Ratskeller könnte zum Ratssaal werden

Neue Idee für Barrierefreiheit und Brandschutz am Unterweissacher Rathaus – Mittelbaupläne scheitern am Denkmalschutz

Die Gemeinde kann ihre bisherigen Pläne für ein barrierefreies und brandschutzertüchtigtes Rathaus vergessen: Die Idee, die beiden Gebäudeteile mit einem gläsernen Mittelbau zu verbinden, ist bei der Denkmalschutzbehörde durchgefallen. Nun wird ein neuer Gedanke verfolgt: ein Anbau im hinteren Bereich der einstigen Gaststätte.

Hier könnte die Lösung der Probleme liegen: Der Anbau im rückwärtigen Bereich des ehemaligen Gasthauses Lamm ist vom Denkmalschutz nicht betroffen. Damit könnte der Ratskeller, der sich hinter den Mauern im unteren Stockwerk verbirgt, zum Ratssaal erweitert werden. Foto: A. Becher

© Pressefotografie Alexander Beche

Hier könnte die Lösung der Probleme liegen: Der Anbau im rückwärtigen Bereich des ehemaligen Gasthauses Lamm ist vom Denkmalschutz nicht betroffen. Damit könnte der Ratskeller, der sich hinter den Mauern im unteren Stockwerk verbirgt, zum Ratssaal erweitert werden. Foto: A. Becher

Von Armin Fechter

WEISSACH IM TAL. Die Denkmalschutzbehörde besteht darauf, dass die alte Vogtei aus dem Jahr 1612 als Solitärgebäude erhalten bleiben soll. Sie gilt als die Visitenkarte der Gemeinde. Das wurde beim Spitzengespräch mit allen Beteiligten – vom Vorsitzenden der Architektenkammer Matthias Grzimek über Denkmalpfleger Tobias Panke bis hin zum Vertreter des Wirtschaftsministeriums Dr. Edmund Ortwein und zum Landesbehindertenbeauftragten Eberhard Strayle – deutlich zum Ausdruck gebracht. Gleichzeitig wurde die neue Idee geboren, einen Anbau dort zu errichten, wo sich der Ratskeller befindet. An dieser Seite ist außen die alte Mostpresse platziert. Damit ließe sich das größte Problem – der Sitzungssaal – in den Griff bekommen.

Ein heißes Eisen war das Thema Brandschutz schon zu den Zeiten von Bürgermeister Rainer Deuschle, dem Amtsvorgänger von Ian Schölzel. Denn die Maßgaben sind eindeutig: Maximal 30 Personen dürfen sich in dem Saal unterm Dach aufhalten, aus dem es keinen anderen Ausgang als den durchs Treppenhaus gibt. Wenn das Gebäude im Brandfall voller Rauch ist, kann die Rettung nur über eine Leiter erfolgen, die von der Feuerwehr außen angelegt wird – und es kostet Zeit, bis die Leute einzeln in Sicherheit gebracht sind. Daher das Limit von 30 Personen, das auch einem Zeitlimit – 30 Minuten – entspricht.

Diese Personenzahl ist aber bei einer Gemeinderatssitzung ganz schnell erreicht: 18 Ratsmitglieder plus Bürgermeister, Verwaltungsmitarbeiter und externe Experten – da kommen schon an die 25 Personen zusammen. Und weil die Sitzungen in Weissach immer wieder gut besucht sind, wackelt die Vorgabe mitunter beträchtlich. „Solange nichts passiert, will niemand was wissen“, sagt Schölzel. Um potenziellen Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen, wurden Ratssitzungen schon ins nahe Bürgerhaus verlegt. Zudem tagt das Gremium immer wieder in den Teilorten. Sitzungen in Ausweichquartieren sind allerdings, wie der Bürgermeister zu bedenken gibt, immer mit erheblichem Aufwand verbunden.

Hinzu kommt, dass der Saal nicht nur für Gemeinderatssitzungen und allerlei Besprechungen verwendet wird. Er dient vielmehr auch als Trauzimmer – und auch da gilt das Personenlimit.

Das zweite Problem ist der Zugang als solcher: Öffentliche Räume sollen für jedermann erreichbar sein, jeder Person soll Teilhabe ermöglicht werden. Das verlangt schon die Uno in der Behindertenrechtskonvention. Bei Neubauten ist das mittlerweile zu einer Selbstverständlichkeit geworden, ein allgemeiner Standard, der im Prinzip auch für Altbauten gilt. Im Unterweissacher Rathaus aber haben Behinderte und auch Ältere, die nicht mehr so gut zu Fuß sind, schlechte Karten: Es geht über Treppen drei Stockwerke hoch zum Saal. Die Gemeinde will deshalb die Probleme aus der Welt schaffen. Sie hat sich dazu das Sanierungsprogramm Unterweissach III mit seiner attraktiven finanziellen Förderung entsprechend zugeschnitten: Zum einen soll dieses die Revitalisierung der Rombold-Brache und die Neugestaltung der Welzheimer Straße und zum anderen auch den Umbau des Rathauses voranbringen.

„Wir wissen, das ist eine höchst sensible Angelegenheit“, macht Schölzel deutlich – das markante Fachwerkgebäude sei ein Kleinod und habe ortsbildprägenden Charakter. Deshalb hatte der Planer Harald Collin vom Schwaikheimer Büro Schatz und Collin einen sogenannten Mittelbau ins Auge gefasst, in einer Bauweise, bei der die Fassaden weiterhin wahrnehmbar blieben: Zwischen den beiden Gebäudeteilen, der alten Vogtei und dem ehemaligen Lamm würde dabei ein verglaster Baukörper mit Aufzug und neuem Treppenhaus errichtet, um auf diese Weise beide Gebäude zu erschließen und den geforderten zweiten Rettungsweg zu schaffen.

Auch die Alternative mit neuem Treppenhaus hätte ihre Kehrseite

Alternativ überlegte der Planer eine Inhouse-Lösung. Dabei würde im ehemaligen Lamm ein neues Treppenhaus mit Aufzug errichtet. Das wäre aber mit erheblichen Beeinträchtigungen während der Bauzeit verbunden. Überdies müsste der zweite Rettungsweg für den Saal über einen zusätzlichen Steg über dem bestehenden Verbindungssteg geschaffen werden – eine Überlegung, die seitens der Denkmalbehörde nur in sparsamster Ausführung akzeptiert würde.

Der nun geborene, völlig neue Gedanke, den Ratskeller – einen späteren Anbau, der denkmalmäßig nicht betroffen ist – zum Ratssaal zu erweitern, „war bei uns bislang nicht präsent“, gibt Schölzel zu. Immer sei es darum gegangen, den bestehenden Sitzungssaal sicherer und besser zugänglich zu machen.

Nun soll, so Schölzel, zunächst einmal Architekt Collin die neueste Idee untersuchen und die Kosten dem Aufwand für den Mittelbau gegenüberstellen. Das Ganze werde dann sicher auch eine Frage der Gestaltung sein, überlegt Schölzel. Einen Pavillon oder einen „Flachdachbunker“ mag er sich jedenfalls nicht vorstellen: „Das sieht ja nichts gleich.“

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Erstellt:
21. Juni 2018, 06:00 Uhr

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