Wo es der Opposition unter den Nägeln brennt

dpa/lsw Stuttgart. Baden-Württemberg steckt mitten in einer Krise - und kurz vor einer Landtagswahl. SPD und FDP wollen mitgestalten. Und formulieren getrennt voneinander, was ihnen an der Regierungsarbeit nicht passt.

Andreas Stoch, SPD-Fraktionsvorsitzender im Landtag von Baden-Württemberg. Foto: Marijan Murat/dpa/Archivbild

Andreas Stoch, SPD-Fraktionsvorsitzender im Landtag von Baden-Württemberg. Foto: Marijan Murat/dpa/Archivbild

Die Sommerpause ist vorbei, die Corona-Pandemie noch nicht. Der Blick der Landespolitik richtet sich auf die Landtagswahl 2021. Die Landtagsfraktionen berieten getrennt voneinander in Klausurtagungen ihr Programm für die kommenden Monate. Am Donnerstag stellten SPD und FDP die Ergebnisse vor.

KAMPF GEGEN CORONA: Die Landtags-FDP fordert von der grün-schwarzen Landesregierung im Kampf gegen Corona ein stärkeres Augenmerk auf die Lage in den Kliniken. „Was uns zu kurz gesprungen erscheint, ist die im Grunde vollständige Reduktion der Corona-Politik auf die Zahl der Neuinfektionen“, kritisierte Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke. Seit sechs Wochen habe man eine erhöhte Zahl an Infektionen, aber die Zahl der Todesfälle sei nicht gestiegen, und die Situation in den Kliniken sei nicht schlechter geworden. Von einer Überlastung der Krankenhäuser, wie man sie zu Beginn der Pandemie vermeiden wollte, könne keine Rede sein. Das Sozialministerium wies die Kritik umgehend zurück: Selbstverständlich habe man die Lage in den Krankenhäusern im Blick, teilte eine Sprecherin mit. Die Lenkungsgruppe der Landesregierung habe erst am Mittwoch beschlossen, die Quote der freizuhaltenden Intensiv- und Beatmungsplätze für Corona-Patienten von rund 35 Prozent auf 10 Prozent zu reduzieren.

WIRTSCHAFT: Wegen des industriellen Wandels setzen sich die Sozialdemokraten im Südwesten für ein Bildungszeitkonto für Arbeitnehmer ein, das einen Tag im Monat Fortbildungen ermöglicht. Die SPD will mittelständischen und kleinen Unternehmen so beim Ausbau neuer Antriebstechniken wie Batterie- und Wasserstoffzellen helfen. „Wir wollen alles dafür tun, dass wir Arbeitsplätze im Land erhalten. Und wir wollen, dass auch die Autos und Maschinen der Zukunft in Baden-Württemberg gebaut werden“, sagte Fraktionschef Andreas Stoch.

HAUSHALT: Um die Konjunktur anzukurbeln und Vorsorge zu treffen vor einer zweiten Pläne, plant die Landesregierung weitere Mehrausgaben von zwei Milliarden Euro in den Verhandlungen zum Nachtragshaushalt. Am Freitag soll der Beschluss in der Haushaltskommission getroffen werden. Rülke warb dafür, den Konsens mit der Opposition zu suchen. Man lehne grundsätzlich keine Neuverschuldung ab, aber man müsse auch sparen. Derzeit werde versucht, unter dem Deckmäntelchen Corona Wahlgeschenke zu verteilen. Wenn die Regierung Schulden an der Opposition vorbei durchdrücke, werde man das gegebenenfalls gerichtlich überprüfen lassen.

BILDUNG: Den Schulen nütze mit Blick auf die Digitalisierung nicht nur die bloße Auslieferung von Tablet-Computern, erklärte Stoch, sondern sie müssten auch bei der Inbetriebnahme und der Wartung unterstützt werden. Die Sozialdemokraten fordern, professionelle IT-Hilfen in den Kommunen einzurichten, die vom Land und den Kommunen finanziert werden. Um mehr Lebenswirklichkeit in Kitas zu bringen, sollen nach Vorstellung der SPD auch nichtpädagogische Fachleute in multiprofessionelle Teams aufgenommen werden.

PFLEGE: Die FDP im Landtag weist Pläne von Sozialminister Manne Lucha (Grüne) für eine Pflegekammer mit Pflichtmitgliedschaft im Land zurück. „Die Pflegekammer bringt für die Situation in der Pflege und der dort Beschäftigten keine substanzielle Verbesserungen, sondern nur Kostenbelastung durch Zwangsbeiträge“, sagte Rülke. Mit einer Pflegekammer wollte die Landesregierung die Attraktivität des Berufsstandes und damit die Zahl der dringend benötigten Pflegekräfte erhöhen. Die Kammer sollte im kommenden Jahr eigentlich die Arbeit aufnehmen. Wie „Stuttgarter Zeitung“ und „Stuttgarter Nachrichten“ berichten, verschiebt Lucha die Gründung der Kammer aber nun wegen Widerständen von verschiedenen Seiten in die nächste Legislaturperiode.

POLIZEIGESETZ: Sowohl SPD als auch FDP halten die Reform des Polizeigesetzes von Innenminister Thomas Strobl (CDU) für verfassungswidrig. Sie stören sich daran, dass Polizisten künftig in bestimmten Fällen Schulterkameras („Bodycams“) auch in Wohnungen oder Diskotheken einsetzen dürfen. Zudem soll mit dem neuen Gesetz die Rechtsgrundlage für Kontrollen von Menschen bei Großveranstaltungen wie Fußballspielen verbessert werden. „Wie nicht anders zu erwarten, hat Herr Strobl mal wieder Murks abgeliefert“ sagte Rülke.

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Erstellt:
17. September 2020, 16:23 Uhr

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