Prozess um Backnanger Drogendealer: Verteidigung nimmt Anklage auseinander

Im Prozess vor dem Stuttgarter Landgericht gegen zwei Backnanger Drogendealer werden unter anderem die Drogenmengen angezweifelt.

Der Prozess gegen die Drogendealer aus Backnang wird am Landgericht Stuttgart verhandelt Archivfoto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Der Prozess gegen die Drogendealer aus Backnang wird am Landgericht Stuttgart verhandelt Archivfoto: Alexander Becher

Von Heike Rommel

Backnang/Stuttgart. Im Drogenprozess gegen zwei Backnanger vor dem Stuttgarter Landgericht (wir berichteten) hat die Verteidigung in der jüngsten Verhandlung versucht, die Anklage auseinanderzunehmen. Die beiden Angeklagten haben bislang nichts zu den Tatvorwürfen gesagt. Nun monieren die Verteidiger: Erstens seien in den 73 einzelnen Anklagepunkten teilweise die Drogenmengen zu hoch angegeben, zweitens hätten Polizeibeamte die Angeklagten nicht richtig über ihre Rechte belehrt und drittens stelle sich immer noch die Frage, ob Chats aus einer Art Whatsapp für Kriminelle überhaupt vor Gericht verwertbar seien.

Zu ihren mutmaßlichen, kiloschweren Geschäften mit Drogen aller Art im Tatzeitraum von etwa zwei Jahren und einem Erlös von insgesamt über 300000 Euro hatten die beiden Backnanger schon am ersten Verhandlungstag geschwiegen. Von einem Verständigungsgespräch erhoffte sich die vierköpfige neunte Strafkammer unter Vorsitz von Richter Rainer Gless eigentlich Informationen darüber, ob der 40-jährige Landschaftsbauer und der 28-jährige Gastronom Bereitschaft zu Geständnissen zeigen. Stattdessen kam ein Widerspruch auf schlampige Ermittlungen von zu ungenauen Angaben der Drogenmengen, die im Raum Backnang vertickt worden sein sollen, bis hin zu nicht ordnungsgemäß durchgeführten Belehrungen von Beschuldigten über ihre Rechte, bevor die Rauschgiftfahnder in den in den Zeugenstand treten.

Der Angeklagte sei zu spät über seine Rechte informiert worden

Sein Mandant, sagte der Verteidiger des Landschaftsbauers, Christos Psaltiras, sei beispielsweise nach einer Verkehrskontrolle am 4. März vergangenen Jahres im Verdacht auf ein Drogendelikt mit anschließender Durchsuchung seiner Wohnung und seines Lagers in Backnang im Polizeirevier Winnenden erst vier Stunden später über seine Rechte belehrt worden. Sie überprüfe das noch einmal, sagte Staatsanwältin Christine Würthwein. Schließlich hieß es im Polizeiprotokoll, dass ein Polizist schon Marihuana gerochen habe, als die Fahrertüre aufgemacht wurde.

Marihuana, Haschisch, Amphetamin, Ecstasy, Kokain – die Untersuchungsberichte über beschlagnahmte Drogen vom chemisch-technischen Instituts des Landeskriminalamts sind mittlerweile in den Prozess eingeführt. Unter der Prämisse, dass noch eine Entscheidung des europäischen Gerichtshofs über die gerichtliche Verwertbarkeit von Chats aus sogenannten Krypto-Handys aussteht, stellte Rechtsanwalt Psaltiras für den Landschaftsbauer schon einmal Chatverläufe infrage, mit denen dieser Drogengeschäfte vereinbart haben sollen.

Die Drogenmengen seien teilweise zu hoch angegeben

An der umfangreichen Anklage bemängelte der Verteidiger, dass die Drogenmengen teilweise zu hoch angegeben seien, weil es sich nur um geringwertiges Marihuana oder sogar nur um CBD (Cannabidiol) gehandelt habe und dass Mengenangaben zuweilen mit Geldbeträgen verwechselt worden seien wie zum Beispiel 400 Euro statt 400 Gramm. In solchen unkorrekten Einzelpunkten der Anklage habe es sich nicht um Drogen-, sondern um Geldgeschäfte gehandelt. Richter Rainer Gless behielt sich namens der Kammer vor, zu diesen aufgeworfenen Fragen später Stellung zu nehmen und verlas die Untersuchungsberichte des Landeskriminalamts über die eingesandten Asservate, die im zentralen Rauschgiftlager liegen. Es waren dabei: Marihuana mit und ohne CBD, Haschischbrocken, Amphetamin, Ecstasy und Kokain, deren Mengen insgesamt im Kilogrammbereich liegen.

„Ich möchte der Verwertung des Wirkstoffgutachtens widersprechen“, berief sich Christos Psaltiras darauf, dass das LKA-Labor auch den Reinheitsgehalt der Drogen zu hoch bemessen hätte. Der Verteidiger des Backnanger Gastronomen, Olaf Panten, führte ebenfalls Marihuana-Asservate an, die kein THC sondern legal aus Automaten relativ teuer erhältliches CBD enthielten.

So hoffen die Verteidiger im Backnanger Drogenprozess, der am Freitag, ab 9 Uhr mit Polizeibeamten fortgesetzt wird, auf Schmälerung der Anklage und damit auf die Reduzierung der Gewinne, welche die beiden des schweren Drogenhandels Angeschuldigten gemacht haben sollen. Der Landschaftsbauer 198242 Euro und der Gastronom 116790 Euro.

Zum Artikel

Erstellt:
20. Februar 2023, 06:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Lesen Sie jetzt!
Das denken die Bürger über Backnang
Top

Stadt & Kreis

Das denken die Bürger über Backnang

Kommunalwahl 2024 Zum zweiten Mal hat unsere Zeitung eine repräsentative Umfrage durchführen lassen. Fast 1100 Menschen haben mitgemacht. Die Ergebnisse zeigen: Die Verkehrssituation und die Entwicklung der Innenstadt machen den Befragten die größten Sorgen.

In Rudersberg hat ein Wolf zugeschlagen. Symbolfoto: Stock.adobe.com
Top

Stadt & Kreis

Tote Schafe in Rudersberg: Ein Wolf war’s

Ein Institut bestätigt nach einer genetischen Untersuchung einen Wolf als Verursacher der zwei toten Schafe in Rudersberg. Das bedeutet, der Wolf ist nun auch im Rems-Murr-Kreis vertreten – wenn das Tier nicht schon längst weitergezogen ist.