Schmutzig ist das neue Schwarz

Bianca Walf hat vor zehn Monaten ihr erstes Kind bekommen – Zum Muttertag erklärt unsere Redakteurin, was sich verändert hat

„Wenn das Baby erst mal da ist, wird alles anders“, diesen Satz muss sich wohl jede werdende Mutter im Laufe ihrer Schwangerschaft ein paar Mal anhören. Sie lächelt, sie nickt, was Mama zu sein aber wirklich bedeutet, kann sie noch nicht ermessen. BKZ-Redakteurin Bianca Walf feiert in diesem Jahr ihren allerersten Muttertag und blickt auf zehn Dinge in ihrem Leben, die sich in den ersten Monaten mit Baby verändert haben.

Seit zehn Monaten zeigt die kleine Paulina ihrer Mama genau, wo es langgeht. So manches, was vorher wichtig war, ist seither in den Hintergrund gerückt. Foto: privat

Seit zehn Monaten zeigt die kleine Paulina ihrer Mama genau, wo es langgeht. So manches, was vorher wichtig war, ist seither in den Hintergrund gerückt. Foto: privat

Von Bianca Walf

1. Liebe bekommt eine neue Dimension

Logisch, man liebt den Partner, man liebt vielleicht auch gute Freunde, aber keine Liebe ist größer als die einer Mutter zu ihrem Kind. Das sagt die Wissenschaft, das sagt das Tierreich, das sagt die Weltliteratur. Nun sage das auch ich. In dem Moment, als ich meiner Tochter zum ersten Mal in die Augen sah, hat sich mein Maßstab für Liebe unabänderlich in eine neue Dimension verschoben. Klingt kitschig, ist es aber nicht. Egal, wie viele watteweiche Schmusekissen und rosa Plüschtiere sie flankieren mögen, die Liebe einer Mutter ist eisenhart und unerbittlich. Sie kommt ohne Schlaf aus, trotzt den Schmerzen der Geburt und überdauert Stunden über Stunden, in denen das schreiende Baby sie nicht zwingend zu erwidern scheint.

2. Mit der Liebe kommt die Angst

Bis ich Mama wurde, hätte ich mich als Optimistin bezeichnet. „Wird schon irgendwie!“, dachte ich mir stets und behielt damit meistens recht. So ein Baby aber ist so verdammt winzig, unschuldig und schutzlos, dass mir mein getreues Motto auf einmal nicht mehr gut genug war. Schon seit der Schwangerschaft ist die Angst mein ständiger Begleiter: Die Angst vorm Autofahren, vor einer Masernepidemie, vor Rohmilchkäse und Katzenkot. Sollten die Hersteller von Handdesinfektionsmitteln im vergangenen Jahr ein Umsatzplus verzeichnet haben, so war ich daran ganz sicher wesentlich beteiligt. Blöd nur, dass die mir garantiert nicht mehr helfen, wenn sich mein Baby eines Tages ins Nachtleben stürzt oder zum Auslandssemester aufbricht. Bis dahin muss ich nun daran arbeiten, mir ein dickeres Fell zuzulegen.

3. Die Prioritäten verschieben sich

Sie waren mir immer ein großes Rätsel: diese Frauen, die, sobald sie ein Kind bekommen, ihre gesamte Persönlichkeit abzustreifen scheinen. Gerade noch hatten sie eine erfüllte Beziehung, eine vielversprechende Karriere und ein reges Sozialleben und dann kennen sie auf einen Schlag kein anderes Thema mehr als ihren Nachwuchs. „Ohne mich!“, dachte ich. Nie wollte ich über volle Windeln und Kinderwagenmodelle fachsimpeln. Doch, wie so oft, hat sich gezeigt: Ich bin keine Ausnahme. Auch meine Wichtigkeiten haben sich verschoben: Sport treiben, Nachrichten lesen, ins Kino gehen – all das ist auf einmal nicht mehr von Bedeutung. Wichtig ist, wie niedlich das Baby aussieht, wenn es schläft. Wichtig ist, dass es gerade dieses tolle neue Geräusch gemacht oder sich zum ersten Mal am Sofa hochgezogen hat.

4. Bewährungsprobe für Freundschaften

Für kinderlose Menschen scheint eine junge Mutter vor allem eines zu sein: eine ewige Spaßbremse. Mein Freundeskreis ist in den vergangenen Monaten definitiv geschrumpft. Die Ersten waren schon von den Babynews an sich abgeschreckt. Schließlich lassen die bereits darauf schließen, dass die betreffende Person die nächsten Jahre beim Mädelsabend eher nicht exzessiv die Korken knallen lassen wird. Die Nächsten verabschiedeten sich, als sich herausstellte, dass meine Tochter sich weigert, im Auto oder Kinderwagen zu fahren. Mein erster Sommer mit Baby war ein Sommer in geschlossenen Räumen. Nicht sehr einladend, das gebe ich zu. Wirklich getroffen hat mich der Verlust nicht. Schließlich habe ich auch ein paar Mami-Freundinnen dazugewonnen. Außerdem weiß ich jetzt, wer auch dann noch gerne Zeit mit mir verbringt, wenn ich bei 36 Grad auf der Couch sitze und über Babythemen fachsimple.

5. Der innere Öko erwacht

Ein bisschen öko wird man mit Kind ganz automatisch. Schon in der Schwangerschaft habe ich begonnen, mich darum zu sorgen, ob meine Tochter auch tatsächlich in einer gesunden, umweltfreundlichen und kindgerechten Umgebung aufwächst. Bei mir wichen zuerst die „giftigen“ Waschmittel, dann die Aluminiumsalze und parfümierten Kosmetika. Schließlich beschloss ich, Obst und Gemüse nicht mehr beim Discounter zu kaufen und von Plastikspielzeug und iPad-Bespaßung fürs Baby lieber abzusehen. Stattdessen habe ich ein kunterbuntes Massivholzsortiment fürs Kinderzimmer angeschafft und meine Zeit am Smartphone auf ein Minimum beschränkt. Ehe ich mich versah, war ich Stammkundin im Reformhaus. Früher fand ich, dass es da komisch riecht. Aber wer ein Kind bekommt, denkt eben automatisch ein bisschen mehr nach.

6. Leben mit Kommentarspur

Wie Untertitel zum französischen Kunstfilm, scheinen zum Leben mit Kind mehr oder minder gute Ratschläge und pfiffige Anmerkungen zu gehören: Opa befürchtet, dem Kind sei kalt („Habt ihr denn kein Mützchen für sie?“). Oma merkt an, die arme Kleine sei völlig überhitzt („Zieh ihr doch mal die dicke Jacke aus!“) und auf offener Straße herrscht mich eine wildfremde Rentnerin an: „Merken Sie gar nicht, dass der kleine Kerl nichts sieht?“ („Der kleine Kerl ist ein Mädchen, aber Danke!“) Schlimmer als Schlafmangel, schlimmer als Schwangerschaftsstreifen, trifft einen als junge Mutter die nicht enden wollende Kommentarspur.

7. Peinlich ist relativ

Das Einzige, das man der allgegenwärtigen Kritik als junge Mutter entgegenzusetzen hat, ist eine meilenweit nach unten verschobene Schamgrenze. Was mir früher sterbenspeinlich gewesen wäre, ist im Alltag mit Baby auf einmal an der Tagesordnung: Etwa mit entblößter Brust in der Fußgängerzone zu stehen, weil die Tochter findet, dass die nächste Stillmahlzeit keinen Aufschub duldet. Auch vom Partner darauf hingewiesen zu werden, dass man mal wieder Erbrochenes im Haar hat, ist keine große Sache mehr. Da schämt man sich auch nicht, gut gemeinte Ratschläge dreist zu ignorieren.

8. Schmutzig ist das neue Schwarz

Mit der Schamgrenze ist übrigens auch mein Anspruch an ein gelungenes Outfit gesunken. In den allerersten Monaten hätte man meine modischen Ensembles unter das Motto „Schmutzig ist das neue Schwarz“ stellen können. Während sich mein morgendliches Stylingritual früher aus etwa 20 durchdachten Kunstgriffen zusammensetzte, fühle ich mich heute mit gekämmten Haaren und in einem Shirt ohne Flecken geradezu overdressed. Jahrelang stöckelte ich auf zwölf Zentimeter hohen Absätzen durch Leben. Das habe ich vorerst hinter mir gelassen. Wer sich monatelang ein wohlgenährtes, Kinderwagen verweigerndes Baby vor den Bauch schnallt, kann es sich nämlich wirklich nicht leisten, seinen Körperschwerpunkt mittels hoher Hacken noch weiter nach vorn zu verlagern.

9. Der Blick auf andere Mütter

Ich bin ehrlich: Bevor meine Tochter zur Welt kam, war ich ganz groß im Augenrollen und verächtlich Schnauben. Ob nun am Nebentisch im Restaurant gerade eine Windel explodiert war oder sich im Supermarkt ein zorniger Dreijähriger brüllend in der Quengelzone darnieder warf – fleißig dachte ich mir meinen Teil. Mal eben im Vorbeigehen analysierte ich die vielen Formen elterlichen Versagens und war mir sicher, dass das bei mir eines Tages alles ganz anders laufen würde. Doch schon in den allerersten Tagen mit Baby musste ich feststellen, dass diese niedlichen kleinen Wesen blöderweise nicht nach DIN-Norm gefertigt sind und zudem ohne Gebrauchsanweisung geliefert werden. Egal, wie viele Bücher man vorab gelesen und wie viele Kurse man besucht hat, der Moment der absoluten Ratlosigkeit kommt bestimmt. Seit ich das weiß, habe ich verächtliche gegen verschwörerische Blicke getauscht. Schließlich könnte ich in zwei Jahren selbst diejenige sein, die im Supermarkt auf dem Fußboden kniet und versucht, einer zornigen Dreijährigen das dritte Überraschungsei zu entwinden.

10. Der Blick auf die eigene Mutter

Ich habe es schon gesagt: Keine Liebe ist größer als die einer Mutter zu ihrem Kind. Blöderweise auch nicht die des Kindes zur Mutter. Auch das ist mir seit der Geburt meiner Tochter noch einmal klar geworden. Schließlich kennen Kinder in der Regel ja zum Glück kein Leben ohne ihre Eltern. Die Eltern aber wissen, wie viel schöner ihr Leben mit der Geburt des Kindes geworden ist. Diese Erkenntnis wird in mir – pünktlich zum Muttertag – von einem besonderen Gefühl der Dankbarkeit gegenüber meiner eigenen Mutter begleitet. Auch ihr Leben hat sich im vergangenen Jahr gewandelt. „Wenn die Tochter selbst Mutter wird, verändern sich die Rollen. Da muss man ein letztes Stück loslassen“, sagte sie neulich zu mir. Gut, dass ich dafür noch 30 Jahre Zeit habe.

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Erstellt:
11. Mai 2019, 06:00 Uhr

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