Schönste Natur – streng geschützt

Im Rems-Murr-Kreis gibt es 26 Naturschutzgebiete: Besuch ist erlaubt, solange nichts zer- oder gestört wird

Der Rems-Murr-Kreis ist dicht bevölkert und, zumindest in breiter Schneise entlang der Hauptverkehrsachsen, mit vielen Industriegebieten versorgt. Und doch finden sich auch hier Naturschutzgebiete: 26 an der Zahl und von unterschiedlichstem Charakter.

Im Wald beim Rudersberger Jägerhölzle wächst das „Bleiche Waldvöglein“, eine streng geschützte Orchidee. Wegen dieser Blumen und der restlichen, „bemerkenswert seltenen Flora“ ist das Jägerhölzle seit 1983 als Naturschutzgebiet ausgewiesen. Foto: B. Büttner

© Benjamin Büttner

Im Wald beim Rudersberger Jägerhölzle wächst das „Bleiche Waldvöglein“, eine streng geschützte Orchidee. Wegen dieser Blumen und der restlichen, „bemerkenswert seltenen Flora“ ist das Jägerhölzle seit 1983 als Naturschutzgebiet ausgewiesen. Foto: B. Büttner

Von Pia Eckstein

WAIBLINGEN. Zwei Bundesstraßen, rund 510 Orte, wobei damit alles gemeint ist, was an der Straße mit einem Namensschild versehen ist, davon sind sechs Große Kreisstädte, zwei weitere gelten verwaltungsrechtlich als Städte. Auf 858,13 Quadratkilometern leben rund 423000 Einwohner. Das heißt: Auf einem Quadratkilometer müssen rein rechnerisch ungefähr 493 Menschen miteinander auskommen. Es ist eng im Rems-Murr-Kreis. Wer entlang von B14 und B29 fährt, hat nicht das Gefühl, dass sonderlich viel Platz zwischen den Städten und Gemeinden wäre. Viele Orte wuchern mit Industriegebieten und Neubausiedlungen so nach außen, dass die Grenzen zur nächsten Gemeinde zerfließen. Und doch: Es gibt sie auch im Rems-Murr-Kreis – die Natur. Es gibt sogar so wunderbare Flecken, dass das Regierungspräsidium Stuttgart in den vergangenen 49 Jahren 26 Naturschutzgebiete ausgewiesen hat. Vorher gab es noch keine, vielleicht weil vor 1969 die Natur im längst noch nicht so durchindustrialisierten Gelände entlang von Rems und Murr noch überwältigend, ausreichend und unverletzlich schien.

Die Naturschutzgebiete verteilen sich über das gesamte Kreisgebiet und sind so vielfältig wie der Landkreis selbst. Da gibt es beispielsweise den Oeffinger Scillawald: Am rechtsseitigen Steilufer des Neckars blühen im Frühling Blaustern und Lerchensporn in Hülle und Fülle.

Oder das zugegebenermaßen bei Wanderern sehr beliebte und gern besuchte Strümpfelbachtal zwischen Althütte, Kaisersbach und Rudersberg, wo das Wasser in tief eingeschnittenen Schluchten über Felsen rauscht, dass man sich fühlt, als wäre man im Urlaub.

Selbst im dicht bevölkerten Waiblingen gibt es ein Naturschutzgebiet, das sich sogar bis Remseck entlangzieht: Im Unteren Remstal gelten die Reste der Auenwälder, die Wiesen, Feuchtgebiete und die Flächen, die einer Steppenheide gleichen, als schützenswert. Außerdem gibt’s dort noch die kulturhistorisch bedeutsamen Hangterrassen.

Bei Kaisersbach am Schmalenberg kann der interessierte Naturbetrachter dagegen im naturnahen Buchen- und Tannenwald Riesenschachtelhalm und Rühr-mich-nicht-an sehen.

Der Name des letztgenannten Krauts, eines Springkrauts, ist bester Anstoß dazu, die wichtigsten Verhaltensregeln in Naturschutzgebieten ins Gedächtnis zu rufen: Naturschutzgebiete dürfen üblicherweise, außer es ist explizit verboten, betreten werden. Aber nichts, was dem Gebiet und seiner Natur irgendwie schadet, ist erlaubt. Das bedeutet beispielsweise, dass keine einzige der wertvollen Orchideen, die im Rudersberger Jägerhölzle wachsen, gepflückt oder gar ausgegraben werden darf. Der Pfad, der durch dieses kleine Stückchen Wald mit den winzigen, knorrigen Kiefern führt, sollte überhaupt nicht verlassen werden. Der Hund gehört an die Leine und der Müll zurück in den Rucksack oder in die Hosentasche. Jeder, der ein Naturschutzgebiet betritt, kann das auch nachlesen: Üblicherweise hängt unter dem Schild mit dem Seeadler, das ein Gebiet als Naturschutzgebiet kennzeichnet, noch ein zweites Schild mit den Ver- und Geboten. Das kleinste Naturschutzgebiet im Rems-Murr-Kreis ist der Harbacher Quellsumpf bei Murrhardt. Hier sorgen Kalktuffbarrieren dafür, dass das Wasser nicht abfließen kann. Es bilden sich kleine, flache Tümpel und trockene Plätzchen. Auf Zweiteren wächst Borstgras, in Ersteren – sie heißen tatsächlich so – Armleuchteralgen. Dieses Kleinod hat gerade mal 0,6 Hektar, also 6000 Quadratmeter. Das größte Naturschutzgebiet kann immerhin mit 202,5 Hektar aufwarten. Das ist schon ein Stück, und hier geht’s auch über die Kreisgrenzen hinweg zu den Nachbarn im Ostalbkreis. Mehrere Gemeinden, unser Alfdorf und dann Durlangen und Spraitbach, teilen sich nämlich das schöne Leintal zwischen Leinecksee und Leinhäusle, mit seinen Feuchtwiesen und einer Auenlandschaft, von der die meisten Fluss- und Bächlestäler längst weit, weit entfernt sind.

Das jüngste Naturschutzgebiet im Kreis wurde 2009 ausgewiesen. Das Obere Zipfelbachtal mit seinen Seitentälern, genannt Klingen, und einem Teil des Sonnenbergs bei Breuningsweiler besticht durch Feuchtwiesen, Streuobstwiesen, alte Weinberggrundstücke, die zum Teil noch Trockenmauern haben. Das Gebiet gilt als Ausbreitungs- und Rückzugsraum für zahlreiche seltene und gefährdete Tier- und Pflanzenarten.

Das älteste, erste Naturschutzgebiet ist übrigens die Hägeles- und Brunnenklinge bei Kaisersbach – ein Stück Rems-Murr-Kreis der besonders wildromantischen Art.

Schutzgebiete im Rems-Murr-Kreis Info Im Rems-Murr-Kreis gibt es neben den 26 Naturschutzgebieten auch noch 61 Landschaftsschutzgebiete. Dazu gehören beispielsweise der Ebnisee, der Sörenberg bei Korb, der Hartwald bei Fellbach, der Engelberg bei Winterbach oder der gesamte Murrhardter Wald. Landschaftsschutzgebiete fallen auch unter das Naturschutzrecht. Doch sind diese Schutzgebiete oft großflächiger angelegt und zielen auf das allgemeine Erscheinungsbild der Landschaft. Auflagen und Nutzungseinschränkungen sind geringer als bei Naturschutzgebieten. Sie können auch ausgewiesen werden, um das Landschaftsbild für Tourismus und Erholung zu erhalten. In Landschaftsschutzgebieten bestehen, im Gegensatz zu Naturschutzgebieten, in der Regel nur geringe Auflagen für die land- oder forstwirtschaftliche Bodennutzung. Verboten sind alle Handlungen, die den „Charakter“ des Gebiets verändern. Es kann also sein, dass ein Landwirt seine Wiese nicht zu Ackerland umbrechen darf. Gebaut werden darf allerdings auch in Landschaftsschutzgebieten nicht, oder nur unter ganz strengen Auflagen.

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Erstellt:
18. Juli 2018, 06:00 Uhr

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