„Sozialer Wohnungsbau hat Priorität“

Das Sommerinterview: SPD-Fraktionsvorsitzender Heinz Franke findet nur ein strukturiertes Wachstum für Backnang erstrebenswert

Während andere zur Erholung in ferne Gefilde reisen, genießt Heinz Franke die Ruhe und Blütenpracht in seinem Garten. Dem Vorsitzenden der Backnanger SPD-Fraktion ist sein direktes Umfeld sehr wichtig. Deshalb kämpft er auch couragiert darum, dass Backnang eine lebens- und liebenswerte Stadt bleibt.

Geht es nach Heinz Franke, müssen sich die Sportler nicht mehr lange gedulden, bis der Neubau der Karl-Euerle-Halle beginnt.Foto: A. Becher

© Pressefotografie Alexander Beche

Geht es nach Heinz Franke, müssen sich die Sportler nicht mehr lange gedulden, bis der Neubau der Karl-Euerle-Halle beginnt.Foto: A. Becher

Von Matthias Nothstein

Die Backnanger Agenda ist riesig. Bahnhofsumbau, Löwenareal, Karl-Euerle-Halle, Hochwasserschutz, Schul- und Kita-Erweiterungen, Straßenbau, Wohnungsbau, Flüchtlingsbetreuung. Wo sehen Sie die Prioritäten?

Für uns hat die Schaffung bezahlbaren Wohnraums eine ganz hohe Priorität. Das war schon in den vergangenen Jahren in den Haushaltsreden und -anträgen unser Thema. Wohnungsbau heißt für uns nicht nur höherpreisige Wohnungen, sondern Wohnraum, den sich eine normal verdienende Familie leisten kann. Wir wollen die städtische Wohnbau stärken; deren Ausstattung mit Eigenkapital wurde bereits verbessert. Aber auch mit der Kreisbau und der Baugeno möchten wir intensiv zusammenarbeiten, damit hier in der Stadt gute Angebote gemacht werden können.

Dieser soziale Wohnungsbau wurde lange Zeit sträflich vernachlässigt, jetzt wird an allen Ecken und Enden gebaut. Sind Sie zufrieden mit diesen Anstrengungen?

Dass überall gebaut wird, ist ein Stück weit der Not gehorchend. Aber man ist viel zu spät wieder eingestiegen. Ich bedauere sehr, dass wir vor etwa 20 Jahren den größten Teil unserer städtischen Wohnungen verkauft haben. Dem würde ich heute nie mehr zustimmen. Die Politik sollte sich jedoch heute durchaus noch bessere Förderungen für den sozialen Wohnungsbau überlegen. Derzeit wird in Backnang sehr viel gebaut. Man darf aber nicht nur auf die Bautätigkeit schauen, sondern muss auch darauf achten, was das für Folgen hat, angefangen von Kindergartenplätzen, Schulen, ärztlicher Versorgung, Verkehrsinfrastruktur. Da hat man in Backnang bisher den Fokus zu sehr aufs Bauen gerichtet.

Kann durch den jüngsten Bau-Boom das Defizit der Vergangenheit bald behoben werden, oder werden die Fortschritte durch den neuen Bedarf sofort wieder aufgewogen?

Durch die rege Bautätigkeit, die wir hauptsächlich im Süden von Backnang haben, ist es jetzt ja nicht unbedingt so, dass da bezahlbarer Wohnraum entsteht, denn schon eine ganz normal große Wohnung muss sich erst einmal jemand leisten können, egal ob Kauf oder Miete. Die Nachfrage ist riesengroß, aber es muss auch erschwinglich sein, darauf legen wir großen Wert.

Sie fordern eine Quote für Sozialwohnungen beim Wohnungsbau, was aber zuletzt abgelehnt wurde. Ich gehe aber davon aus, dass Sie nicht locker lassen werden?

Das wird ein Thema bei uns bleiben. Wir werden künftig bei Projekten sehr frühzeitig schon im Bebauungsplanverfahren diese Forderung aufstellen. Sonst sind zumindest aus unserer Sicht solche Projekte nicht mehr genehmigungsfähig.

Bei den Prioritäten haben Sie die Euerle-Halle nicht erwähnt. Wie lange müssen die Sportler noch auf den Neubau warten?

Wenn es nach uns geht nicht mehr lange. Klar ist, dass dieses Projekt deutlich teurer wird, als wir es ursprünglich geplant hatten. Für uns ist es allerdings keine Frage, dass die Halle kommen muss. Aber es wäre Kaffeesatzleserei zu sagen, wann es tatsächlich losgeht. Sie hat – wenn man alle Projekte in Backnang anschaut – eine ganz hohe Priorität. Letztendlich muss man aber sehen, wie teuer der Bau wird und wie er finanzierbar ist.

Tragen Sie den Neubau auch mit, wenn er deutlich teurer als die prognostizierten 13 Millionen Euro wird?

Man kann so ein Projekt nie isoliert sehen, sondern muss berücksichtigen, was in Backnang zeitnah alles notwendig ist und wie unsere finanziellen Möglichkeiten sind. Aber für uns hat die Halle eine 1-A-Priorität.

Für Kinder, Schüler, Sportler, Flüchtlinge wird viel getan, geraten dabei die Senioren ins Hintertreffen?

Das kommt darauf an, was man konkret meint. Eine unserer Forderungen ist zum Beispiel, die Grabenstraße für den Durchgangsverkehr dicht zu machen. Auch die Seniorenvertreter sind dafür, dass diese Einkaufsstraße verkehrssicherer gemacht und die Einkaufs- und Aufenthaltsqualität gesteigert wird. Ganz wichtig ist die Sicherstellung einer guten ärztlichen und pflegerischen Versorgung – ambulant wie stationär. Und der ÖPNV kann durchaus noch weiter ausgebaut werden. Oft sind es aber nur kleine Dinge, die Erleichterungen bringen, wie etwa der Einkaufsbus, der einmal in der Woche von den südlichen Stadtteilen zu den Einkaufsmärkten in der Weissacher Straße fährt.

Wachstum ist ein Begriff, der bei vielen Menschen positiv besetzt ist. Backnang könnte demnächst die Marke 40000 Einwohner übertreffen. Ist das für Sie erstrebenswert oder beängstigend?

Erstrebenswert ist das überhaupt nicht. Für uns ist ein gutes strukturiertes Wachstum der Stadt ein Ziel. Das zielt aber nicht nur in Richtung neuer Wohngebiete, sondern beinhaltet die gesamte gesellschaftliche, soziale und wirtschaftliche Infrastruktur. Da geht es auch um ausreichende Kindergartenplätze und um schulische Angebote. Dauernd wird zum Beispiel zu Recht beklagt, dass es in Backnang zu wenig Kinderärzte gibt. Und in der Rushhour bricht in der Blumenstraße fast der Verkehr zusammen. Da muss man sich halt auch Gedanken machen, was das Wachstum für Konsequenzen hat und sich überlegen, wie Backnang eine lebenswerte und liebenswerte Stadt bleibt.

Auch in Backnang drohen Fahrverbote wegen überhöhter Stickoxidwerte. Ist der Ausbau des ÖPNV eine Lösung?

Ein weiterer Ausbau des ÖPNV kann sicher dazu führen, dass an der einen oder anderen Stelle aufs Auto verzichtet wird. Aber dazu muss der ÖPNV weiter optimiert werden. Er ist immer ein Drauflegangebot für die Kommune oder wer immer ihn auch betreibt. Kostendeckend wird er nie sein. Das heißt: Wir müssen gegebenenfalls die politische Entscheidung treffen, da Geld in die Hand zu nehmen, damit die Bevölkerung verstärkt öffentliche Verkehrsmittel nutzt. Aber ein attraktives Angebot kostet Geld.

Zuletzt kritisierten Sie, dass viele Entscheidungen in Unter-, Unter-, Unterausschüsse verlagert werden. Wie kann ich das verstehen?

Wir haben zum Beispiel schon mehrfach moniert, dass der Stadtentwicklungsausschuss in den vergangenen Jahren kaum getagt hat und erst jetzt wieder zweimal jährlich tagt. Das ist dieses Gremium, in dem man auch mal ein bisschen Fantasie entwickeln und über den Tellerrand hinausgucken kann. Da müssen wir keine neuen Unterausschüsse kreieren, die bestehenden Gremien reichen aus. Neue Ausschüsse verhindern auch nicht, dass wir manche Informationen aus der Zeitung bekommen, bevor die Verwaltung informiert.

Kritik gibt es auch von Riva-Chef Hermann Püttmer. In einer Traueranzeige brandmarkte er das Desinteresse der Stadt und die fehlende Kommunikation. Wo hat er recht, wo nicht?

Es gilt für beide Seiten: Der Ton macht die Musik. Herr Püttmer ist ja für seine rustikale Art bekannt. Er bringt teilweise gute Ideen, aber man muss sehen: Backnang ist Backnang und nicht New York und nicht Berlin und nicht Frankfurt. Es ist sicher eine gute Sache, dass er sich im Kaelble-Areal engagieren möchte. Die Stadt ist ja an einer guten und für Backnang passenden Lösung interessiert. Aber wenn das Klima so belastet ist, ist die Bereitschaft, aufeinander zuzugehen, halt etwas eingeschränkt.

Was wünschen Sie sich für das Kaelble-Areal?

Eine sinnvolle Wohnbebauung, aber keinen Wohnturm. Man kann durchaus auch ein Museum oder Veranstaltungsräumlichkeiten bauen, aber es kommt immer drauf an, in welcher Größe und wofür. Und für eine Hochschule braucht es ein genehmigungsfähiges Konzept.

Die SPD ist bundesweit im Sinkflug. Sind Sie zuversichtlich, nach der Kommunalwahl weiter zweitstärkste Fraktion zu sein?

Ich bin es und gehe davon aus. Kommunalwahlen sind im weitesten Maße Persönlichkeitswahlen. Parteipolitik spielt im Gemeinderat eine untergeordnete Rolle.

Heinz Franke Zur Person

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Erstellt:
20. August 2018, 09:20 Uhr

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