„Staatssekretärs-Volkssturm“: Landtagspräsidentin rügt Rülke

dpa/lsw Stuttgart. „Das geht gar nicht“, hieß es bei Grünen und CDU. Der Ärger über den Nazi-Vergleich von FDP-Fraktionschef Rülke ist immer noch groß. Nun zeigt die Landtagschefin ihm die Gelbe Karte - und missbilligt damit indirekt auch den Umgang ihres Vizes mit der Causa.

Hans-Ulrich Rülke (FDP), Vorsitzender der FDP-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg. Foto: Marijan Murat/dpa

Hans-Ulrich Rülke (FDP), Vorsitzender der FDP-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg. Foto: Marijan Murat/dpa

Landtagspräsidentin Muhterem Aras hat FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke für dessen „Volkssturm“-Vergleich im Parlament gerügt. Die Grünen-Politikerin schrieb in einem Brief an Rülke, sie könne die Verärgerung von Innenminister Thomas Strobl (CDU) über diesen Ausspruch verstehen. Rülke wisse sicher, dass sich das Landtagspräsidium darauf verständigt habe, „dass Vergleiche mit Begriffen aus der Zeit des Nationalsozialismus unzulässig sind“.

Der FDP-Politiker hatte sich vor einer Woche im Landtag darüber mokiert, dass im Innenministerium alle Staatssekretäre zurückgeholte Rentner seien. Strobl finde sonst niemanden. „Deshalb ist es notwendig, im Innenministerium eine Art Staatssekretärs-Volkssturm auf die Beine zu stellen“, sagte Rülke. Vor allem bei den Grünen sorgte das sofort für Empörung. Strobl schrieb etwas später an Aras, Rülke müsse sich entschuldigen.

In dem Schreiben der Landtagschefin an den FDP-Politiker, das der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart vorliegt, heißt es weiter: „Durch die Verwendung des Ausdrucks „Staatssekretärsvolkssturm“ haben Sie in ihrer Rede (...) eine Formulierung gewählt, die jedermann mit einer militärischen Formation in der Endphase des Zweiten Weltkriegs in Verbindung bringt, und somit einen Bezug zum Nationalsozialismus hergestellt.“ Aras schloss mit der Bitte: „Ich wäre Ihnen dankbar, wenn wir wieder zu einer ordnungsgemäßen Debattenkultur zurückkehren könnten, zumal mir und dem ganzen Hohen Hause selbstverständlich bewusst ist, dass Sie ein ausgewiesener Gegner der NS-Ideologie sind.“

Rülke lehnte eine Entschuldigung ab und zog sich nach der Debatte darauf zurück, dass der Begriff „Volkssturm“ schon während der Französischen Revolution verwendet worden sei, etwa beim Sturm auf die Bastille in Paris im Jahr 1789. In einem Antwortschreiben an Aras bekräftigt Rülke nun, er habe seine Aussage am Jahrestag der Französischen Revolution getätigt. Es habe sich ausgezahlt, dass mit dem Vizepräsidenten Wolfgang Reinhart (CDU) „ein bildungsbürgerlicher Citoyen die Sitzung geleitet hat, der sowohl was die französische Kultur als auch was universelle staatsbürgerliche Bildung anlangt dem amtierenden Innenminister doch haushoch überlegen erscheint“. Reinhart habe deswegen völlig zurecht „meine Begrifflichkeit in der Sitzung ungerügt gelassen“.

Bei Grünen und Union gibt es dagegen Unmut über Reinharts Sitzungsleitung. Direkt nach Rülkes Vergleich empörte sich Grünen-Geschäftsführer Uli Sckerl über den Ausspruch. Sein Fraktionschef Andreas Schwarz forderte den FDP-Mann auf, sich für den Begriff zu entschuldigen. Dagegen ließ Reinhart die Debatte weiterlaufen. Aus den Reihen der Grünen- und der CDU-Fraktion ist zu hören, dass es Unzufriedenheit mit der Amtsführung von Reinhart gibt. Der Brief von Aras sei als Missbilligung zu verstehen, dass ihr Vize nicht sofort eingegriffen habe, hieß es.

Der Deutsche Volkssturm wurde im September 1944 in der Endphase des Zweiten Weltkriegs von den Nazis aufgestellt, um alle Männer zwischen 16 und 60 Jahren, die bis dahin noch nicht gekämpft hatten, für die Verteidigung des Landes zu mobilisieren.

© dpa-infocom, dpa:210722-99-472008/4

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Erstellt:
22. Juli 2021, 05:50 Uhr

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