SoWas sucht verzweifelt Mitarbeiter

Das Soziale Warenhaus in Backnang ist auf freiwillige Helfer angewiesen, doch immer mehr Ehrenamtliche brechen weg

Das Soziale Warenhaus und die Tafel Backnang leisten durch die Wiederverwendung von Waren und Lebensmitteln einen wichtigen Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit. Doch neue Ehrenamtliche kommen kaum dazu, das entwickelt sich zusehends zu einem Problem.

Majda Fadda ist eine von 43 Helfern beim SoWas und der Backnanger Tafel, ohne deren Hilfe die Arbeit dort nicht zu stemmen wäre. Foto: A. Becher

© Pressefotografie Alexander Beche

Majda Fadda ist eine von 43 Helfern beim SoWas und der Backnanger Tafel, ohne deren Hilfe die Arbeit dort nicht zu stemmen wäre. Foto: A. Becher

Von Kristin Doberer

BACKNANG. Eine Kiste voller bunter Spielsachen steht neben fein säuberlich gestapeltem Teegeschirr, ein Regal weiter wühlt sich eine Kundin durch einen Stapel CDs. Um die Ecke reihen sich Kisten voller Gemüse und Brot aneinander. „Im SoWas gibt es eigentlich nichts, das es nicht gibt“, sagt Daniela Kramm. Sie leitet das Soziale Warenhaus und die integrierte Tafel in Backnang seit zwei Jahren. Zwischen 120 und 150 Kunden kaufen täglich im Erdgeschoss des Famfutur-Gebäudes ein. Sie kommen aus allen Gesellschaftsschichten: von Bedürftigen, die günstig Lebensmittel der Tafel kaufen bis zu Sammlern, die ganz gezielt nach besonderen Schätzen suchen.

Doch das SoWas hat ein Problem: Obwohl es dort alle nur denkbaren Waren zu finden gibt, geht eine Sache so langsam aus: die ehrenamtlichen Mitarbeiter. Denn das Soziale Warenhaus in Backnang hat sechs Tage die Woche geöffnet. Das heißt, nicht nur die Kassen müssen immer besetzt sein. Im Lager werden Spenden angenommen, begutachtet und geordnet, in der Küche werden die Lebensmittel der Supermärkte sortiert und zum Verkauf hergerichtet, Kleidung und Dekoration müssen je nach Saison eingeräumt beziehungsweise eingelagert werden, alles im Zweischichtbetrieb. Noch dazu gibt es nur wenige Straßen weiter einen Möbelshop, in dem man auf etwa 600 Quadratmetern gebrauchte Möbel kaufen kann. Diese müssen natürlich von Mitarbeitern abgeholt, ausgeladen und ausgestellt werden.

Immer mehr freiwillige Helfer müssen altersbedingt aufhören

Momentan besteht das Team aus 43 Köpfen, die meisten davon sind ehrenamtliche Helfer. Manche übernehmen komplette Schichten, andere helfen nur hin und wieder stundenweise aus. Doch mittlerweile brechen dem SoWas immer mehr Helfer altersbedingt weg und neue kommen kaum dazu. Vor allem jüngere Gesichter würden die Verantwortlichen gerne begrüßen, so Heinz Franke, der Vorsitzende des Vereins Kinder- und Jugendhilfe: „Es ärgert mich einfach, wenn sich junge Leute auf der Straße für Nachhaltigkeit einsetzen, aber hier liegt der Altersdurchschnitt unserer Freiwilligen bei etwa 70. Demonstrieren ist ja gut, aber dann muss auch etwas folgen.“

Dabei leisten Warenhäuser wie das SoWas einen aktiven Beitrag zum Klimaschutz, denn Nachhaltigkeit ist hier das Geschäftsmodell: Das Essen für die Tafel wird täglich bei den Supermärkten der Region eingesammelt, damit noch essbare Lebensmittel nicht im Müll landen, nur weil das Ablaufdatum näher rückt. Auch Lebensmittel, die nur wegen fehlerhaft bedruckter Etiketten oder wegen Überproduktionen nicht in Supermärkten landen, finden hier Verwendung.

Bücher, Kleidung, Möbel und andere Waren im SoWas stammen von Spendern, die Wert darauf legen, dass ihre aussortierten Gegenstände nicht einfach im Müll landen, wenn sie noch funktionieren, sondern sinnvoll wiederverwendet werden. „Bei vielen Spendern gab es in der letzten Zeit eine bewusste Einstellungsänderung zu mehr Nachhaltigkeit“, sagt Heinz Franke. „Andere sehen uns aber auch nur als Müllabfuhr.“ Nicht selten bekämen sie dreckige Klamotten, kaputte Gläser oder veraltete Technik, wie Videokassetten oder Röhrenfernseher. Diese Waren müssen vom SoWas selbst entsorgt werden, die Kosten dafür belaufen sich auf etwa 4000 Euro im Jahr. Das sind 4000 Euro, die an anderen Stellen fehlen. Denn alle Einnahmen durch das Soziale Warenhaus fließen direkt zum Verein Kinder- und Jugendhilfe, der mit dem Gewinn sein Defizit bei Beratungskosten auszugleichen versucht. Dazu kommen noch die Erhaltung des Gebäudes, die Kosten für Transporte und natürlich die Kühlkosten für die Lebensmittel. Ein weiteres Problem: den Mitarbeitern fehlt die Zeit für Recherche. Dadurch werden viele Waren weit unter ihrem eigentlichen Wert verkauft.

Dass ein Soziales Warenhaus sechs Tage die Woche beinah ganztägig geöffnet hat, ist eine Ausnahme. Doch diese Öffnungszeiten können ohne die Hilfe von neuen Freiwilligen wohl nicht mehr lange aufrechterhalten werden. Schon jetzt musste das SoWas den Verkauf am Mittwochnachmittag einstellen. Thomas Herzog (43) versteht nicht, warum sich so schwer Helfer finden lassen. Er arbeitet seit zwei Jahren im SoWas mit, egal ob in der Küche, im Lager oder beim Testen von Elektrogeräten. Ihm bedeutet die ehrenamtliche Arbeit viel: „Überall wird so viel weggeworfen. Und hier seh ich einfach sofort, wie sehr ich anderen damit noch helfen kann.“ Das SoWas sei aber noch mehr als nur eine Möglichkeit, um auf Schnäppchensuche zu gehen, so Leiterin Daniela Kramm. „Einige Mitarbeiter schaffen es, durch ihre Aufgaben hier wieder Struktur in ihren Alltag zu bringen, um sich auch wieder in den Arbeitsmarkt einzugliedern.“ Für viele sei es ein wichtiger Kommunikationsort, an dem weder Politik noch Religion eine Rolle spielen und an dem die verschiedensten Menschen zusammenkommen können.

Info
Das SoWas und die Tafel

Das Soziale Warenhaus und die Backnanger Tafel befinden sich in der Theodor-Körner-Straße 1 und haben Montag bis Freitag von 9–13 Uhr und 14.30–18 Uhr und Samstag von 9–12.30 Uhr geöffnet. Mittwochnachmittag ist geschlossen.

Es können grundsätzlich alle gebrauchten Waren gespendet werden, solange sie noch funktionsfähig und gereinigt sind.

Interessierte können sich bei Daniela Kramm melden und bei einem Probetag die ehrenamtliche Arbeit im SoWas ausprobieren. E-Mail: sowas@kinderundjugendhilfe-bk.de

Zum Artikel

Erstellt:
9. November 2019, 06:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Lesen Sie jetzt!

Stadt & Kreis

Die Konfirmandenarbeit hat sich sehr verändert

In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Konfirmandenarbeit stark verändert. Beispiele aus der Region zeigen, dass der Unterricht längst nicht mehr als reine Unterweisung mit Auswendiglernen gesehen wird.

Stadt & Kreis

Backnang will Kiffen auf dem Straßenfest verbieten

Die Stadtverwaltung in Backnang plant, das Rauchen von Cannabis auf dem Straßenfest zu untersagen. Auch andernorts wird das Kiffen trotz Teillegalisierung verboten bleiben, beispielsweise in Freibädern. Viele Gastrobetreiber wollen keine Joints in ihren Außenbereichen.

Stadt & Kreis

Saskia Esken stellt sich wütenden Fragen in Weissach im Tal

Die Bundesvorsitzende der SPD nimmt auf Einladung des Ortsvereins Weissacher Tal auf dem Roten Stuhl Platz. Die Besucherinnen und Besucher diskutieren mit ihr über die Themen Wohnungsbau, Ukrainekrieg, Verkehr und die Politik der Ampelkoalition.