Skigebiete trotz Corona zuversichtlich

dpa Garmisch-Partenkirchen. Anderthalb Jahre waren fast alle Pisten in Deutschland wegen der Pandemie geschlossen. In Kürze soll es wieder losgehen, trotz rasant steigender Inzidenzen.

Zwei Besucher fotografieren von der Zugspitze aus das Panorama des Wettersteingebirges. Nach gut eineinhalbjähriger Pause wegen Corona sollen dort wieder Lifte laufen und Skifahrer ihre Schwünge ziehen. Foto: Angelika Warmuth/dpa

Zwei Besucher fotografieren von der Zugspitze aus das Panorama des Wettersteingebirges. Nach gut eineinhalbjähriger Pause wegen Corona sollen dort wieder Lifte laufen und Skifahrer ihre Schwünge ziehen. Foto: Angelika Warmuth/dpa

In der Küche stapeln sich Säcke mit Pommes. Sechs Fünf-Kilopakete sind es. „Das reicht für die erste halbe Stunde“, sagt der stellvertretende gastronomische Leiter der Bayerischen Zugspitzbahn, Hannes Berkmann.

Es ist der letzte Tag vor einer kurzen Schließung, bevor der Winterbetrieb an diesem Freitag (19. November) startet. Hunderte Kilogramm Pommes verzehren die Gäste oft an einem Tag. An die 6000 Besucher erwarten Berkmann und seine Leute in der Wintersaison jeden Tag auf Deutschlands höchstem Berg (2962 Meter).

Das Skigebiet Zugspitze wird das erste sein, das in Deutschland öffnet. Nur Geimpfte und Genesene dürfen dort vorerst in die Bergbahnen steigen. In Bayern gilt der Katastrophenfall, die Krankenhaus-Ampel steht auf Rot. Die Kabinen fahren maximal mit zwei Drittel der Gäste - für mehr Abstand.

Wie das in anderen deutschen Skigebieten sein wird, ist noch offen. Mit Skitagen in Österreich wird es erst einmal schwierig: Fast das ganze Nachbarland ist seit Freitag als Hochrisikogebiet eingestuft.

Planungssicherheit fehlt

Auch hierzulande steigen die Inzidenzen rasant. Man richte sich nach den behördlichen Vorgaben, heißt es bei den Liftbetreibern. Es fehle jedoch die Planungssicherheit. „Wir können nur immer bis zum Fristablauf der jeweiligen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung planen“, sagt Antonia Asenstorfer von den Alpenbahnen Spitzingsee, Brauneck und Wallbergbahn. Man plane aber klar mit Skibetrieb.

Auch am Wurmberg im Harz (971 Meter) ist noch nicht ganz klar, wie mit Corona umgegangen wird. Möglicherweise werde es Stunden- statt Tageskarten geben, sagte Fabian Brockschmidt, Betriebsleiter der Wurmbergseilbahn. Auf jeden Fall sollen 3G und Maskenpflicht in allen Liften gelten. Demnächst soll die Produktion von Kunstschnee starten. „Unser Ziel ist es, an Weihnachten den ersten Skibetrieb zu ermöglichen.“ Den Start vor Weihnachten peilen die meisten an.

„Wir warten, dass der Winter kommt“, sagt der Projektleiter der Wintersportarena Sauerland Julian Pape. Die Erfahrungen aus dem Frühjahr hätten gezeigt, dass der Betrieb mit Beschränkungen funktioniere. Die Gebiete Willingen und Winterberg konnten laut Pape als große Ausnahme im Frühjahr für einige Wochen öffnen. „Diejenigen, die da waren, waren so glücklich wie nie.“ Einige seien sogar aus dem Süden und Osten angereist.

Zurückhaltung noch zu spüren

Nun fiebern Wintersportler der neuen Saison entgegen. An der Zugspitzbahn hätten kürzlich schon die ersten mit Ski gestanden - und mussten vertröstet werden, berichten Mitarbeiter. Das Skigebiet war noch geschlossen. Der Verkauf von Saisonkarten laufe nicht wie vor der Pandemie, aber es gingen viele Anfragen ein, sagt Sprecherin Verena Altenhofen.

Auch Hotels und Übernachtungsbetriebe spüren die Zurückhaltung. „Derzeit laufen hauptsächlich kurzfristige Buchungsanfragen ein. Im Vergleich zu den Jahren vor der Pandemie ist die Buchungslage für den kommenden Winter – auch für die Weihnachtszeit – spürbar verhalten“, sagt Teresa Hallinger vom Zweckverband Bergerlebnis Berchtesgaden. Die Vorgaben für die Saison müssten schnellstmöglich für die unterschiedlichen Szenarien bekannt gemacht werden, um Tourismusverantwortlichen und Gästen Planungssicherheit zu geben.

An der Zugspitze laufen indessen die Arbeiten auf Hochtouren. Ein ganzer Ochse, grob zerlegt, kam in der Küche an. Blaukraut wird vorgekocht. Auf den Pisten sind die Raupen im Großeinsatz. Der Schnee vom vergangenen Jahr, in geschützten Mulden und nordseitigen Lagen als Depot zusammengeschoben, muss verteilt werden, damit am nächsten Freitag zumindest die Pisten an den beiden Sesselliften genutzt werden können, auch wenn kein Neuschnee kommt. Schneekanonen gibt es hier nicht.

Große Vorfreude

„Wir sind in den letzten Zügen“, sagt Tobi Gansler, Leiter der Lifte und Pistenraupen-Flotte. Er und seine Kollegen sind derzeit von morgens fast bis zum Sonnenuntergang auf den Pisten unterwegs. Man sehe mit Optimismus auf die nächsten Wochen. „Wir freuen uns alle darauf.“ Der Rückblick auf die verlorene Saison klingt immer noch bitter. „Wir wären parat gewesen. Es wäre ein Superwinter gewesen.“

Immer wieder hatte es so ausgesehen, als ob doch geöffnet werden könnte: Wenigstens nach Weihnachten, wenigstens an Fasching - oder zu Ostern. Doch der Lockdown blieb. Der Verband Deutscher Seilbahnen und Schlepplifte (VDS) schätzt die Verluste der Mitglieder auf 99 Millionen Euro. Und, so der Verband: „Die vergangene Wintersaison war von den Wetterverhältnissen eine der besten seit langem gewesen und damit hätte der Umsatz deutlich über dem Durchschnitt gelegen.“

Hunger nach Schnee

Die Wintersportler hungern nach Schnee. Student Max Sailler freut sich „auf die ersten paar Schwünge“. Familienvater Mathias Wochnig ist mit seinen Töchtern zum Rodeln an der Zugspitze. Die Kleinste soll dieses Jahr erste Bögen fahren, die Älteste meistert schon schwarze Pisten. Er selbst hat Nachholbedarf: Im vergangenen Winter habe er erstmals seit 40 Jahren nicht auf Skiern gestanden, sagt er.

Die Corona-Lage erfordert zusätzliche Maßnahmen. Manche Betriebe stellen mehr Mitarbeiter ein, etwa für Kontrollen. An vieles ist zu denken. Besteck zum Beispiel. Die Gäste dürfen es nicht selbst nehmen, das Personal muss es in Tüten packen. „Deswegen hab ich nochmal 2000 Messer und Gabeln bestellt“, sagt Vize-Gastro-Leiter Berkmann. So könne vor dem Ansturm mehr Besteck eingetütet werden.

Dass die Saison angesichts der schwierigen Corona-Lage vielleicht doch noch platzen könnte, daran mag hier keiner denken. „Das wäre eine Katastrophe“, sagt Berkmann. „Wir machen einen tollen Winter.“

Die Hygienekonzepte stünden, beim Skifahren sei man fast nur an der frischen Luft, heißt es beim VDS. Après-Ski wie in Ischgl, wo sich das Virus Anfang 2020 rasant verbreitete, gebe es hierzulande nicht. Antonia Asenstorfer vom Gebiet Alpen Plus wird deutlich. „Wir fordern ganz klar, dass es für Skigebiete keinen Lockdown mehr geben darf.“

© dpa-infocom, dpa:211114-99-991241/2

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Erstellt:
14. November 2021, 09:14 Uhr

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