Erste Klimamanagerin Backnangs: Klimaschutz soll Spaß machen

Als erste hauptamtliche Klimamanagerin kämpft Simone Lebherz seit Oktober dafür, dass in Backnang weniger Treibhausgase ausgestoßen werden. Dabei will sie lieber auf Anreize setzen als auf Verbote.

Simone Lebherz engagiert sich auch privat für den Klimaschutz. Für die Fahrt zur Arbeit von Fellbach nach Backnang nimmt sie meistens ihr E-Bike. Foto: Tobias Sellmaier

© Tobias Sellmaier

Simone Lebherz engagiert sich auch privat für den Klimaschutz. Für die Fahrt zur Arbeit von Fellbach nach Backnang nimmt sie meistens ihr E-Bike. Foto: Tobias Sellmaier

Von Kornelius Fritz

Backnang. Zum Fototermin hat Simone Lebherz ihr E-Bike mitgebracht. Damit ist sie am Morgen die rund 25 Kilometer lange Strecke von ihrem Wohnort Fellbach zum Arbeitsplatz am Backnanger Stiftshof gefahren, abends geht es wieder zurück ins Remstal. Die 70 Minuten, die sie pro Fahrtstrecke braucht, empfindet sie nicht als Belastung: „Ich genieße diese Zeit. Das macht mir Spaß.“ Der Strom für den Elektromotor stammt übrigens von einer Fotovoltaikanlage auf dem eigenen Dach.

Um einen klimafreundlichen Lebenswandel bemüht sich Simone Lebherz nicht erst, seit sie ihre neue Stelle als Backnangs erste Klimamanagerin angetreten hat. „Das ist für mich ein Herzensthema“, sagt die 51-Jährige. Unter anderem versuchen sie und ihr Mann schon seit Jahren, wo immer es geht, auf Plastikverpackungen zu verzichten. Sie kaufen in Unverpackt- und Hofläden ein, bauen Gemüse im eigenen Garten an und stellen sogar die geliebten Schupfnudeln selbst her. „Es macht mich stolz, wenn ich sehe, dass in unserer gelben Tonne nur noch der Boden bedeckt ist.“

Die klimaneutrale Stadt im Blick

Dass sie ihren privaten Einsatz für die Umwelt nun auch im Beruf fortsetzen kann, empfindet Simone Lebherz als Glücksfall: „Als ich die Stellenausschreibung gesehen habe, dachte ich: Das ist genau meins.“ Als hauptamtliche Klimamanagerin will sie Backnang zu einer klimaneutralen Stadt machen. Keine leichte Aufgabe, denn die Kommune ist gerade mal für zwei Prozent der Treibhausgasemissionen selbst verantwortlich. „Wir können es also alleine nicht schaffen“, weiß Lebherz, „dafür brauchen wir die ganze Stadtgesellschaft.“

Und wie will die Klimamanagerin Unternehmen und Privatleute zu einem klimafreundlicheren Verhalten bewegen? Jedenfalls nicht mit Verboten und erhobenem Zeigefinger. „Angst ist ein schlechter Motivator“, glaubt die Fellbacherin. Als Beispiel nennt sie die Schockfotos auf Zigarettenpackungen, deren Wirksamkeit fraglich sei. Viel lieber möchte sie den Menschen Lust auf eine ressourcenschonende Lebensweise machen und sie dabei unterstützen.

Mit Beratungsangeboten und Förderprogrammen könne die Stadt Anreize setzen. Und gute Rahmenbedingungen schaffen, etwa durch ein Radwegenetz, das dazu beiträgt, dass mehr Menschen ihre Autos stehen lassen. „Ich bin davon überzeugt, dass es möglich ist, die Menschen zu einer Verhaltensänderung zu motivieren“, erklärt Simone Lebherz. Schließlich müsse inzwischen jedem klar sein, dass es zum Klimaschutz keine Alternativen gebe. Freiwillige Verhaltensänderungen seien deshalb die beste Möglichkeit, um sich so viel Freiheit wie möglich zu bewahren.

Klimaschutzkonzept als Grundlage

Trotzdem dürfte der Weg zur klimaneutralen Stadt steinig werden: „Es wird auch Entscheidungen geben, die wehtun“, prophezeit die Klimamanagerin. Wenn es etwa um die Frage geht, ob man für den Bau eines neuen Radwegs Parkplätze opfert, drohen Konflikte. Diese müsse man austragen, allerdings auf einer sachlichen Ebene und frei von Ideologien, findet Lebherz.

Grundlage für die Arbeit der neuen Klimamanagerin wird ein Klimaschutzkonzept sein, das ein externes Fachbüro im Auftrag der Stadt im kommenden Jahr erarbeiten soll. Dafür wird auch ermittelt, wie viel Treibhausgas in Backnang zurzeit ausgestoßen wird. Auf Basis dieser Zahlen sollen dann Ziele für die kommenden Jahre und auch ein Zeitpunkt definiert werden, bis zu dem Backnang klimaneutral werden soll. Ob das von Oberbürgermeister Maximilian Friedrich im Wahlkampf angepeilte Jahr 2035 realistisch ist, kann Simone Lebherz noch nicht abschätzen, aber sie hält eine ehrgeizige Zielsetzung für wichtig: „Wir müssen Meilensteine definieren. Das hilft uns, die Aufgaben zu strukturieren.“

Die Klimamanagerin ist auf der Suche nach Mitstreitern

Die Position der Klimamanagerin ist als Stabsstelle beim Baudezernenten Stefan Setzer angesiedelt, aber Simone Lebherz will keine Einzelkämpferin sein. In den ersten Wochen nach ihrem Amtsantritt hat sie bereits viele Gespräche innerhalb und außerhalb der Stadtverwaltung geführt. Auch mit ehrenamtlichen Initiativen wie der Gruppe Klimaentscheid Backnang will sie eng zusammenarbeiten. Denn als langjährige Fellbacher Stadträtin weiß sie, dass man in der Kommunalpolitik am meisten erreicht, wenn möglichst viele am selben Strang ziehen.

Weil sie die Erste auf dieser neu geschaffenen Stelle ist, muss Simone Lebherz die nötigen Strukturen allerdings selbst schaffen und Aufbauarbeit leisten. Aber das schreckt sie nicht ab: „Ich mag Pionierarbeit“, sagt sie. Schon in ihren früheren Jobs (siehe Infotext) habe sie gerne neue Dinge angestoßen und zum Beispiel den Fellbacher Tafelladen mit aufgebaut. „Ich denke im Berufsleben gerne in Projekten“, erklärt die 51-Jährige. Wenn die Sache dann laufe, übergebe sie die Arbeit gerne in andere Hände. Ob Simone Lebherz eines Tages auch das Projekt „klimaneutrales Backnang“ als erledigt abhaken kann? Es wäre sicher ihr größter beruflicher Erfolg.

Zur Person

Berufliches Simone Lebherz ist in Waiblingen geboren und in Fellbach-Schmiden aufgewachsen. Sie hat eine kaufmännische Ausbildung und ein berufsbegleitendes Studium „Social Management“ absolviert. 16 Jahre hat sie bei der Siemens AG gearbeitet, unter anderem im kaufmännischen Vertrieb, fünf Jahre war sie mit einem Eventbüro selbstständig. Außerdem war sie als Geschäftsführerin des Fellbacher Tafelladens und als Referentin für Öffentlichkeitsarbeit bei einem kirchlichen Verein tätig. 2016 wechselte sie ins Landratsamt und leitete dort den Fachbereich „Koordination und Flüchtlingsaufnahme“ im Ausländeramt.

Ehrenamt Auch politisch ist Simone Lebherz aktiv. Bereits mit 22 Jahren wurde sie in den Fellbacher Gemeinderat gewählt, dem sie bis heute angehört. Zeitweise war sie dort sogar Vorsitzende der CDU-Fraktion. Im Juni 2021 kam es allerdings zum Bruch: Zusammen mit ihrem Co-Vorsitzenden Jörg Schiller verließ sie Fraktion und Partei. Die beiden bilden seitdem unter dem Namen „Die Stadtmacher“ eine eigene Gruppierung im Gemeinderat.

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Erstellt:
4. November 2022, 06:00 Uhr

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