Rems-Murr-Kreis plant 3,7 Millionen Euro für Klimaschutz ein

Der Rems-Murr-Kreis möchte zusammen mit allen Kommunen, Unternehmen und Bürgern noch schneller und intensiver den Kampf gegen die Erderwärmung angehen. Im Handlungsprogramm „Klimaschutz – Miteinander.Handeln.Jetzt.“ sind Projekte für 3,7 Millionen Euro vorgesehen.

Nur die Kreisverwaltung allein schafft es nicht, den Landkreis klimaneutral zu machen. Aber das jetzt gegebene Signal ist eindeutig. Foto: RMK

Nur die Kreisverwaltung allein schafft es nicht, den Landkreis klimaneutral zu machen. Aber das jetzt gegebene Signal ist eindeutig. Foto: RMK

Von Matthias Nothstein

Rems-Murr. Zu sagen, der Rems-Murr-Kreis habe sich den Klimaschutz auf seine Fahnen geschrieben, kann glatt als Untertreibung durchgehen. Schon dreimal hat er in der Vergangenheit ein Handlungsprogramm für den Klimaschutz erarbeitet und vor zwei Jahren sogar den Bundespreis „Klimaaktive Kommune“ damit abgeräumt. Nun steht derzeit die dritte Aktualisierung des Programms an, das den Titel „Klimaschutz – Miteinander.Handeln.Jetzt.“ trägt. Schon vor einer Woche wurden dessen Inhalte dem Umwelt- und Verkehrsausschuss des Kreistags vorgestellt, gestern nun hat auch der Verwaltungs-, Schul- und Kulturausschuss diese dritte Fortschreibung des Klimaschutz-Handlungsprogramms für den Zeitraum 2023 bis 2026 zur Kenntnis genommen und Mitte November soll das Programm im Kreistag abgesegnet werden.

Es hat ein Volumen von über 3,7 Millionen Euro für die nächsten vier Jahre und enthält 35 Maßnahmen wie etwa den Ausbau des ÖPNV, den Ausbau der Radwege, Investitionen in neue Wege in der Abfallwirtschaft oder eine Task Force Erneuerbare Energien. Die Maßnahmen sind in folgende Kategorien unterteilt: Ausbau der Erneuerbaren Energien, Energieeffizienz, Klimakommunikation, Klimaneutralität, Ernährungs- und Landnutzungswende, Mobilität, Umweltbildung & Aktionen, Wärmewende.

Vor der Aussprache im VSK-Ausschuss listete Felicia Wurster von der Kreisverwaltung all die Bausteine auf, die bereits gelegt worden sind, um die Kreisverwaltung bis 2030 klimaneutral zu machen. Und obwohl die Bilanz beeindruckend umfangreich ausfiel, lautete das Fazit: „Das reicht nicht aus, Klimaschutz benötigt das Engagement aller Akteure.“ Als neues Ziel wurde ausgegeben, den gesamten Landkreis bis 2035, spätestens aber bis 2040 klimaneutral umzubauen. Also nicht nur die Landkreisverwaltung und die Tochtergesellschaften wie etwa die Kreisbaugruppe, die Abfallwirtschaft oder die Rems-Murr-Kliniken, sondern in der Tat den gesamten Landkreis mit all seinen Bürgern, Kommunen und Unternehmen. Ein hehres und sehr ehrgeiziges Ziel.

„Herr Landrat, warum tun Sie sich das an?“

Kein Wunder also, dass Anne Kowatsch (Grüne) die Planung als „grandios“ bezeichnete. Doch es gab auch Kritiker. So blickte Jürgen Hestler (SPD) viel differenzierter auf das Werk: „Als ich die über 60-seitige Lektüre des Programms beendet hatte, war ich beeindruckt, angetan und skeptisch zugleich.“ Beeindruckt, weil er jede der 35 Maßnahmen unterstreichen könne. Allerdings erinnerte er schnippisch an eine Studie, die vor 50 Jahren bereits dieselben Ziele aufgelistet hatte. Und er sagte, dass nicht alle Probleme mit dem Klimawandel zu tun hätten. Hochwasserschäden gebe es beispielsweise auch deshalb, weil man die Talauen bebaut habe.

Ihm wäre es daher lieber gewesen, die Überschrift hätte gelautet: „Ein nachhaltiger Rems-Murr-Kreis.“ Im Gegensatz zu Kowatsch war er skeptisch, was die Klimaneutralität bis 2035 angeht. Und er fragte Landrat Richard Sigel: „Herr Landrat, warum tun Sie sich das an? In 13 Jahren stehen Sie wie die aktuelle Landesregierung beim Thema Windkraft mit heruntergelassenen Hosen da und müssen erklären, warum Sie 2022 den Mund so voll genommen haben.“ Klimaneutraler Landkreis würde per Definition bedeuten, dass dann im Landkreis nichts mehr produziert werde, was dem Klimahaushalt schade. Die Zielvorgabe des Landkreises ist aus Sicht Hestlers „kontraproduktiv und gefährlich“.

„Es muss uns gelingen, die Menschen mit ins Boot zu holen“

Aufs Gas drückte Andreas Hesky (FW), der den Titel des Programms „Miteinander. Handeln, Jetzt.“ gerne in „Alles gut. Mut. Machen.“ umgewandelt hätte. Als gut bezeichnete er den Vorsatz, alle Bürger erreichen zu wollen: „Es muss uns gelingen, die Menschen mit ins Boot zu holen, denn die brauchen wir.“ Als mutig bezeichnete er die Forderung, dass ein Kreis bis 2040 klimaneutral sein soll: „Eine demokratische Legitimation sehe ich nicht für dieses Ziel. Ich hoffe, dass wir das Ziel erreichen, aber es ist nicht einklagbar.“ Er appellierte, sich nicht in Diskussionen zu verheddern, ob man zu wenig oder zu viel mache. Hesky: „Machen! Loslegen ist das Wichtigste. Weil jeder Tag, der verstreicht, ein verlorener Tag ist.“

Zwar trug auch Armin Mößner (CDU) das Programm mit, aber er kam nicht umhin, etwas Wasser in den Wein zu schütten als er erklärte, es gebe in dem Programm viele gute Projekte, aber volkswirtschaftlich würden letztendlich nur Investitionen in den Klimaschutz den Kreis auf seinem Weg zum Ziel voranbringen. Aus Sicht von Ulrich Lenk (FDP/FW) ist es erfreulich, dass sich der Kreis auch solch anspruchsvolle Ziele setzt. Er drückte ebenfalls aufs Tempo: „Wir sollten nicht zu viel Zeit verschwenden, ob und wie wir die Ziele erreichen, sondern wir sollten uns auf den Weg machen.“ Der Ansatz, alle Bürger mitzunehmen, gefiel ihm. Aber: „Unsere Fraktion ist der Ansicht, dass wir die Ziele weniger erreichen durch Anordnungen, sondern mit Überzeugung. Und wir müssen Anreize schaffen, damit sich die Bürger selber auf den Weg machen.“

Das Umdenken setzt erst aufgrund des Ukrainekriegs ein

Leicht desillusioniert gab sich Willy Härtner (Grüne). Er kämpfe 30 Jahre für den Klimaschutz, aber die Gesellschaft sei nicht arg viel weitergekommen. Nun freute er sich, dass nicht nur das Geld im Vordergrund stehe, sondern dass jetzt auch andere Überlegungen wie etwa die Versorgungssicherheit eine Rolle spielen würden. Klaus Harald Kelemen (SPD) ging ebenfalls auf die verlorenen Jahre ein: „30 Jahre lang konnten wir die Gesellschaft nicht motivieren, es ist uns nicht gelungen.“ Als Beispiel nannte er die Fotovoltaik-Technologie. Bis 2021 habe es 2,2 Millionen Solaranlagen auf den deutschen Dächern gegeben. Und das Potenzial? „Es könnten 8,8 Millionen sein.“ Im Hinblick auf den Ukrainekrieg sagte er: „Es musste erst eine so fürchterlich schlimme Situation eintreten, bevor sich weite Kreise der Bevölkerung bewegen und sich für ein Umdenken gewinnen lassen.“

Wie Härtner betonte auch Maximilian Friedrich (FW) die Versorgungssicherheit: „Wir müssen den Klimaschutz wegen der geänderten Rahmenbedingungen seit dem 24. Februar in doppelter Funktion sehen, nicht nur als Betrag gegen den Temperaturanstieg, sondern auch als Baustein der Versorgungssicherheit.“ Deshalb sei es absolut richtig und wichtig, zusammen mit den Kommunen, Unternehmen und Privatpersonen weitere Schritte zu gehen. „Jede Kilowattstunde Strom, die wir hier vor Ort erzeugen, sei es mit Solarenergie oder Windkraft, die bleibt in unserem heimischen Wirtschaftskreislauf. Der Erlös fließt weder nach Katar oder in eine andere Abhängigkeit, in die wir uns begeben.“

Die Krise als Chance

Friedrich sah in der Krise auch eine Chance: „Ja, wir hätten vieles schon früher tun können. Aber jetzt haben wir den breiten gesellschaftlichen Konsens, den sollten wir nutzen. Es besteht eine reelle Chance, dass wir stärker aus dieser Krise herausgehen als wir reingegangen sind.“

Und auch Landrat Sigel gab noch eine Antwort, warum er sich das sehr ambitionierte Ziel antue: „Es ist wichtig, dass wir uns zu diesem Ziel bekennen. Dann geht davon ein Signal aus, dass wir alle einen Zahn zulegen müssen. Richtig, es ist nur ein Signal. Aber es soll viele ansprechen und begeistern. Wir alleine können es nicht. Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht, aber alleine können das Klima nicht schützen.“

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Erstellt:
27. September 2022, 06:00 Uhr

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