Inzidenz steigt auf 35,0 - Diskussion um weitere Kriterien

dpa Berlin. Die Corona-Zahlen steigen deutschlandweit. Derweil verabschieden sich immer mehr Bundesländer von der Inzidenz als zentralem Richtwert.

Eine Helferin testet Insassen eines Autos im „Testzentrum am Zoo“ in Hannover. Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Eine Helferin testet Insassen eines Autos im „Testzentrum am Zoo“ in Hannover. Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Die Zahl der Corona-Neuinfektionen in Deutschand steigt weiter. Nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) vom Sonntagmorgen lag die Sieben-Tage-Inzidenz bei 35,0 - am Vortag hatte der Wert 32,7 betragen, vor einer Woche 22,6.

Die Gesundheitsämter in Deutschland meldeten dem RKI binnen eines Tages 4728 Neuinfektionen. Vor einer Woche waren es 3127 gewesen.

Allerdings wollen sich bei der Bewertung der Corona-Lage immer weniger Bundesländer ausschließlich an den reinen Inzidenzwerten orientieren. In einer Umfrage der Deutschen Presse-Agentur kündigten neben Baden-Württemberg und Niedersachsen zahlreiche weitere Landesregierungen an, künftig weitere Kriterien heranzuziehen.

Noch keine Verständigung auf neue Parameter

Die Sieben-Tage-Inzidenz, also die Zahl der Neuinfektionen pro
100.000 Einwohnern binnen sieben Tagen, war in der Pandemie bisher Grundlage für viele Corona-Einschränkungen, etwa bei der Ende Juni ausgelaufenen Bundesnotbremse. Bei der Ministerpräsidentenkonferenz gab es am vergangenen Dienstag aber keine Verständigung auf gemeinsame, neue Parameter, die als Grundlage für neue Maßnahmen dienen könnten.

Tags darauf entschied Baden-Württemberg, die Sieben-Tage-Inzidenz aus der Corona-Verordnung des Landes zu streichen. Damit dürfen von diesem Montag an unabhängig von der Entwicklung der Infektionen alle Menschen am gesellschaftlichen Leben teilnehmen, wenn sie geimpft, genesen oder getestet sind. Niedersachsen kündigte ebenfalls an, neben der Inzidenz weitere Kriterien in seine Corona-Verordnung aufzunehmen, etwa die Auslastung der Krankenhäuser.

„Klar ist, dass es neben der Inzidenz auch einen Blick in die Kontaktnachverfolgung und die Situation in den Krankenhäusern geben wird“, heißt es nun etwa aus dem Bremer Gesundheitsressort. Ob und welche neuen Warnstufen sich daraus ergeben, sei allerdings „noch nicht final geklärt“. Die Zahl der Corona-Patienten in den Kliniken scheint als zusätzliches Entscheidungskriterium weitgehend unstrittig zu sein.

Situation in NRW verschlechtert sich

Insbesondere im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen verschlechtert sich derzeit die Situation auf den Intensivstationen. Insgesamt werden deutschlandweit 237 Covid-Patienten invasiv beatmet - 66 davon allein in NRW. Das geht aus Zahlen des Divi-Intensivregisters hervor (Stand: 15.8. 11.01 Uhr). Auf Platz zwei liegt Bayern (28 Fälle), gefolgt von Baden-Württemberg (25 Fälle).

Der Anteil der vollständig gegen Corona geimpften Erwachsenen in Deutschland könnte einer Umfrage zufolge auf mehr als 80 Prozent steigen. In der repräsentativen Befragung des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur sagten 75 Prozent, dass sie schon mindestens einmal geimpft seien. Weitere 6 Prozent gaben an, sich noch impfen lassen zu wollen - zusammen sind das 81 Prozent. Noch im Mai lag diese Quote in einer vergleichbaren Umfrage nur bei 74 Prozent. Kurz vor Beginn der Impfkampagne im Dezember 2020 hatten sich erst 65 Prozent für eine Impfung entschieden.

Doch mehr Menschen geimpft?

Inzwischen gibt es Hinweise darauf, dass womöglich mehr Menschen gegen Corona geimpft sein könnten als offiziell gemeldet. So hatten RKI und Gesundheitsministerium am Mittwoch mitgeteilt, dass zwischen zwei Quellen erstmals eine größere Differenz bemerkt worden sei. Demnach fiel in einer RKI-Umfrage von Ende Juni bis Mitte Juli unter rund 1000 Erwachsenen die Quote der mindestens einmal Geimpften „um einiges höher“ aus als im amtlichen digitalen Meldesystem für Impfzentren, Praxen und Betriebsärzte - besonders bei 18- bis 59-Jährigen: Während in der Umfrage 79 Prozent angaben, geimpft zu sein, waren es laut Meldesystem 59 Prozent.

Die deutschen Kinderärzte haben an die Ständige Impfkommission (Stiko) appelliert, in der Debatte über eine allgemeine Corona-Impfempfehlung für Zwölf- bis 17-Jährige auch die psychosozialen Probleme dieser Altersgruppe in den Blick zu nehmen. „Die Stiko orientiert sich allein am individuellen Nutzen einer Impfung im Verhältnis zur Gefährlichkeit einer Erkrankung“, sagte der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin, Thomas Fischbach, den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Sonntag). „Da sind Kollateralschäden bei der psychosozialen Entwicklung der Kinder und Jugendlichen nicht berücksichtigt.“

Die Europäische Arzneimittelbehörde EMA hat die Impfstoffe von Biontech und Moderna bereits ab 12 Jahren zugelassen. In Deutschland empfiehlt die Stiko Impfungen von Kindern und Jugendlichen aber bisher trotz politischen Drucks nicht allgemein, sondern nur bei höherem Risiko für schwerere Corona-Verläufe. Laut Fischbach ist in Deutschland bislang rund eine Million der 4,5 Millionen Kinder und Jugendlichen geimpft. Nach Informationen der Funke-Zeitungen wird für Mitte der Woche eine überarbeitete Stiko-Empfehlung für die Corona-Impfungen für Kinder und Jugendliche ab 12 Jahren erwartet.

© dpa-infocom, dpa:210815-99-846746/4

Zum Artikel

Erstellt:
15. August 2021, 08:29 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen