Studie der Krankenkasse

So gesund sind die Baden-Württemberger

Die Krankenkasse Barmer hat umfangreiche Daten zu Krankheiten ausgewertet.Aus dieser Übersicht geht auch hervor, wo im Land die Menschen am gesündesten sind. Gute Nachrichten sind das vor allem für die Region Tübingen.

Tübingen: Hier tragen die Menschen im Vergleich zum Bundesgebiet nur 70 Prozent der durchschnittlichen Krankheitslast.

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Tübingen: Hier tragen die Menschen im Vergleich zum Bundesgebiet nur 70 Prozent der durchschnittlichen Krankheitslast.

Von Regine Warth

Ein langes und gesundes Leben – das wünschen sich wohl die meisten Menschen. Und wer in Baden-Württemberg wohnt, hat offenbar bessere Chancen dieses Ziel zu erreichen als in anderen Bundesländern. Das zumindest zeigen die Daten des Instituts für Gesundheitssystemforschung der Barmer Krankenkasse. Anhand der dort hinterlegten Gesundheitsdaten der Versicherten wurde ein sogenannter Morbiditäts- und Sozialatlas erstellt, der zeigt, wie stark die Bevölkerung in Baden-Württemberg von Krankheit betroffen ist, erklärt Winfried Plötze, Landesgeschäftsführer der Barmer in Baden-Württemberg bei der Vorstellung der Daten am vergangenen Mittwoch.

Wie gesund ist der Baden-Württemberger im Vergleich zu anderen Bundesländern?

Schon im Gesundheitsreport der Techniker Krankenkasse, der vor wenigen Wochen veröffentlicht worden ist, hat sich Baden-Württemberg damit rühmen können, das Bundesland mit den bundesweit geringsten Fehlzeiten zu sein. Jetzt zeigen die Daten der Barmer, dass Baden-Württemberg eine der geringsten Krankheitslasten bundesweit hat. Sie liegt bei 88 Prozent des Bundesdurchschnitts. „Da können ansonsten nur die Stadtstaaten Bremen und Hamburg mithalten“, sagt Plötze. Zum Vergleich: In Thüringen liegt der Index der Gesamtmorbidität – also der gesamten Krankheitslast einer Person – 31 Prozent über dem Bundesdurchschnitt. Allerdings heißt das nicht, das die Schwaben und Badener gänzlich von Krankheiten verschont bleiben: Während die Fallzahlen bei Gicht und Arthritis, Adipositas sowie HIV-Infektionen und Aidserkrankungen unterhalb des Bundesdurchschnitts liegen, sind sie bei Depressionen, chronischer Hepatitis und Multipler Sklerose höher.

Wo lebt es sich im Südwesten am Gesündesten?

Die Menschen, die im Kreis Tübingen leben, sind die gesündesten in Baden-Württemberg. Sie tragen im Vergleich zum Bundesgebiet nur 70 Prozent der durchschnittlichen Krankheitslast. In ganz Deutschland gibt es keinen Stadt- oder Landkreis mit einem niedrigeren Wert.

Lediglich der Landkreis Freising in Bayern weist dieselbe Krankheitslast auf wie Tübingen. Die Versicherungsdaten der Barmer zeigen dies am Beispiel von Herz- Kreislauferkrankungen: So liegt der Anteil der Tübinger bei 176 Fällen je 1000 Einwohnerinnen und Einwohner, das entspricht fast einem Drittel weniger als im Bundesdurchschnitt. Ebenfalls recht gesund lebt es sich in Freiburg und im Landkreis Lörrach.

Dort gibt es mit 189 und 190 Fällen eine um etwa ein Viertel geringere Betroffenheit bei Herzerkrankungen als im Bundesschnitt. Bei Hauterkrankungen ist der Kreis mit den geringsten Fallzahlen Tuttlingen mit 105 Fällen je 1000 Einwohner.

In welchen Landesteilen verfällt der gesundheitliche Vorteil?

Die Einwohner im Hohenlohekreis (106 Prozent) hatten im Jahr 2020 insgesamt die höchste Morbidität. Die zweit- und dritthöchste Krankheitslast wiesen die Städte Pforzheim und Mannheim mit jeweils 104 Prozent auf. Grundsätzlich zeigt sich bei der Krankheitslast ein deutliches Nord-Süd-Gefälle: So ergeben Hochrechnungen bei Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes, des Blutes und der blutbildenden Organe sowie der Lunge jeweils in den nördlichen Landkreisen mehr Fälle als in den südlichen Regionen des Landes.

Was sind die Gründe für die regionalen Unterschiede?

„Grundsätzlich zeigt der Morbiditäts- und Sozialatlas das Resultat, nicht aber die Ursache für die Krankheitslast“, sagt Klaus Stein, Forschungsbereichsleiter des Barmer Instituts für Gesundheitssystemforschung. In der Auswertung werden zwar einige soziodemografische Faktoren berücksichtigt, die einen Einfluss auf die Gesundheit der Menschen haben können – etwa das Alter, der Bildungsgrad oder ob jemand berufstätig ist oder arbeitslos. Andere Faktoren wie beispielsweise das Rauchen werden in der Analyse nicht berücksichtigt – auch wenn dieses das Entstehen von Lungen- und Herzkrankheiten beeinflusst. „Der Raucherstatus unserer Versicherten ist uns nicht bekannt“, sagt Klaus Stein. Um die Gründe für die regionalen Unterschiede genauer zu ermitteln, wären weitere Untersuchungen notwendig.

Wie wurde der Atlas erstellt?

Für den Atlas hat die Barmer die Daten der stationären und ambulanten Behandlungen ihrer Versicherten aus den Jahren 2018 bis 2020 ausgewertet. Von diesen lebten rund 777 000 in Baden-Württemberg. Die Zahlen werden fortlaufend aktualisiert. Die Studie sei repräsentativ, so Barmer-Landesgeschäftsführer Plötze.

Sagen die Daten auch etwas darüber aus, wie gut eine Region ärztlich versorgt wird?

„Nein, der Morbiditäts- und Sozialatlas zeigt nicht, ob eine Region medizinisch über- oder unterversorgt ist“, sagt Barmer-Landesgeschäftsführer Plötze. „Aber wenn wir das Gesundheitswesen zielgerichtet weiterentwickeln möchten, dann sollten wir das auf der Basis von Daten tun.“ Denn dann wäre es durchaus sinnvoll, sich vorab zu informieren, wie die Krankheitslast in den einzelnen Regionen Baden-Württembergs aussieht. „Deshalb können die Daten unseres Morbiditäts- und Sozialatlas die Grundlage für eine rationale Diskussion über die Verbesserung des Gesundheitswesens sein.“

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Erstellt:
9. November 2022, 16:26 Uhr

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