Rinderhalter im Raum Backnang steht in der Kritik

Weil die Tiere zu wenig Platz haben und ganzjährig angebunden sind, hat die Tierrechtsorganisation Peta Anzeige gegen einen Landwirt im Raum Backnang eingereicht. Das Veterinäramt ist dem nachgegangen und bestätigt die Vorwürfe teilweise.

Die Dokumentationsbilder von Peta zeigen, dass die Verhältnisse für die Rinder in besagtem Betrieb im Raum Backnang sehr beengt sind. Dies bestätigt auch das Veterinäramt. Allerdings sei der Betreiber bereits daran, hier Abhilfe zu schaffen. Foto: Peta Deutschland e.V.

© PETA Deutschland e.V.

Die Dokumentationsbilder von Peta zeigen, dass die Verhältnisse für die Rinder in besagtem Betrieb im Raum Backnang sehr beengt sind. Dies bestätigt auch das Veterinäramt. Allerdings sei der Betreiber bereits daran, hier Abhilfe zu schaffen. Foto: Peta Deutschland e.V.

Von Lorena Greppo

Rems-Murr. Die Tierrechtsorganisation Peta hat gegen einen landwirtschaftlichen Betrieb im Raum Backnang Strafanzeige erstattet. Nach Informationen unserer Zeitung handelt es sich um einen Betrieb in Auenwald. Der Vorwurf: Im Kuhstall herrschten dort unhaltbare Zustände. Der Platz reiche für die Anzahl der gehaltenen Tiere nicht aus, der Stall sei alt und entspreche nicht den Anforderungen an tiergerechte Haltung und darüber hinaus müssten die Rinder im Dreck leben. Das sollen Fotos belegen, die Peta aus dem Betrieb vorlegt. Ein Dorn im Auge ist der Tierrechtsorganisation die Anbindehaltung, welche in besagtem Betrieb praktiziert wird. „Dieses mittelalterliche Haltungssystem ist körperliche und auch seelische Folter“, so Scarlett Treml, Fachreferentin für Tiere in der Agrarindustrie bei Peta Deutschland. Insgesamt hat Peta 26 Betriebe in Süddeutschland angezeigt, sieben davon in Baden-Württemberg.

Der Betrieb werde vom Veterinäramt regelmäßig kontrolliert, heißt es vom Landratsamt. Auch auf die Anzeige von Peta hin sei man den Vorwürfen noch einmal gesondert nachgegangen. „Vorweg möchte ich betonen, dass die ganzjährige Anbindehaltung die normalen Verhaltensformen und auch das Sozialverhalten von Rindern erheblich einschränkt. Sie ist deshalb nicht mehr zeitgemäß“, erklärt Veterinäramtsleiter Thomas Pfisterer. „Die Anbindehaltung von Milchkühen verstößt derzeit als Haltungsform aber gegen kein geltendes Recht und kann deswegen auch grundsätzlich nicht verboten werden.“ Voraussichtlich ab dem Jahr 2030 will der Bund die ganzjährige Anbindehaltung von Kühen aber reglementieren (siehe Infotext). Genauere Details sind aber noch nicht bekannt. „Das heißt, auch danach wird eine zeitweise Anbindehaltung von Milchkühen weiterhin erlaubt sein“, ergänzt Pfisterer.

Veterinäramt erachtet eine Schließung des Betriebs für nicht erforderlich

Was die sonstigen angezeigten Mängel in besagtem Betrieb angeht, so hat auch das Veterinäramt festgestellt, dass zu viele Tiere auf dichtem Raum gehalten werden. Deswegen wurde ein Verwaltungsverfahren eingeleitet. Der Betreiber wurde aufgefordert, die strukturellen Mängel zu beseitigen, was dieser auch tun will. „Konkret sollen Anfang des Jahres neue Ställe ausgebaut werden, um damit mehr Platz für die Tiere zu schaffen“, teilt das Landratsamt mit.

Diese baulichen Maßnahmen sollen bis Ende Januar 2023 umgesetzt werden. Bei Nichterfüllung werden weitere verwaltungsrechtliche Maßnahmen eingeleitet, heißt es. Auch haben die Kontrolleure angemerkt, dass, wie Peta bemängelt hatte, keine Gummimatten und keine Einstreu in den Ställen vorzufinden waren. „Das hat aber nicht zu physischen Schäden bei den Tieren geführt.“ Trotzdem empfehle das Veterinäramt deren Nutzung. „Schwerwiegende tierschutzrechtliche Verstöße wie beispielsweise Schäden im Halsbereich wurden auch nach erfolgter Anzeige von Peta nicht festgestellt.“ Deshalb und weil sich der Betreiber kooperativ gezeigt hat, wird eine Schließung des Betriebs vonseiten des Amtes als nicht erforderlich erachtet.

Pläne zum Umbau und zur Erweiterung gebe es schon länger

Ein Bekannter des Betreibers des angezeigten Betriebs, der seinen Namen aber nicht in der Zeitung lesen will, nimmt den Landwirt in Schutz. „Er kümmert sich um die Tiere“, weiß er. Ja, die Haltungsform sei nicht zeitgemäß. Und ja, den Tieren sei mehr Platz zu wünschen. Der Bekannte verweist aber auch auf die Zwänge, welchen Landwirte unterliegen. „Viele zeigen da gerne vorschnell mit dem Finger auf andere. Dabei kennen sie die Hintergründe nicht.“ So würde der Landwirt unter Druck gesetzt, seinen Betrieb zu vergrößern, dann winken ihm auch Zuschüsse. Pläne zum Umbau und zur Erweiterung um eine Auslauffläche habe dieser schon länger, doch habe es Bedenken gegeben, wenn der Hof in zu exponierter Lage erweitert würde. Zudem sei so ein Umbau auch kostenintensiv, das könne man sich nicht einfach so leisten. „Wer das nicht schon vor 20 Jahren gemacht hat, hat die Entwicklung verschlafen“, urteilt der Bekannte.

Die Gesellschaft wolle inzwischen eine andere Art der Tierhaltung. „Aber von der Politik wurde bislang nichts getan, um die Anbindehaltung zu verbieten.“ Seine Kritik gehe daher weniger in Richtung der einzelnen Landwirte, die ihr Bestes täten, damit die Tiere es gut haben, sondern an die Landwirtschaftspolitik. Peta nimmt in dieser Sache eine andere Haltung ein. „Ein sofortiges Verbot dieser Form der Rinderhaltung ist allerdings nur die mindeste Maßnahme. Denn auch andere Formen, wie etwa die Laufstallhaltung, verursachen nachweislich enormes Tierleid und müssen abgeschafft werden“, so Treml. Die Organisation ruft gar zum Milchboykott auf.

Ein bundesweites Verbot der Anbindehaltung ist in Planung

Praktik Bei der Anbindehaltung sind Rinder am Hals an einem Platz angebunden, wodurch sich ihre Bewegungsfreiheit auf das Hinlegen und Aufstehen begrenzt.

Verbreitung Laut Landwirtschaftszählung des Statistischen Bundesamts wurden im Jahr 2020 in Deutschland 11,5 Millionen Rinder gehalten, zirka zehn Prozent davon in Anbindehaltung, wovon 48 Prozent ganzjährig angebunden waren. In Baden-Württemberg betrifft diese Haltungsform (Stand 2020) etwa 17 Prozent der Milchkühe und elf Prozent der übrigen Rinder. Im Rems-Murr-Kreis wiesen im Jahr 2019 insgesamt 46 Prozent der Milchkuhbestände eine ganzjährige Anbindehaltung auf. Hier handelt es sich in der Regel um kleine Bestandsgrößen.

Verbotspläne Die Ampelkoalition plant bis 2030 ein Verbot der Anbindehaltung. Auf Anfrage des BR hieß es beim Bundeslandwirtschaftsministerium: „Die dauerhafte Anbindehaltung schränkt die wesentlichen arteigenen Verhaltensweisen von Rindern erheblich ein und muss aus tierschutzfachlicher Sicht auslaufen.“ Ziel sei es, so das Ministerium, „vollständig aus dieser Haltungsform auszusteigen“. Aktuell informieren das Landwirtschafts- und das Veterinäramt die betroffenen Landwirte im Rems-Murr-Kreis aufgrund der zu erwartenden bundesrechtlichen Regelungen darüber, welche Optionen zur Verbesserung des Tierwohles in Milchkuhhaltungen mit ganzjähriger Anbindung bestehen, so das Landratsamt. Sofern Umbauten oder Weidehaltungen nicht möglich sind, können bestehende Anbindehaltungen tierwohlgerechter gestaltet werden, beispielsweise durch Einstreu, Gummiauflagen und baulich-technische Verbesserungen.

Urteil Bei der Kontrolle eines landwirtschaftlichen Betriebs im Kreis Borken in Nordrhein-Westfalen im Mai 2018 stellte das Veterinäramt fest, dass dieser seine Kühe das gesamte Jahr über in Anbindehaltung ohne Auslauf unterbringt. Gegen die darauffolgende Anordnung, welche die ganzjährige Anbindehaltung untersagte, klagte der Landwirt. In seinem Urteil vom 3. Februar 2022 bestätigte das Verwaltungsgericht (VG) Münster die Rechtmäßigkeit der Anordnung des Veterinäramts, wonach der Landwirt seinen Rindern wenigstens vom 1. Juni bis zum 30. September täglich mindestens zwei Stunden Auslauf gewähren muss. „Das Urteil aus Münster zeigt, dass sich Veterinärämter auf Expertengutachten auch aus anderen Bundesländern berufen können, die auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen“, meint die Landestierschutzbeauftragte Julia Stubenbord. Das habe auch Bedeutung für baden-württembergische Veterinärämter, um künftig bei ganzjähriger Anbindehaltung ein Mindestmaß an Freilauf einzufordern.

Zum Artikel

Erstellt:
17. Dezember 2022, 06:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Lesen Sie jetzt!
Im Café „Base – on the river“ an den Murrtreppen in Backnang weist ein Schild die Gäste auf das Cannabisverbot hin. Foto: Alexander Becher
Top

Stadt & Kreis

Backnang will Kiffen auf dem Straßenfest verbieten

Die Stadtverwaltung in Backnang plant, das Rauchen von Cannabis auf dem Straßenfest zu untersagen. Auch andernorts wird das Kiffen trotz Teillegalisierung verboten bleiben, beispielsweise in Freibädern. Viele Gastrobetreiber wollen keine Joints in ihren Außenbereichen.

Stadt & Kreis

Saskia Esken stellt sich wütenden Fragen in Weissach im Tal

Die Bundesvorsitzende der SPD nimmt auf Einladung des Ortsvereins Weissacher Tal auf dem Roten Stuhl Platz. Die Besucherinnen und Besucher diskutieren mit ihr über die Themen Wohnungsbau, Ukrainekrieg, Verkehr und die Politik der Ampelkoalition.

Stadt & Kreis

Murrhardter Pflegeheim setzt auf ausländisches Personal

Der Fachkräftemangel belastet die Pflegeheime. Das Haus Hohenstein in Murrhardt setzt mit Blick auf die schwierige Lage auch auf Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die aus Nicht-EU-Ländern kommen und (nach-)qualifiziert werden. Zwei Pflegefachkräfte aus der Türkei berichten von ihrem Weg.