Sanitäter unterstützen die Herzsportgruppe Backnang

Weil die Teilnehmenden chronisch herzkrank sind, dürfen sie den Gruppensport nur im Beisein eines Arzts ausüben. Da es immer schwieriger wurde, Ärzte für den wöchentlichen Sportkurs zu finden, helfen nun Rettungssanitäter des DRK aus – mit leichten Startschwierigkeiten.

Ist kein medizinischer Betreuer vor Ort, muss es ruhig zugehen bei der Herzsportgruppe der TSG Backnang. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Ist kein medizinischer Betreuer vor Ort, muss es ruhig zugehen bei der Herzsportgruppe der TSG Backnang. Foto: Alexander Becher

Von Kristin Doberer

Backnang. Mit langsamen, sich immer wiederholenden Mustern bewegen die Männer und Frauen der Herzsportgruppe ihre Hände – mal vor dem Körper kreisend, mal langsam hin- und herwedelnd. Qigong, die chinesische Sportart, bei der Konzentration und Entspannung im Vordergrund stehen, ist eigentlich nicht unbedingt das Programm bei der Gruppe. Denn eigentlich sind die rund 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Herzsportgruppe hier, um sich sportlich zu betätigen – zumindest in dem Maß, in dem es ihr Herz zulässt. Am vergangenen Donnerstag allerdings müssen sie es deutlich ruhiger angehen lassen als sonst. Und deutlich ruhiger, als so manchen lieb ist. „Für mich ist das nichts“, murmelt zum Beispiel ein Teilnehmer, nachdem er den meditativen Sport, der im Stehen ausgeübt wird, kurz ausprobiert hat – und verabschiedet sich.

Das ruhige Programm an diesem Donnerstag ist spontan als Alternativangebot einer Übungsleiterin entstanden. Denn der Rettungssanitäter, der eigentlich an diesem Tag die medizinische Betreuung übernehmen sollte, ist nicht aufgetaucht. Und solange keine medizinische Betreuung vor Ort ist, ist Sport, der die vorbelasteten Herzen der Teilnehmenden zu sehr belasten könnte, unter diesen Umständen keine Option. „Es muss eigentlich immer ein Arzt dabei sein“, sagt Alfred Wurst, Abteilungsleiter der Herzsportgruppe der TSG Backnang 1846. Denn die Mitglieder haben allesamt chronische Herzerkrankungen wie zum Beispiel Herzrhythmusstörungen, Herzklappenfehler oder Herzschwäche.

Ausgebildete Sanitäter des Backnanger DRK dürfen nun auch aushelfen

Im vergangenen Jahr allerdings gab es einen kleinen Schock für die Organisatoren bei der TSG. Denn der ärztliche Berater Günther Ulfert, der sich um die Termineinteilung der anwesenden Ärzte kümmert, teilte mit, dass sich wohl nicht für jeden Donnerstag ein Arzt finden lässt, selbst wenn er selbst weiterhin häufig einspringt. „Früher hatten wir einen recht umfangreichen Ärztepool, jetzt sind es nur noch sechs. Damit kriegen wir nicht alle Termine besetzt“, sagt Claudia Krimmer, Vorsitzende der TSG.

Die Backnanger Herzsportgruppe ist mit dem Problem nicht allein. Deutschlandweit wurde die Vorgabe, dass ständig ein Arzt anwesend sein muss, zu einer Herausforderung für die Vereine. Seit Anfang 2022 ist eine neue Rahmenvereinbarung über den Rehabilitationssport in Kraft. Herzsportgruppen können seitdem ohne die ständige persönliche Anwesenheit der verantwortlichen Herzsportgruppenärzte durchgeführt werden – allerdings muss stattdessen für eine Absicherung gesorgt sein.

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In Backnang helfen die Rettungssanitäter des Deutschen Roten Kreuzes seit Anfang des Jahres nun aus. „Sonst hätten wir sicher einige Ausfälle“, sagt Abteilungsleiter Alfred Wurst. „Ein verantwortungsvoller Rettungssanitäter kann das auch leisten“, ist sich Ulfert sicher. Zu den Aufgaben gehört nämlich, eine mögliche Gefahr zu erkennen und im Notfall schnell die notwendigen Schritte einzuleiten – von der Alarmierung eines Notarzts bis hin zur Reanimation. Das komme aber zum Glück nur extrem selten vor, sagt Alfred Wurst. Vielmehr gebe es mal Stürze oder eine Ohnmacht, zum Beispiel bei neuer Medikamenteneinstellung. Ganz ohne die Ärzte geht es aber nicht. Denn mindestens alle sechs Wochen muss einer da sein, unter anderem, um neue Betroffene aufzunehmen. Denn für die Einteilung in die unterschiedlichen Leistungsgruppen (siehe Infotext) muss sich der betreuende Arzt mit der Diagnose und vor allem einem aktuellen Belastungs-EKG auseinandersetzen. Ohne dieses erste Beratungsgespräch mit dem Arzt darf man nicht teilnehmen. Auch kann es sein, dass der Arzt eine frühere Einteilung evaluieren muss, wenn sich der Gesundheitszustand und die Belastbarkeit von Teilnehmenden verändern.

Ärzte für die Gruppe zu finden, war schon immer nicht ganz einfach

Es sei nie leicht gewesen, Ärzte aus Backnang und der Umgebung für die Betreuung der Gruppe zu gewinnen, berichtet der medizinische Berater der Gruppe, Günther Ulfert. Zum einen sei da die allgemeine Entwicklung, dass in Backnang Ärzte fehlen, ein Umstand, der sich angesichts des hohen Altersdurchschnitts der Ärzte in den nächsten Jahren wohl noch verschlimmern wird (wir berichteten). Aber es gibt noch weitere Gründe dafür, dass es schwierig ist, Ärzte für die Herzsportgruppe zu begeistern. Zwar gibt es einen gewissen finanziellen Ausgleich, doch letztlich bleibe es ein ehrenamtlicher Einsatz, sagt Ulfert. Das sei bei vielen nur schwer mit dem Alltag vereinbar. „Wir haben ja ohnehin schon einen recht langen Arbeitstag“, betont Ulfert und verweist darauf, dass gerade einige in Backnang angestellte Ärzte von außerhalb kommen und dann nachts teils noch lange Wege hinter sich bringen müssen. Dazu komme, dass im Alltag der Mediziner auch so schon nur wenig Zeit für Familie und Freizeit bleibe, was allerdings besonders bei den Jüngeren deutlich mehr an Priorität gewinne.

Auch wenn der Verein nun froh ist, durch die Unterstützung des DRK eine Lösung gefunden zu haben, sieht Krimmer die Entwicklung kritisch. Schließlich handele es sich um ein wichtiges Angebot für die Betroffenen. Zum einen können sie durch den Rehasport ihre Fitness erhalten beziehungsweise sogar steigern – und das mit genau auf ihre Leistungen angepassten Übungen. Aber nicht nur der sportliche Aspekt ist wichtig. „Die Gruppe ist extrem wichtig, auch aus sozialen Gründen“, sagt Günther Ulfert. Denn die Mitglieder sitzen mit ihrer Erkrankung quasi alle im gleichen Boot. Das Miteinander und die gegenseitige Unterstützung seien mindestens ebenso wichtig, berichtet der Arzt. Bei den Erkrankungen handle es sich schließlich oft um lebensverändernde und tief einschneidende Entwicklungen für die Betroffenen. Wer das nicht selbst erlebt habe, der könne das kaum nachvollziehen. Die Betroffenen stimmen zu. „Es bilden sich auch Freundschaften“, sagt Abteilungsleiter Alfred Wurst.

Dass am vergangenen Donnerstag nun improvisiert werden musste, weil der eigentlich eingeteilte Rettungssanitäter nicht vor Ort war, „das lag an einer mangelnden Absprache“, erklärt Krimmer später. Dabei habe es sich um leichte Startschwierigkeiten bei der Kommunikation gehandelt, schließlich sollte es erst das zweite Mal sein, dass ein Sanitäter unterstützt. „Qigong als Alternativangebot ist auch ohne medizinische Betreuung erlaubt, erfordert aber die Qualifikation des Übungsleiters“, freut sich Krimmer trotz der Kommunikationsschwierigkeiten über die „hervorragend ausgebildeten Übungsleiter.“

Die Herzsportgruppe der TSG Backnang

Herzsport Herzsport ist eine Form des Rehabilitationssports, der als ergänzende Leistung zur medizinischen Rehabilitation gesetzlich verankert ist. Für den Rehasport ausgebildete Übungsleiter bringen an die Leistungen angepasste Übungen für die Teilnehmenden mit, von Stabilitäts- über Kraft- bis Ausdauertraining.

Gruppen Die Besucherinnen und Besucher der Herzsportgruppe werden je nach Leistung ihres Herz-Kreislauf-Systems eingeteilt. Die Einteilung erfolgt nach dem aktuellen Belastungs-EKG in drei Leistungsgruppen: Gruppe 1 von 50 bis 74 Watt, Gruppe 2 von 75 bis 99 Watt und Gruppe 3 ab 100 Watt und darüber.

Trainingszeiten Übungsabende der HSG finden jeden Donnerstag von 19.45 bis 21.35 Uhr in der Mörike-Sporthalle in Backnang statt.

Infos Weitere Informationen zur Herzsportgruppe gibt es online unter www.tsg1846.de/abteilungen/herzsport.php.

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Erstellt:
22. März 2024, 11:00 Uhr

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