Defizit der Krankenkassen
Riesiges Finanzloch
Laut einer Berechnung der Unternehmensberatung Deloitte droht den Kassen eine Kostenspirale. Die Reformen der Regierung würden daran nichts grundlegend ändern.

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Medizinische Behandlungen werden teurer.
Von dpa
Auf die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) in Deutschland kommen nach Berechnungen der Unternehmensberatung Deloitte schnell wachsende Defizite in zwei- bis dreistelliger Milliardenhöhe zu. Daran ändern nach Einschätzung der Berater auch die bislang von der Bundesregierung angedachten Sparmaßnahmen nichts. Ohne schnelle und tiefgreifende Reformen könnte sich das Einnahmedefizit der GKV im Jahr 2030 demnach bereits auf eine Summe von 89 bis 98 Milliarden Euro belaufen. Der Sozialverband Deutschland forderte höhere Steuerzuschüsse, um das Finanzloch zu stopfen.
Allein in der ersten Hälfte dieses Jahres sind die Ausgaben der gesetzlichen Kassen demnach weit überdurchschnittlich um 7,8 Prozent gestiegen. Für die unmittelbare Zukunft rechnen die Autoren der Studie damit, dass die Kassen ihre Zusatzbeiträge im kommenden Jahr um 0,4 Prozentpunkte auf 2,9 Prozent erhöhen müssen. Ohne Zusatzbeiträge würde sich das Finanzloch der gesetzlichen Kassen im nächsten Jahr laut Deloitte-Berechnung auf 56 Milliarden Euro vergrößern. Langfristig sind die Aussichten für das Gesundheitswesen demnach noch viel düsterer: Auch wenn die Bundesregierung neben sämtlichen im Koalitionsvertrag angekündigten Maßnahmen weitere Einsparungen beschließen sollte, könnte sich die finanzielle Unterdeckung der gesetzlichen Krankenversicherung im Jahr 2050 laut Deloitte bereits auf einen geschätzten Betrag zwischen gut 140 und über 300 Milliarden Euro belaufen.
Die Gründe sind laut der Studie einerseits eine Überalterung der Bevölkerung und die sinkende Zahl der aktiven Arbeitnehmer. Die Kosten wiederum werden der Studie zufolge nicht nur steigen, weil ältere Menschen häufiger krank sind, sondern auch, weil der medizinische Fortschritt teuer ist und neue Medikamente und Behandlungsmethoden viel Geld verschlingen. Als Beispiele nennen die Gesundheitsfachleute des Unternehmens Gen- und Zelltherapien sowie Medikamente gegen Nervenkrankheiten oder Übergewicht.
Die Autoren bringen eine ganze Reihe möglicher Gegenmaßnahmen ins Gespräch, um die Kostenspirale in den Griff zu bekommen. Dazu zählen neben Sparmaßnahmen und Einnahmeverbesserungen im Gesundheitswesen selbst auch eine höhere Besteuerung ungesunder Lebensmittel, höhere Eigenbeteiligung der Bevölkerung an den Gesundheitskosten und Steuervorteile für einen gesunden Lebensstil.
Der Sozialverband Deutschland nannte die Berechnungen besorgniserregend. Statt aber immer nur Kürzungs- und Einsparungsdebatten zu führen, sollte zunächst der Bund endlich die Unterfinanzierung beenden und versicherungsfremde Leistungen aus Steuermitteln bezahlen, sagte die Verbandsvorsitzende Michaela Engelmeier.
Die Einnahmebasis müsse verbessert und die Versicherung solidarischer ausgestaltet werden. Nötig sei eine Bürgerversicherung, in die alle einzahlen, forderte Engelmeier mit Blick auf die private Krankenversicherung. Zuletzt hatten sich Forderungen gemehrt, statt kleiner und mittlerer Einkommen Vermögende stärker an der Bewältigung staatlicher Aufgaben zu beteiligen.