,8 Prozent in ganz Baden-Württemberg. Das bedeutet, das ist nicht nur ein Ost-Phänomen, sondern es ist derzeit auch ein Süd-Phänomen. Wir sehen die Entwicklung in Bayern, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Ich spreche nicht gern von einer Normalisierung, aber es ist ein Faktum, dass die AfD auch in Baden-Württemberg einen Lauf hat.

Ist die AfD dabei, die SPD als Arbeiterpartei abzulösen, wenn man sich die Wählerwanderung anschaut?

Analysen zu Wählerwanderungen sind immer auch ein bisschen mit Vorsicht zu genießen. Nichtsdestotrotz kann man sagen, dass 720 000 Wählerinnen und Wähler von der SPD zur AfD gewandert sind. Und das bedeutet eben, dass sie sich zumindest in der SPD nicht mehr wohlgefühlt haben. In Baden-Württemberg war die SPD immer strukturschwach, das heißt, sie wird sich doppelt schwertun. Und von der sozialstrukturellen Lage her wählen Facharbeiterinnen und Facharbeiter hierzulande nicht zwangsläufig die SPD, sondern durchaus ja auch die CDU.

Am anderen Ende des politischen Spektrums wurde die Linke sehr stark, auch weil sie von jungen Wählern gewählt wurde. Für wie stabil halten Sie diese Entwicklung?

Junge Wählerinnen und Wähler sind volatiler in ihrem Verhalten, sie sind nicht so festgelegt in ihren Parteibindungen. In universitären Großstädten in Baden-Württemberg hat die Linke schon vor dreieinhalb Jahren überdurchschnittlich gut abgeschnitten. Das bedeutet, dass viele Enttäuschte von den Grünen abgewandert sind, aber auch von der SPD.

Was lesen Sie denn aus dem Wahlergebnis für die Landtagswahl in Baden-Württemberg, die in gut einem Jahr stattfinden wird?

Der erste Punkt ist sicher, dass es für die Grünen – Stand heute – noch schwerer werden wird das Ministerpräsidentenamt zu verteidigen. Sie werden wahrscheinlich eher als Juniorpartner in einer schwarz-grünen Koalition landen. Ob die Linke sich dauerhaft in Baden-Württemberg festsetzen kann, dafür ist es noch zu früh, das zu beurteilen. Das hängt wesentlich davon ab, wie dann die neue Bundesregierung bewertet wird in ihren Leistungen: ob man die Rezession in den Griff kriegt und was das für die Arbeitsplätze und den Automobilstandort Baden-Württemberg bedeutet. Und ob die Grünen wieder stärker in den Universitätsstädten bei jüngeren Wählerinnen und Wählern punkten können.

Die FDP ist zwar aus dem Bundestag geflogen, hat mit 5,6 Prozent in ihrem liberalen Stammland aber etwas besser abgeschnitten als im Bund. Wird sich das halten?

Auch das wird von den wirtschaftlichen Daten und der Neuaufstellung der FDP abhängen. Baden-Württemberg ist Land des Mittelstandes und Traditionshochburg des Liberalismus. Da gibt es natürlich schon Rahmenbedingungen, die dafür sprechen, dass die FDP die 5-Prozent-Hürde auch bei der kommenden Landtagswahl überspringen wird.

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Erstellt:
24. Februar 2025, 09:48 Uhr
Aktualisiert:
24. Februar 2025, 12:27 Uhr

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