Rechts, rechter, Burschenschaft? Blume für Vereinsverbote

dpa Stuttgart. Burschenschaften stehen immer wieder als frauenfeindlich, ewig-gestrig und rechtsextrem in der Kritik. Für den Antisemitismusbeauftragten Blume stellt mancher Männerbund eine Gefahr für den Staat dar.

Michael Blume, der Antisemitismusbeauftragter der baden-württembergischen Landesregierung, gestikuliert. Foto: Bernd Weissbrod/dpa/Archivbild

Michael Blume, der Antisemitismusbeauftragter der baden-württembergischen Landesregierung, gestikuliert. Foto: Bernd Weissbrod/dpa/Archivbild

Der Antisemitismus-Beauftragte des Landes, Michael Blume, pocht auf ein bundesweit härteres Vorgehen gegen rechte Burschenschaften. Es müsse geprüft werden, wo Vereinsverbote und Beschlagnahmungen von Wohnraum möglich seien, sagte Blume der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. Völkische und rechtsextreme Burschenschaften seien eine Gefahr - auch aufgrund von Seilschaften, die tief in den Staatsdienst reichen würden. „Wir haben Hinweise darauf, dass Netzwerke von alten Herren im Staatsdienst sich seit Jahrzehnten gegenseitig decken und Vorfälle immer wieder als Einzelfälle verniedlichen statt aufzuklären.“

Blumes Kritik richtet sich vor allem gegen den Dachverband Deutsche Burschenschaft. Dieser sei „rechtsextrem, rassistisch und antisemitisch“. „Ich fordere den Verfassungsschutz auf, endlich diese Organisation zu beobachten und die Netzwerke, die in den Staatsdienst reichen bis hin zu Polizei und Justiz, endlich aufzuklären.“

Aus dem Dachverband traten bereits einige Burschenschaften aus - 2016 gründete sich die Allgemeine Deutsche Burschenschaft (ADB) als neuer Dachverband, der nach eigenen Angaben völkischem Gedankengut entgegentritt. Die Deutsche Burschenschaft als Zusammenschluss von fast 70 Burschenschaften und 4500 Mitgliedern gibt es aber noch immer. Eine Presseanfrage bei dem Verband blieb unbeantwortet.

„Wer heute immer noch zu diesem rechtsextremen Verband hält, der weiß, was er tut“, sagt Blume. „Wenn die Deutsche Burschenschaft in zwei Jahren immer noch kein Beobachtungsobjekt des Bundesverfassungsschutzes ist, wird es auch für mich in den betroffenen Städten schwierig zu erklären, wofür diese zentrale Sicherheitsbehörde eigentlich da ist.“

Zu dem Dachverband gehört auch die Heidelberger Burschenschaft Normannia. Ein mutmaßlich judenfeindlicher Übergriff dort erschütterte vor kurzem die Öffentlichkeit. Ein Gast mit jüdischen Vorfahren soll Ende August bei einer Verbindungsfeier mit Gürteln geschlagen, mit Münzen beworfen und antisemitisch beleidigt worden sein. Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln nun wegen gefährlicher Körperverletzung und Beleidigung gegen mehrere Burschenschafter der Normannia. Den Ermittlern zufolge handelt es sich bei dem Schlagen mit den Gürteln, der sogenannten „Gürtelung“, um ein gängiges Ritual der tatverdächtigen Personen.

Der Altherrenverband, dem die Mitglieder angehören, wenn sie das Studium abgeschlossen haben und im Beruf stehen, distanzierte sich von dem Übergriff. Die Studentengruppe, in der der Vorfall passiert sein soll, sei bereits aufgelöst worden. Für Blume ist die Normannia nicht glaubwürdig. „Hier hat man klar eine nationalsozialistische Traditionslinie bis ins Jahr 2020 im wunderschönen Heidelberg.“

Die Polizei führe die Ermittlungen mit allem Nachdruck, heißt es aus dem Innenministerium. Zweifel an der neutralen Aufklärung des Falles seien nicht angebracht. „Es geht darum, den Sachverhalt lückenlos aufzuklären, und es wird - ohne Ansehen der Person - jedem Verdachtsmoment umfassend nachgegangen“, betont ein Sprecher. Wen das Landesamt für Verfassungsschutz beobachtet, entscheide das Landesamt für Verfassungsschutz unabhängig in eigener Zuständigkeit.

Das Wort Burschenschaft findet sich im Verfassungsschutzbericht des Landes kein einziges Mal. Derzeit werde im Land keine Burschenschaft beobachtet, teilte ein Sprecher der Behörde mit. Allerdings lägen Erkenntnisse vor, dass einzelne Rechtsextremisten zugleich Mitglieder in Burschenschaften seien. Auch gebe es Kontakte zwischen rechtsextremistischen Organisationen und Burschenschaften. So habe die Normannia Verbindungen zur rechtsextremen Identitären Bewegung - und die wird in Deutschland vom Verfassungsschutz beobachtet.

Nach dpa-Informationen haben die Verfassungsschützer zuletzt geplant, die Normannia stärker unter die Lupe zu nehmen. Da die aktive Gruppe der Burschenschaft nach dem Vorfall Ende August aufgelöst worden sei, sei sie nicht mehr richtig zu greifen, heißt es.

Auch dem Bundesamt für Verfassungsschutz liegen derzeit keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass die Deutsche Burschenschaft Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung verfolgt. Aber dem Dachverband gehörten einzelne Burschenschaften an, die von Landesämtern beobachtet würden, teilt die Berliner Behörde mit.

Der Antisemitismusbeauftragte Blume stellt sich nicht gegen jede Burschenschaft. Es gebe neben völkischen und rechtsextremen auch republikanische Traditionen, sagt er. Aber alle Burschenschaften hätten ein strukturelles Problem - „dem sich einige stellen und andere nicht“. Die Vereine sprächen junge Männer an auf der Suche nach Identität, sie lockten mit günstigem Wohnraum und Karrierenetzwerken. „Problematisch sind Rituale der Demütigung“, sagt Blume. „Junge Männer werden Gewaltritualen unterworfen und sollen sie auch bei anderen anwenden. Da entstehen Gemeinschaften mit einem autoritären Männlichkeitsbild und einem völkischen Verständnis von Staatsbürgerschaft.“

„Die Behauptung, Antisemiten und Nazis seien dumm - die hat nie gestimmt“, sagt Blume. Rechte Burschenschaften sind aus seiner Sicht gefährlich - als autoritäre Kaderschmieden für Justiz und Polizei und als Brutstätte rechter Eliten. Blume sagt, in der Auseinandersetzung mit Burschenschaften müsse man endlich verstehen: „Man kann hochgebildeter Akademiker sein und trotzdem Antisemit und Rechtsextremist. Diese Leute wissen, was sie tun. Gerade deren Netzwerke sind gefährlich und untergraben das Vertrauen der Mehrheit in den Staat.“

Nach Überzeugung des SPD-Landtagsabgeordneten Boris Weirauch muss man davon ausgehen, dass etwa die jüngsten Vorfälle bei der Heidelberger Burschenschaft Normannia nur die Spitze des Eisbergs sind. Die personellen Verbindungen zu rechtsradikalen Netzwerken seien fließend und würden innerhalb einiger Burschenschaften seit Jahren offenkundig geduldet oder gar unterstützt. „Damit muss endlich Schluss sein“, teilte der Abgeordnete mit. Weirauch, der Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium des Landtags ist, fordert vom Verfassungsschutz, auffällige Burschenschaften stärker unter die Lupe zu nehmen.

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Erstellt:
25. Oktober 2020, 08:03 Uhr

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