Schluss mit den Klischees zum Weindorf!
Henkelglas, Trollinger mit Lemberger und ein überaltertes Schunkelpublikum: Über das Weindorf herrschen immer noch falsche Vorstellungen, obwohl längst alles ganz anderes ist.
Von Kathrin Haasis
Stuttgart - Die Kollegin war sich ihrer Sache bei der Besprechung ziemlich sicher: Das Stuttgarter Weindorf sei doch eine verstaubte Sache, eine Veranstaltung aus einer vergangenen Epoche. Schwäbelndes Volkstum auf einem rustikalen Fest. Was uns einmal mehr beweist: Nichts hält sich hartnäckiger als ein lausiges Vorurteil! Es hat sich vielmehr auch dieses Jahr wieder gezeigt, dass der Wandel in vollem Gange ist. Daher muss dringend mit ein paar Klischees über das Stuttgarter Weindorf aufgeräumt werden.
Es gibt nur Trollinger mit Lemberger?
Trollinger mit Lemberger muss man auf den Weinkarten mit der Lupe suchen – und findet keinen. Es gibt sehr viele verschiedene Weine aus vielen Rebsorten. Das Weindorf ist zu einem Aushängeschild des Württemberger Weins geworden. Immer mehr Winzer betreiben dort eigene Lauben, in diesem Jahr kamen die Eschers aus Schwaikheim dazu, das Weinfactum, das Weingut der Stadt Stuttgart sowie die Weingüter Diehl, Zaiß, Beurer und Bauerle sind ebenfalls dabei. Übrigens wird nicht nur Württemberger Wein ausgeschenkt: Bei der Laube am Marktbrunnen werden zum Beispiel Badener Tropfen kredenzt – von Franz Keller der Spätburgunder GG Schlossberg, die Flasche für 189 Euro, oder Bernhard Hubers Spätburgunder GG Alte Burg (0,75 l für 179 Euro). Die Schwaben schmoren längst nicht mehr im eigenen Saft!
Das Fest ist verstaubt und überaltert?
Das kann nur behaupten, wer schon lange nicht mehr dort gewesen ist. Denn Weintrinken ist längst nicht mehr die Sache alter Herren. In Lauben wie von der Weinhandlung Wein-Moment ist der Altersdurchschnitt jünger als bei manchem Konzert in der Schleyerhalle. Während in Inge’s Laube nebenan und in der Zaißerei noch musiziert und geschunkelt wird, sitzt die neue Generation Weindorf-Besucher bei Wein-Moment oder den neuen Wirten von Zom Rädle unter Lichterketten und in modernem Ambiente. Eschers locken mit Wein und Ginstr ebenso die junge Szene wie ein Adrian Beurer, der noch zur Studentengeneration gehört.
Hier sind die Schwaben unter sich?
Siehe „Das Fest ist überaltert“. In Stuttgart sind die schwäbelnden Menschen längst in der Unterzahl, beim jungen Volk ist der Dialekt häufig kaum mehr zu erkennen. Und wenn? Auch gut. Denn das Weindorf steht für Offenheit. Längst treiben sich dort auch Touristen rum, die im gebrochenen Deutsch nach der Toilette fahnden. Den Wein finden sie auch ohne Sprachkenntnisse.
Weil Champagner verboten ist, gibt’s nichts Sprudelndes?
Dazu kann man in die Geschichte eintauchen: Schwaben waren schon immer weltoffen und der gute Herr Keßler arbeitete einst bei der Veuve Cliquot bevor er in Esslingen Sekt produzierte, der Name Bollinger geht auf einen Schwaben zurück. Heute braucht es aber nicht nur deshalb keinen Champagner, weil die Winzer längst nicht mehr nur einfachen Winzersekt produzieren, sondern sich einiges in Frankreich abgeschaut haben. Matthias Aldinger etwa sorgte mit seinem Brut nature für großes Aufsehen. Andere Winzer folgten diesem Beispiel: Auf dem Weindorf machen die Pinot bruts vom Weingut Wöhrwag für 65 Euro oder vom Weingut Idler richtig Champagner-Laune.
Auf dem Weindorf gibt’s nur Wein?
Diese Zeiten sind vorbei. Denn in heutigen Zeiten wäre dies schlicht geschäftsschädigend. Aperol hat längst in die Lauben Einzug gehalten, bei Schmückers Ox wird mit regionalem Winzersekt daraus ein Sprizzerle. Bei Schillers Mitte gibt es den Schillini mit Pfirsich (9,50 Euro) und Sekt sowie einen Wein Slushy Frosé. Die Spelunkerei bietet Rhabarber Spritz an. Und beim Verzicht auf Alkohol bestimmt das Apfelschorle längst nicht mehr das Bild. Hier schenken die Wirte Abwechslung mit lustigen Limonaden oder Säften aus. Alkoholfreien Wein gibt es ebenfalls, denn mit einem Sparkling Rosé lässt sich besser anstoßen als mit saurem Sprudel.
Zu Essen gibt’s nur deftige Schwabenkost?
Weil der Rostbraten vom Wagyurind auf dem Fest das am heißesten diskutierte Thema ist, dürfte dieses Klischee vollends aus der Welt geräumt sein. Die Vorgabe, dass es regionale Produkte sein sollen, muss kein Schaden sein. Ganz im Gegenteil! Und Schwaben essen tatsächlich noch andere Dinge als Linsen mit Spätzle und Saitenwürstle. Bei den Trautweins von der Linde zum Beispiel bunte Tomaten-Bowl mit Burrata, Fischknusperle im Lieblingsplatz und Pastrami-Sandwich bei Zom Rädle. Aber natürlich darf man Saure Nierle dem Tourist nicht vorenthalten.
Auf dem Weindorf ist es immer voll?
Das findet sich natürlich bestätigt. Wer am Samstagabend glaubt, er findet mit einer Gruppe von sieben Personen noch einen Tisch. Dass es dann voll ist, ist kein Klischee, sondern bei nahezu jedem Fest in der Region der Fall. Wer damit Probleme hat, sollte einfach an einem anderen Tag aufs Weindorf gehen. An einem Montagabend findet man selbst bei schönstem Wetter ein Plätzchen.
Das Henkelglas hält sich hartnäckig?
Das wohl hartnäckigste Gerücht übers Weindorf will nicht weichen, obwohl das berühmt-berüchtigte Henkelglas längst ausgemustert wurde. Bereits im Jahr 2012 erklärten die Veranstalter, dass auf den Tischen der Wirte künftig lieber Weingläser mit Stiel stehen sollen. Vor Augen in solchen Momenten hat der Mensch dann immer den Kopf des Kenners vom einstigen Werbeslogan, der nur Württemberger trinkt. Liebe Kollegin: Diese Zeiten sind vorbei. Das Henkelglas scheint allerdings schon wieder Retro zu sein, man kann es jedenfalls als Souvenir in der Stäffeles-Laube von Michael Wilhelmer kaufen.
Stuttgart - Die Kollegin war sich ihrer Sache bei der Besprechung ziemlich sicher: Das Stuttgarter Weindorf sei doch eine verstaubte Sache, eine Veranstaltung aus einer vergangenen Epoche. Schwäbelndes Volkstum auf einem rustikalen Fest. Was uns einmal mehr beweist: Nichts, aber auch gar nichts hält sich hartnäckiger als ein lausiges Vorurteil! Es hat sich vielmehr auch dieses Jahr wieder gezeigt, dass der Wandel in vollem Gange ist. Deshalb muss an dieser Stelle dringend mit ein paar Klischees über das Stuttgarter Weindorf aufgeräumt werden.
Trollinger mit Lemberger muss man auf den Weinkarten mit der Lupe suchen – und findet keinen. Es gibt sehr viele verschiedene Weine aus vielen Rebsorten. Das Weindorf ist tatsächlich zu einem Aushängeschild des Württemberger Weins geworden. Man kann sich fröhlich durchprobieren, sehr gute Qualitäten testen. Immer mehr Winzer betreiben eigene Lauben auf dem Weindorf, in diesem Jahr kamen die Eschers aus Schwaikheim dazu, das Weinfactum, das Weingut der Stadt Stuttgart sowie die Weingüter Beurer und Bauerle sind ebenfalls dabei. Übrigens wird nicht nur Württemberger Wein ausgeschenkt: Bei der Laube am Marktbrunnen werden zum Beispiel Badener Tropfen kredenzt – von Franz Keller der Spätburgunder GG Schlossberg, die Flasche für 189 Euro, oder Bernhard Hubers Spätburgunder GG Alte Burg (0,75 l für 179 Euro). Die Schwaben schmoren längst nicht mehr im eigenen Saft!
Völliger Quatsch. Denn erstens produzieren auch die Weingärtnergenossenschaften in der ganzen Region erstklassige Tropfen, zeigen wie etwa das Weinfactum aus Bad Cannstatt voller Selbstbewusstsein auf dem Weindorf, was für gute Weine sie inzwischen erzeugen. Zweitens geht der Trend immer mehr dahin, dass Winzer (früher durften sie nur als Wengerter bezeichnet werden!) sich auf dem Weindorf präsentieren. Escher, Beurer, Bauerle, Zaiß oder Diehl sogar mit eigenen Lauben. Früher waren die Besucher tatsächlich froh, wenn sie einen ordentlichen Wein gefunden haben. Heute überfordert sie die große Auswahl.
Das wiederum kann nur behaupten, wer schon lange nicht mehr dort war. Denn Weintrinken ist längst nicht mehr die Sache von alten Herren. In Lauben wie von der Weinhandlung Weinmoment ist der Altersdurchschnitt sicher jünger als bei manchem Konzert in der Schleyerhalle. Während in Inge’s Laube nebenan und in der Zaißerei noch musiziert und geschunkelt wird, sitzt die neue Generation der Weindorf-Besucher bei Wein-Moment oder den neuen Wirten von Zom Rädle unter Lichterketten und in modernem Ambiente. Eschers mit Wein und Ginstr locken ebenso die junge Szene wie ein Adrian Beurer, der noch zur Studentengeneration gehört.
Siehe „Das Fest ist überaltert“. In Stuttgart sind die schwäbelnden Menschen längst in der Unterzahl, beim jungen Volk ist der Dialekt häufig kaum mehr zu erkennen. Und wenn? Auch gut. Denn das Weindorf steht für Offenheit, längst treiben sich dort auch Touristen rum, die im gebrochenen Deutsch nach der Toilette fahnden. Den Wein finden sie auch ohne Sprachkenntnisse von ganz allein.
Dazu muss man wirklich nicht in die Geschichte eintauchen: Schwaben waren schließlich schon immer weltoffen und der gute Herr Keßler arbeitete einst bei der Veuve Cliquot bevor er in Esslingen Sekt produzierte, der Name Bollinger geht auf einen Schwaben zurück. Heute braucht es aber nicht nur deshalb keinen Champagner, weil die Winzer längst nicht mehr nur einfachen Winzersekt produzieren, sondern sich einiges in Frankreich abgeschaut haben. Matthias Aldinger etwa sorgte mit seinem Brut nature für großes Aufsehen, weil er sehr aufwändig einen Sekt abfüllte, der es in einigen Blindproben locker mit Champagner aufnehmen konnte. Andere Winzer folgten diesem Beispiel: Auf dem Weindorf machen die Pinot bruts vom Weingut Wöhrwag für 65 Euro oder vom Weingut Idler richtig gute Champagner-Laune.
Diese Zeiten sind vorbei. Denn in heutigen Zeiten wäre dies schlicht geschäftsschädigend. Aperol hat längst in die Lauben Einzug gehalten, bei Schmückers Ox wird mit regionalem Winzersekt daraus ein Sprizzerle. Bei Schillers Mitte gibt es den Schillini mit Pfirsich (9,50 Euro) und Sekt sowie einen Wein Slushy Frosé. Die Spelunkerei hat den Rhabarber Spritz auf der Karte. Und beim Verzicht auf Alkohol bestimmt das Apfelschorle längst nicht mehr das Bild, hier geben sich die Wirte ernsthaft Mühe, etwas Abwechslung ins Glas zu bringen mit lustigen Limonaden oder Säften. Alkoholfreier Wein ist ebenfalls im Angebot, denn mit einem Sparkling Rosé lässt sich viel besser anstoßen als mit einem saure Sprudel.
Weil der Rostbraten vom Wagyurind auf dem ganzen Fest das am meisten diskutierte Thema ist, dürfte dieses Klischee vollends aus der Welt geräumt sein. Aber diese preisliche Spitze allein ist es nicht, auch bei den anderen Wirten tummelt sich längst eine große Vielfalt auf den Tellern. Die Vorgabe, dass es regionale Produkte sein sollen, muss kein Schaden sein. Ganz im Gegenteil! Und Schwaben essen tatsächlich noch andere Dinge als Linsen mit Spätzle und Saitenwurst. Bei den Trautweins von der Linde zum Beispiel bunte Tomaten-Bowl mit Burrata, Fischknusperle im Lieblingsplatz und Pastrami-Sandwich bei Zom Rädle. Aber natürlich darf man Saure Nierle dem Tourist nicht vorenthalten.
Da findet sich natürlich bestätigt, wer am Samstagabend um 19 Uhr glaubt, er findet mit einer kleinen Gruppe von sieben Personen noch locker einen Tisch. Dass es Samstagabend voll ist, ist kein Klischee, sondern bei nahezu jedem Fest in der Region der Fall. Wer mit der schwäbischen Drucketse, wie das so schön heißt, Probleme hat, sollte einfach an einem anderen Tag aufs Weindorf gehen. Der Wein schmeckt nicht nur samstags ganz wunderbar. Und an einem Montagabend findet man selbst bei schönstem Wetter ein schönes Plätzchen.
Diesem Vorwurf könnte man fast zustimmen. Allerdings könnte man in diesem Fall auch eine grundsätzliche Diskussion beginnen. Denn in den vergangenen Jahren ist so ziemlich alles teuer geworden. Die Butter im Supermarkt. Der Hausbau. Der Besuch im Restaurant. Damit muss man das Weindorf vergleichen, was natürlich nicht geht, weil es auch hier die verschiedensten Ansprüche gibt. Wie auf dem Weindorf. Dort kann man sehr viel Geld ausgeben, man kriegt aber auch für wenig Geld einen gehaltvollen Gaisburger Marsch. Bei Inge’s Laube gibt es ein Glas Sekt für 2,50 Euro – so lange das Werbeschild dafür auf der Gasse steht.
Das wohl hartnäckigste Gerücht übers Stuttgarter Weindorf will nicht weichen, obwohl das berühmt-berüchtigte Henkelglas längst ausgemustert wurde. Bereits im Jahr 2012 erklärten die Veranstalter, dass auf den Tischen der Wirte künftig lieber Weingläser mit Stiel stehen sollen. Den Henkelgläsern mangele es an Eleganz, lautete das Argument. Vor Augen in solchen Momenten hat der Mensch dann immer den Kopf des Kenners, der nur Württemberger trinkt, vom einstigen Werbeslogan, den feisten Trollingertrinker, der gerne acht Viertele schlürft. Liebe Kollegin: Die Zeiten sind vorbei. Das Henkelglas scheint allerdings schon wieder Retro zu sein, man kann es jedenfalls als Souvenir in der Stäffeles-Laube von Michael Wilhelmer kaufen.
Die Kollegin war sich ihrer Sache bei der Besprechung ziemlich sicher: Das Stuttgarter Weindorf sei doch eine verstaubte Sache, eine Veranstaltung aus einer vergangenen Epoche. Schwäbelndes Volkstum auf einem rustikalen Fest. Was uns einmal mehr beweist: Nichts, aber auch gar nichts hält sich hartnäckiger als ein lausiges Vorurteil! Es hat sich vielmehr auch dieses Jahr wieder gezeigt, dass der Wandel in vollem Gange ist. Deshalb muss an dieser Stelle dringend mit ein paar Klischees über das Stuttgarter Weindorf aufgeräumt werden.
Trollinger mit Lemberger muss man auf den Weinkarten mit der Lupe suchen – und findet keinen. Es gibt sehr viele verschiedene Weine aus vielen Rebsorten. Das Weindorf ist tatsächlich zu einem Aushängeschild des Württemberger Weins geworden. Man kann sich fröhlich durchprobieren, sehr gute Qualitäten testen. Immer mehr Winzer betreiben eigene Lauben auf dem Weindorf, in diesem Jahr kamen die Eschers aus Schwaikheim dazu, das Weinfactum, das Weingut der Stadt Stuttgart sowie die Weingüter Beurer und Bauerle sind ebenfalls dabei. Übrigens wird nicht nur Württemberger Wein ausgeschenkt: Bei der Laube am Marktbrunnen werden zum Beispiel Badener Tropfen kredenzt – von Franz Keller der Spätburgunder GG Schlossberg, die Flasche für 189 Euro, oder Bernhard Hubers Spätburgunder GG Alte Burg (0,75 l für 179 Euro). Die Schwaben schmoren längst nicht mehr im eigenen Saft!
Völliger Quatsch. Denn erstens produzieren auch die Weingärtnergenossenschaften in der ganzen Region erstklassige Tropfen, zeigen wie etwa das Weinfactum aus Bad Cannstatt voller Selbstbewusstsein auf dem Weindorf, was für gute Weine sie inzwischen erzeugen. Zweitens geht der Trend immer mehr dahin, dass Winzer (früher durften sie nur als Wengerter bezeichnet werden!) sich auf dem Weindorf präsentieren. Escher, Beurer, Bauerle, Zaiß oder Diehl sogar mit eigenen Lauben. Früher waren die Besucher tatsächlich froh, wenn sie einen ordentlichen Wein gefunden haben. Heute überfordert sie die große Auswahl.
Das wiederum kann nur behaupten, wer schon lange nicht mehr dort war. Denn Weintrinken ist längst nicht mehr die Sache von alten Herren. In Lauben wie von der Weinhandlung Weinmoment ist der Altersdurchschnitt sicher jünger als bei manchem Konzert in der Schleyerhalle. Während in Inge’s Laube nebenan und in der Zaißerei noch musiziert und geschunkelt wird, sitzt die neue Generation der Weindorf-Besucher bei Wein-Moment oder den neuen Wirten von Zom Rädle unter Lichterketten und in modernem Ambiente. Eschers mit Wein und Ginstr locken ebenso die junge Szene wie ein Adrian Beurer, der noch zur Studentengeneration gehört.
Siehe „Das Fest ist überaltert“. In Stuttgart sind die schwäbelnden Menschen längst in der Unterzahl, beim jungen Volk ist der Dialekt häufig kaum mehr zu erkennen. Und wenn? Auch gut. Denn das Weindorf steht für Offenheit, längst treiben sich dort auch Touristen rum, die im gebrochenen Deutsch nach der Toilette fahnden. Den Wein finden sie auch ohne Sprachkenntnisse von ganz allein.
Dazu muss man wirklich nicht in die Geschichte eintauchen: Schwaben waren schließlich schon immer weltoffen und der gute Herr Keßler arbeitete einst bei der Veuve Cliquot bevor er in Esslingen Sekt produzierte, der Name Bollinger geht auf einen Schwaben zurück. Heute braucht es aber nicht nur deshalb keinen Champagner, weil die Winzer längst nicht mehr nur einfachen Winzersekt produzieren, sondern sich einiges in Frankreich abgeschaut haben. Matthias Aldinger etwa sorgte mit seinem Brut nature für großes Aufsehen, weil er sehr aufwändig einen Sekt abfüllte, der es in einigen Blindproben locker mit Champagner aufnehmen konnte. Andere Winzer folgten diesem Beispiel: Auf dem Weindorf machen die Pinot bruts vom Weingut Wöhrwag für 65 Euro oder vom Weingut Idler richtig gute Champagner-Laune.
Diese Zeiten sind vorbei. Denn in heutigen Zeiten wäre dies schlicht geschäftsschädigend. Aperol hat längst in die Lauben Einzug gehalten, bei Schmückers Ox wird mit regionalem Winzersekt daraus ein Sprizzerle. Bei Schillers Mitte gibt es den Schillini mit Pfirsich (9,50 Euro) und Sekt sowie einen Wein Slushy Frosé. Die Spelunkerei hat den Rhabarber Spritz auf der Karte. Und beim Verzicht auf Alkohol bestimmt das Apfelschorle längst nicht mehr das Bild, hier geben sich die Wirte ernsthaft Mühe, etwas Abwechslung ins Glas zu bringen mit lustigen Limonaden oder Säften. Alkoholfreier Wein ist ebenfalls im Angebot, denn mit einem Sparkling Rosé lässt sich viel besser anstoßen als mit einem saure Sprudel.
Weil der Rostbraten vom Wagyurind auf dem ganzen Fest das am meisten diskutierte Thema ist, dürfte dieses Klischee vollends aus der Welt geräumt sein. Aber diese preisliche Spitze allein ist es nicht, auch bei den anderen Wirten tummelt sich längst eine große Vielfalt auf den Tellern. Die Vorgabe, dass es regionale Produkte sein sollen, muss kein Schaden sein. Ganz im Gegenteil! Und Schwaben essen tatsächlich noch andere Dinge als Linsen mit Spätzle und Saitenwurst. Bei den Trautweins von der Linde zum Beispiel bunte Tomaten-Bowl mit Burrata, Fischknusperle im Lieblingsplatz und Pastrami-Sandwich bei Zom Rädle. Aber natürlich darf man Saure Nierle dem Tourist nicht vorenthalten.
Da findet sich natürlich bestätigt, wer am Samstagabend um 19 Uhr glaubt, er findet mit einer kleinen Gruppe von sieben Personen noch locker einen Tisch. Dass es Samstagabend voll ist, ist kein Klischee, sondern bei nahezu jedem Fest in der Region der Fall. Wer mit der schwäbischen Drucketse, wie das so schön heißt, Probleme hat, sollte einfach an einem anderen Tag aufs Weindorf gehen. Der Wein schmeckt nicht nur samstags ganz wunderbar. Und an einem Montagabend findet man selbst bei schönstem Wetter ein schönes Plätzchen.
Diesem Vorwurf könnte man fast zustimmen. Allerdings könnte man in diesem Fall auch eine grundsätzliche Diskussion beginnen. Denn in den vergangenen Jahren ist so ziemlich alles teuer geworden. Die Butter im Supermarkt. Der Hausbau. Der Besuch im Restaurant. Damit muss man das Weindorf vergleichen, was natürlich nicht geht, weil es auch hier die verschiedensten Ansprüche gibt. Wie auf dem Weindorf. Dort kann man sehr viel Geld ausgeben, man kriegt aber auch für wenig Geld einen gehaltvollen Gaisburger Marsch. Bei Inge’s Laube gibt es ein Glas Sekt für 2,50 Euro – so lange das Werbeschild dafür auf der Gasse steht.
Das wohl hartnäckigste Gerücht übers Stuttgarter Weindorf will nicht weichen, obwohl das berühmt-berüchtigte Henkelglas längst ausgemustert wurde. Bereits im Jahr 2012 erklärten die Veranstalter, dass auf den Tischen der Wirte künftig lieber Weingläser mit Stiel stehen sollen. Den Henkelgläsern mangele es an Eleganz, lautete das Argument. Vor Augen in solchen Momenten hat der Mensch dann immer den Kopf des Kenners, der nur Württemberger trinkt, vom einstigen Werbeslogan, den feisten Trollingertrinker, der gerne acht Viertele schlürft. Liebe Kollegin: Die Zeiten sind vorbei. Das Henkelglas scheint allerdings schon wieder Retro zu sein, man kann es jedenfalls als Souvenir in der Stäffeles-Laube von Michael Wilhelmer kaufen.
Die Kollegin war sich ihrer Sache bei der Besprechung ziemlich sicher: Das Stuttgarter Weindorf sei doch eine verstaubte Sache, eine Veranstaltung aus einer vergangenen Epoche. Schwäbelndes Volkstum auf einem rustikalen Fest. Was uns einmal mehr beweist: Nichts, aber auch gar nichts hält sich hartnäckiger als ein lausiges Vorurteil! Es hat sich vielmehr auch dieses Jahr wieder gezeigt, dass der Wandel in vollem Gange ist. Deshalb muss an dieser Stelle dringend mit ein paar Klischees über das Stuttgarter Weindorf aufgeräumt werden.
Trollinger mit Lemberger muss man auf den Weinkarten mit der Lupe suchen – und findet keinen. Es gibt sehr viele verschiedene Weine aus vielen Rebsorten. Das Weindorf ist tatsächlich zu einem Aushängeschild des Württemberger Weins geworden. Man kann sich fröhlich durchprobieren, sehr gute Qualitäten testen. Immer mehr Winzer betreiben eigene Lauben auf dem Weindorf, in diesem Jahr kamen die Eschers aus Schwaikheim dazu, das Weinfactum, das Weingut der Stadt Stuttgart sowie die Weingüter Beurer und Bauerle sind ebenfalls dabei. Übrigens wird nicht nur Württemberger Wein ausgeschenkt: Bei der Laube am Marktbrunnen werden zum Beispiel Badener Tropfen kredenzt – von Franz Keller der Spätburgunder GG Schlossberg, die Flasche für 189 Euro, oder Bernhard Hubers Spätburgunder GG Alte Burg (0,75 l für 179 Euro). Die Schwaben schmoren längst nicht mehr im eigenen Saft!
Völliger Quatsch. Denn erstens produzieren auch die Weingärtnergenossenschaften in der ganzen Region erstklassige Tropfen, zeigen wie etwa das Weinfactum aus Bad Cannstatt voller Selbstbewusstsein auf dem Weindorf, was für gute Weine sie inzwischen erzeugen. Zweitens geht der Trend immer mehr dahin, dass Winzer (früher durften sie nur als Wengerter bezeichnet werden!) sich auf dem Weindorf präsentieren. Escher, Beurer, Bauerle, Zaiß oder Diehl sogar mit eigenen Lauben. Früher waren die Besucher tatsächlich froh, wenn sie einen ordentlichen Wein gefunden haben. Heute überfordert sie die große Auswahl.
Das wiederum kann nur behaupten, wer schon lange nicht mehr dort war. Denn Weintrinken ist längst nicht mehr die Sache von alten Herren. In Lauben wie von der Weinhandlung Weinmoment ist der Altersdurchschnitt sicher jünger als bei manchem Konzert in der Schleyerhalle. Während in Inge’s Laube nebenan und in der Zaißerei noch musiziert und geschunkelt wird, sitzt die neue Generation der Weindorf-Besucher bei Wein-Moment oder den neuen Wirten von Zom Rädle unter Lichterketten und in modernem Ambiente. Eschers mit Wein und Ginstr locken ebenso die junge Szene wie ein Adrian Beurer, der noch zur Studentengeneration gehört.
Siehe „Das Fest ist überaltert“. In Stuttgart sind die schwäbelnden Menschen längst in der Unterzahl, beim jungen Volk ist der Dialekt häufig kaum mehr zu erkennen. Und wenn? Auch gut. Denn das Weindorf steht für Offenheit, längst treiben sich dort auch Touristen rum, die im gebrochenen Deutsch nach der Toilette fahnden. Den Wein finden sie auch ohne Sprachkenntnisse von ganz allein.
Dazu muss man wirklich nicht in die Geschichte eintauchen: Schwaben waren schließlich schon immer weltoffen und der gute Herr Keßler arbeitete einst bei der Veuve Cliquot bevor er in Esslingen Sekt produzierte, der Name Bollinger geht auf einen Schwaben zurück. Heute braucht es aber nicht nur deshalb keinen Champagner, weil die Winzer längst nicht mehr nur einfachen Winzersekt produzieren, sondern sich einiges in Frankreich abgeschaut haben. Matthias Aldinger etwa sorgte mit seinem Brut nature für großes Aufsehen, weil er sehr aufwändig einen Sekt abfüllte, der es in einigen Blindproben locker mit Champagner aufnehmen konnte. Andere Winzer folgten diesem Beispiel: Auf dem Weindorf machen die Pinot bruts vom Weingut Wöhrwag für 65 Euro oder vom Weingut Idler richtig gute Champagner-Laune.
Diese Zeiten sind vorbei. Denn in heutigen Zeiten wäre dies schlicht geschäftsschädigend. Aperol hat längst in die Lauben Einzug gehalten, bei Schmückers Ox wird mit regionalem Winzersekt daraus ein Sprizzerle. Bei Schillers Mitte gibt es den Schillini mit Pfirsich (9,50 Euro) und Sekt sowie einen Wein Slushy Frosé. Die Spelunkerei hat den Rhabarber Spritz auf der Karte. Und beim Verzicht auf Alkohol bestimmt das Apfelschorle längst nicht mehr das Bild, hier geben sich die Wirte ernsthaft Mühe, etwas Abwechslung ins Glas zu bringen mit lustigen Limonaden oder Säften. Alkoholfreier Wein ist ebenfalls im Angebot, denn mit einem Sparkling Rosé lässt sich viel besser anstoßen als mit einem saure Sprudel.
Weil der Rostbraten vom Wagyurind auf dem ganzen Fest das am meisten diskutierte Thema ist, dürfte dieses Klischee vollends aus der Welt geräumt sein. Aber diese preisliche Spitze allein ist es nicht, auch bei den anderen Wirten tummelt sich längst eine große Vielfalt auf den Tellern. Die Vorgabe, dass es regionale Produkte sein sollen, muss kein Schaden sein. Ganz im Gegenteil! Und Schwaben essen tatsächlich noch andere Dinge als Linsen mit Spätzle und Saitenwurst. Bei den Trautweins von der Linde zum Beispiel bunte Tomaten-Bowl mit Burrata, Fischknusperle im Lieblingsplatz und Pastrami-Sandwich bei Zom Rädle. Aber natürlich darf man Saure Nierle dem Tourist nicht vorenthalten.
Da findet sich natürlich bestätigt, wer am Samstagabend um 19 Uhr glaubt, er findet mit einer kleinen Gruppe von sieben Personen noch locker einen Tisch. Dass es Samstagabend voll ist, ist kein Klischee, sondern bei nahezu jedem Fest in der Region der Fall. Wer mit der schwäbischen Drucketse, wie das so schön heißt, Probleme hat, sollte einfach an einem anderen Tag aufs Weindorf gehen. Der Wein schmeckt nicht nur samstags ganz wunderbar. Und an einem Montagabend findet man selbst bei schönstem Wetter ein schönes Plätzchen.
Diesem Vorwurf könnte man fast zustimmen. Allerdings könnte man in diesem Fall auch eine grundsätzliche Diskussion beginnen. Denn in den vergangenen Jahren ist so ziemlich alles teuer geworden. Die Butter im Supermarkt. Der Hausbau. Der Besuch im Restaurant. Damit muss man das Weindorf vergleichen, was natürlich nicht geht, weil es auch hier die verschiedensten Ansprüche gibt. Wie auf dem Weindorf. Dort kann man sehr viel Geld ausgeben, man kriegt aber auch für wenig Geld einen gehaltvollen Gaisburger Marsch. Bei Inge’s Laube gibt es ein Glas Sekt für 2,50 Euro – so lange das Werbeschild dafür auf der Gasse steht.
Das wohl hartnäckigste Gerücht übers Stuttgarter Weindorf will nicht weichen, obwohl das berühmt-berüchtigte Henkelglas längst ausgemustert wurde. Bereits im Jahr 2012 erklärten die Veranstalter, dass auf den Tischen der Wirte künftig lieber Weingläser mit Stiel stehen sollen. Den Henkelgläsern mangele es an Eleganz, lautete das Argument. Vor Augen in solchen Momenten hat der Mensch dann immer den Kopf des Kenners, der nur Württemberger trinkt, vom einstigen Werbeslogan, den feisten Trollingertrinker, der gerne acht Viertele schlürft. Liebe Kollegin: Die Zeiten sind vorbei. Das Henkelglas scheint allerdings schon wieder Retro zu sein, man kann es jedenfalls als Souvenir in der Stäffeles-Laube von Michael Wilhelmer kaufen.