Schulterschluss mit einer Ausnahme

Backnanger Gemeinderat nimmt Stellung zum Haushalt 2020 – Große Mehrheit trägt hohe Neuverschuldung mit

Backnang steht laut OB Frank Nopper mit riesigen Investitionen und einer immensen Neuverschuldung vor einem Sturm-und-Drang-Jahr. Und wie stehen die Fraktionen dazu? Sind sieeher Bremser, vorsichtige Mahner, begeisterte Unterstützer oder fordern sie gar noch mehr Initiative? Die große Mehrheit vollzieht den Schulterschluss und trägt die Politik der Verwaltung mit, nur das Bürgerforum verweigert die Mitarbeit und spricht von einem „Raubzug gegen die Leute“.

Das Backnanger Gremium setzt sich intensiv mit dem Haushalt auseinander. In der bestehenden Zusammensetzung war es das erste Mal. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Das Backnanger Gremium setzt sich intensiv mit dem Haushalt auseinander. In der bestehenden Zusammensetzung war es das erste Mal. Foto: A. Becher

Von Matthias Nothstein

BACKNANG. Die Redezeit der einzelnen Fraktionen für ihre Stellungnahmen zum Haushalt ist im Vorfeld klar geregelt worden: dreieinhalb Minuten pro Fraktionsmitglied. Macht bei dem Septett der CDU exakt 24,5 Minuten, die Ute Ulfert ausführlich nutzte, angesichts der riesigen Herausforderungen der Verwaltung den Rücken zu stärken.

Ganz anders Charlotte Klinghoffer vom Bürgerforum. Sie hat zwar nur etwas mehr als zehn Minuten Zeit, aber danach dürften der Verwaltung die Ohren geklingelt haben. Sie erinnerte daran, dass sie Jahr um Jahr einen vorausschauenden Umgang mit dem Haushalt fordere und dafür von vielen als Verhinderer und Bremser dargestellt werde. Nun sprach sie von einem „desolaten Haushalt“. Kritik gab es auch an den Ratskollegen, sie hätten den Kurs der Verwaltung über Jahre unterstützt und würden nach der Pfeife der Verwaltung tanzen. Klinghoffer kündigte an: „Mit dem Bürgerforum werden Sie bei Ihrem Raubzug gegen die Leute, die sich an Regeln halten und Steuern zahlen, nicht rechnen können.“ Sie forderte von Oberbürgermeister Nopper und den anderen Stadträten einen konsequenten Sparkurs, „ansonsten wird unsere Stadt in absehbarer Zukunft den Finanzierungsnotstand ausrufen müssen“.

Ute Ulfert: „Alle Aufgaben werden wir nicht schaffen, ohne neue Schulden aufzunehmen“

Die Analyse Ulferts fiel sehr differenziert aus. Sie ging erneut auf den größten Ausgabeposten Personal ein. Dort stiegen die Kosten zuletzt um 2,4 Millionen auf 32 Millionen Euro im nächsten Jahr. Da dies mit den zunehmenden Aufgaben etwa bei der Kinderbetreuung begründet wurde, gab es von der Christdemokratin auch keine Kritik, sondern gar Lob, die Personalkosten je Einwohner „sind eher sparsam“. Für Ulfert war klar, „alle Aufgaben werden wir nicht schaffen, ohne neue Schulden aufzunehmen“. Auf der anderen Seite vertrat sie die Überzeugung: „Es gibt sicher niemanden hier im Gremium oder in der Verwaltung, der nicht alles versuchen wird, diesen Schuldenanstieg zu begrenzen.“ So erwähnte sie exemplarisch die Umplanung des Projekts Stadtbrücke, wodurch die Ausgaben im Haushalt reduziert werden sollen. Oder den Plan, bei den Kinderbetreuungskosten zu sparen, indem die Tageselternbetreuung ausgebaut wird.

Melanie Lang (Grüne) und Heinz Franke (SPD) brachen eine Lanze für den Landkreis, der in schöner Regelmäßigkeit von Nopper wegen der Kreisumlage gegeißelt wird. Lang erinnerte daran, dass die Leistungen des Kreises auch der Stadt Backnang zugutekommen. Und dass die Kreisbau sehr viel Geld in das Areal des ehemaligen Kreiskrankenhauses investiert habe. Sie forderte nun von Nopper, er möge sich dafür einsetzen, dass die Klimastrategie des Rems-Murr-Kreises in Backnang in hervorragender Weise umgesetzt werde. Die Kreisumlage wird laut Franke auch von der SPD akzeptiert und könne nicht als Grund für die hohe Neuverschuldung dienen. Es gelte, nicht nur kritisch auf den Geldfluss nach Waiblingen zu blicken, „sondern auch zu sehen, was zurückkommt“. Franke steht zur Neuverschuldung, „an der wir nicht vorbeikommen, wenn unsere ambitionierten Projekte Wirklichkeit werden sollen“. Und: „Wir wollen, dass unsere Stadt trotz oder gerade wegen ihres Wachstums lebenswert, attraktiv, einladend, offen und freundlich erhalten werden kann.“

Die Schuld an dem schlechten Haushalt schob die AfD der Bundesregierung zu. Laut Michael Malcher leidet Backnang finanziell unter Entscheidungen, „die im fernen Berlin getroffen wurden und in den Kommunen ausgebadet werden müssen“. Zwei Beispiele nannte er: die kostentreibenden Regelungen zum gesetzlichen Anspruch auf einen Kita-Platz ab dem ersten Lebensjahr und den Beginn einer Rezession, die durch die „irrwitzige Klimahysterie“ befeuert werde.

Lutz-Dietrich Schweizer von der Christlichen Initiative Backnang appellierte, mehr miteinander zu sprechen und für Mehrheiten zu sorgen. So könne man der Befürchtung entgegentreten, der neue Gemeinderat mache Backnang unregierbar. Keine Rede hielt Erdal Demir von der BIG-Liste, er fehlte entschuldigt.

Zusammen mit ihren Haushaltsreden reichten die Fraktionen insgesamt 48 Anträge ein, davon gingen alleine 21 auf das Konto des BfB und 17 auf das der CDU. Das Bürgerforum beantragte zum Beispiel die Rückstellung des „millionenschweren Prestigeprojekts Stadtbrücke“ und die Einführung eines Ortschaftsrats samt Ortsvorsteher für den Wohnbezirk Sachsenweiler. Die CDU beantragte den Posten eines Leerstandsmanagers, um so den Leerstand von Wohnungen reduzieren zu können. Die CIB verzichtete auf Anträge mit der Feststellung, dass von denen des vergangenen Jahres kein einziger behandelt wurde.

Beschlossen werden soll der Etat in der letzten Sitzung vor der Weihnachtspause am kommenden Donnerstag.

Die kompletten Haushaltsreden und alle Anträge der Fraktionen und Einzelstadträte finden Sie zum Nachlesen hier.

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Erstellt:
7. Dezember 2019, 06:00 Uhr

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