Späte Sperrstunde soll Stadt beleben
Antrag im Gemeinderat auf eine Ausweitung der Außenbewirtschaftung – Anwohner beschweren sich häufig über Ruhestörung
Die Backnanger Innenstadt beleben, so lautet die Forderung, die Charlotte Klinghoffer im Gemeinderat vorbrachte. Ein Anfang wäre, vor allem im Sommer die Sperrstunde zu verlängern. So würden die Straßen belebt und vielleicht auch mehr Gastronomen angelockt, die mit ihren Lokalen die Leerstände füllen.

© Pressefotografie Alexander Beche
Länger draußen feiern? Was für Anwohner nicht unbedingt attraktiv klingt, könnte bei Gastronomen die Kassen klingeln lassen und die Stadt zum Lebensmittelpunkt machen. Archivfoto: A. Becher
Von Sarah Schwellinger
BACKNANG. Wie sagt man so schön? Am Ende des Tages werden zu einer bestimmten Zeit die Bürgersteige hochgeklappt. Vor allem im Sommer bedeutet das ein schnelles Aus fürs abendliche Zusammensitzen unter freiem Himmel. Die Sperrstunde ruft, die Gäste müssen entweder in die Gaststätten oder nach Hause – jedenfalls runter von der Straße. Und oft sind damit die Straßen wie leer gefegt. Charlotte Klinghoffer vom Bürgerforum Backnang merkte in einer Sitzung des Gemeinderats an: Die Sperrstunde in der Innenstadt muss verlängert werden. Damit will sie nicht nur etwas gegen den Leerstand tun, sondern gleichzeitig die City wiederbeleben.
Die Bevölkerung wächst und trotzdem schließt Laden um Laden in der Fußgängerzone: „Wir müssen uns darauf einstellen. Wir können den Wandel mit Amazon, Zalando und Co. nicht verhindern.“ Deshalb soll jetzt umgedacht, das Thema von anderer Seite aus beleuchtet werden.
Wo treffen mehr Menschen aufeinander, als beim gemütlichen Beisammensein? Die Stadt soll Treffpunkt und Lebensmittelpunkt werden, an dem man mehr Zeit verbringt, als nur den schnellen Einkauf. „Es ist notwendig, etwas zu tun“, findet Klinghoffer. Das Leben wandle sich und somit müsse sich die Stadt Backnang mit wandeln und zwar hin zur Gastronomie. „Es bringt nichts, wenn wir die leer stehenden Geschäfte schnell mit etwas füllen, das keine Substanz hat und nach zwei Jahren steht der Laden wieder leer.“
Mit Gastronomie könne man das Ganze nachhaltiger gestalten: „Die gutbürgerliche Gastronomie, wie das Markgraf oder der Kunberger, ist überfüllt. Wer nicht reserviert hat, muss mit Wartezeiten rechnen.“ Und auf eben dieses Pferd will die Stadträtin setzen.
Sie hofft auf ein für Gastronomen attraktives Backnang. Dazu würde eine Verlängerung der Sperrstunde beitragen, ist sie sich sicher: „Wirte würden es sicher begrüßen, wenn Gäste im Sommer länger draußen sitzen können.“ So will sie die Backnanger in ihrer Stadt halten, damit nicht mehr so viele in Richtung Stuttgart fahren, um dort etwas trinken zu gehen oder gemütlich etwas essen.
Wirte interessiert an längerer Außenbewirtschaftung
Doch mit der Anfrage rennt die BfB-Fraktion bei der Stadtverwaltung nicht gerade offene Türen ein. Momentan gilt für die Außenbewirtung: Unter der Woche ist um 23 Uhr, von Freitag auf Samstag sowie von Samstag auf Sonntag um 0 Uhr Zapfenstreich. So teilt Backnangs Oberbürgermeister Frank Nopper auf Anfrage mit: „In einzelnen Gastronomiebetrieben, die sich in unmittelbarer Nähe zu Wohnungen befinden, wurde im Einzelfall verfügt, dass die Außenbewirtung bereits um 22 Uhr einzustellen ist.“
Zwar haben sich im vergangenen Sommer einzelne Wirte bei der Stadtverwaltung erkundigt, ob eine Verlängerung der Außenbewirtung möglich sei, doch dem stünden vermehrt Beschwerden von Anwohnern gegenüber. Ruhestörung ist in diesem Falle der größte Gegner der erweiterten Sperrstunde. Einige Anwohner fühlen sich vom Lärm der Außenbewirtung durch Gastronomiebetriebe gestört. Die Lautstärke ist das Thema, das die Sperrstunde regiert. Zu lautes Reden, Lachen und Geselligsein stört diejenigen, die um diese Uhrzeit eigentlich längst schlafen wollten – doch bringt genau das Leben in die Stadt. Dazu meint Nopper: „Je nach konkreter örtlicher Lage des Betriebs kann das Interesse am Schutz der Nachtruhe der Anwohner das Interesse des Wirts und seiner Gäste, länger im Außenbereich der Gaststätte bewirten und verweilen zu können, überwiegen.“
In Schwäbisch Hall, das etwa ähnlich viele Einwohner hat, ist die Regelung der Stadtverwaltung genau dieselbe: Im Sommer dürfen Gäste bis 23 Uhr im Außenbereich sitzen, das gilt auch für den zentralen Biergarten Unterwöhrd. Während der Freilichtspielesaison ist eine Außenbewirtung sogar bis 0 Uhr möglich. Franziska Hof, Pressesprecherin der Stadt, erklärt: „Die Freilichtspiele haben eine sehr lange Tradition in Schwäbisch Hall, sodass die Innenstadtbewohner auf die vorübergehende Geräuschkulisse eingestellt sind.“ Zum Thema Ruhestörung teilt sie mit: „Nach Rücksprache mit unserem Fachbereich Bürgerdienste und Ordnung gibt es im Sommer nur selten Anlass zu Beschwerden.“
Für die Bewirtung in geschlossenen Räumen gilt wiederum nicht eine Regelung der Stadt, sondern die Gaststättenverordnung des Landes Baden-Württemberg. Nach diesem Regelwerk beginnt die allgemeine Sperrzeit wochentags um 3 Uhr, in der Nacht auf Samstag und in der Nacht auf Sonntag um 5 Uhr.
„Es ist aber möglich“, erklärt die Haller Pressesprecherin, „bei unserer Gaststättenbehörde eine Aufhebung der Sperrstunde am Wochenende zu beantragen. Das heißt, dass die Gaststättenbetreiber auch bis 6 Uhr öffnen dürfen.“ Dies sei aus der Sicht der Haller Stadtverwaltung auch sinnvoll, da so die nächtliche Ruhe durch Clubgänger nicht gestört werde. In der Schwäbisch Haller Polizeiverordnung ist zudem festgeschrieben, dass aus Gaststätten in bebauten Gebieten kein Lärm nach außen dringen darf. „Wir haben da bisher gute Erfahrungen gemacht“, fasst Hof zusammen. In Backnang sieht die Sache etwas anders aus. „Von der Möglichkeit einer zeitlichen Einschränkung durch Rechtsverordnung hat die Stadt im Unterschied zu einigen anderen Städten bislang keinen Gebrauch gemacht“, so Nopper, „Anfragen von Gastronomen, die Sperrzeit für die Bewirtung in geschlossenen Räumen zu verkürzen oder gar aufzuheben, liegen – wohl in Anbetracht der großzügigen Regelung der Stadt Backnang – nicht vor.“
„Aktiv nach Bedürfnissen schauen und Lösungen finden“
Für Charlotte Klinghoffer ist klar: Der Bedarf ist da und die Stadt darf nicht zusehen, wie sich alles um sie herum verändert. Anstatt mehr Imbisse, soll es mehr Gaststätten mit Außenbereich geben. Der geplante Biergarten des mexikanischen Restaurants an der Murr wäre ein guter Anfang. „Wir müssen aktiv nach den Bedürfnissen der Backnanger schauen und dementsprechend Lösungen finden.“ OB Nopper abschließend: „Backnang soll eine Stadt der Vitalität und der Lebensfreude sein, in der aber auch das berechtigte Ruhebedürfnis von Anwohnern angemessen berücksichtigt wird – frei nach dem Motto: Leben und leben lassen.“