Bahnbilanz

Sorgen trotz Rekordumsätzen

Die Branche fordert ehrgeizige Ziele für den Schienenverkehr von der neuen Regierung. Mit dem bisherigen Tempo könnte die Digitalisierung der Technik noch 60 Jahre dauern.

Die Digitalisierung sollte schneller voranschreiten.

© Deutsche Bahn AG/Max Lautenschläger

Die Digitalisierung sollte schneller voranschreiten.

Von Thomas Wüpper

Der Verband der Bahnindustrie in Deutschland (VDB) meldet einen neuen Rekordumsatz der Branche von rund 15 Milliarden Euro im vergangenen Jahr. Fast ein Drittel steuerte die Infrastruktursparte bei, die dank der inzwischen hohen staatlichen Investitionen in das lange vernachlässigte Schienennetz deutlich wächst. Man habe gezeigt, dass man die zusätzlichen Finanzmittel verbauen könne, sagte VDB-Präsident Andre Rodenbeck in Berlin.

Digitalisierung mit bisherigem Ausbautempo erst 2085 fertig

Für die Modernisierung des gesamten Netzes seien aber „längerfristige Investitionsperspektiven und schlankere Prozesse“ nötig, betont der Manager, der im Hauptberuf das Zuggeschäft von Siemens Mobility leitet. Als Sorgenkind sieht der Verband weiterhin die schleppende Digitalisierung der Schiene. Deren Finanzierung sei nach dem Regierungswechsel noch ungewiss und werde durch viel zu komplexe Strukturen weiter ausgebremst. Mit dem bisherigen Tempo werde der Kern der Infrastruktur, die Leit- und Sicherungstechnik, erst im Jahr 2085 vollständig digitalisiert sein. Also erst in 60 Jahren, das sei viel zu spät, warnt Rodenbeck. Der Bund müsse verbindliche und konkrete Ausrüstungsziele formulieren und kontrollieren, zum Beispiel den Umfang der jährlich in Betrieb genommenen Streckenkilometer, die mit dem digitalen Leitsystem ETCS ausgerüstet werden sollen.

ETCS soll den Zugverkehr effizienter machen und auch internationale Verbindungen durch einheitliche Standards erleichtern und beschleunigen, indem nationale Systeme abgelöst werden. Doch auch Deutschland hinkt den einstigen Vorgaben weit hinterher. Ein Grund dafür sind die enormen Kosten. Experten veranschlagen die nötigen Investitionen für die komplette Digitalisierung allein in Deutschland auf mehr als 60 Milliarden Euro.

Ziel sollte sein, künftig zumindest 1000 bis 2000 Kilometer des deutschen Schienennetzes mit digitaler Technik zu modernisieren, schlägt der Verband vor. Dazu wurde der bisherige überholte Plan zum Rollout von ETCS überarbeitet. Damit die Umsetzung dieses Mal besser gelingt, fordert der VDB, dass die milliardenschwere Finanzierung durch langfristige Schienenfonds gesichert wird.

Bestandsfahrzeuge müssen umgerüstet werden

„Mehrjährige Schienenprojekte erfordern langfristige Investitionssicherheiten“, sagt VDB-Geschäftsführerin Sarah Stark. Der Weg des Geldes vom Haushalt in die Praxis müsse „gesichert, verkürzt und vereinfacht werden“. Dann könne auch die Umsetzung Fahrt aufnehmen. Der Verband schlägt vor, dass die Modernisierung mehrerer tausend Stellwerke in drei Phasen bewerkstelligt werden. Zudem sei finanzielle Förderung nötig, damit rund 13 000 Bestandsfahrzeuge mit nötiger digitaler Technik an Bord ausgerüstet werden können. Andernfalls sind digital gesteuerte Strecken für die Bestandsflotte nicht befahrbar.

Auch für die nächsten Jahre bleibt die Branche gut ausgelastet. Der Auftragseingang sank zwar um 15 Prozent, die Nachfrage liegt aber mit Ordern über gut 18 Milliarden Euro weiter auf sehr hohem Niveau. Die Zugbestellungen beliefen sich erneut auf gut 10 Milliarden Euro, die Infrastruktursparten der Unternehmen verbuchten in den Auftragsbüchern fast ein Fünftel mehr Geschäft. Allerdings läuft es im Regionalverkehr weniger gut, dessen Unterfinanzierung führt dazu, dass Nahverkehrsunternehmen auch bei der Modernisierung des Fuhrparks sparen müssen.

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Erstellt:
14. Mai 2025, 11:18 Uhr
Aktualisiert:
14. Mai 2025, 11:59 Uhr

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