Stadtautobahn wird zum Boulevard

Es gibt einen ersten Rahmenplan für das Jahrhundertprojekt zwischen Mineralbädern und Marienplatz. Knapp 60 000 Quadratmeter könnten entlang der „Stadtautobahn“ neu gewonnen werden.

Die B 14 soll endlich umgestaltet werden – auch zwischen dem Gebhard-Müller-Platz und dem Neckartor.

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Die B 14 soll endlich umgestaltet werden – auch zwischen dem Gebhard-Müller-Platz und dem Neckartor.

Von Alexander Müller

Stuttgart - Die Zahlen sind beeindruckend: Knapp 60 000 Quadratmeter – davon 30 000 versiegelte Flächen – könnten neu gewonnen werden, knapp 10 000 Quadratmeter für Sport, Spiel und Bewegung genutzt sowie 1300 Bäume gepflanzt werden. Dazu 25 zusätzliche Querungsmöglichkeiten und nicht zuletzt ein sieben Kilometer durchgehender Radweg. Und das im topografisch eingeengten Stuttgarter Talkessel. Kein Wunder, dass von vielen Seiten von einem Jahrhundertprojekt die Rede ist. Der Umbau der B 14, die die Stadt als 4,5 Kilometer lange Schneise zwischen Mineralbädern und Marienplatz durchschneidet, nimmt Fahrt auf. Die Voraussetzung dafür: Wie vom Gemeinderat beschlossen, müsste der Verkehr um 50 Prozent gesenkt werden.

Planungswettbewerb bereits vor fünf Jahren

Bereits Mitte der 1980er Jahre wurde über eine Umgestaltung der in den 1960er und 1970er Jahren für ein autogerechtes Stuttgart entwickelten „Stadtautobahn“ diskutiert. Erste Ideen gingen aus den Entwürfen der Kooperation von asp Architekten/Koeber Landschaftsarchitekten hervor, die im September 2020 aus dem städtebaulichen Planungswettbewerb „Neuer Stadtraum B 14“ als Sieger hervorgingen. „Konkret haben wir diese nun im vergangenen Jahr in dem Rahmenplan weiterentwickelt“, erklärte Ulrich Hanselmann vom Stadtplanungsamt im Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik des Gemeinderats. In einem „B-14-Festival“ sollen die Pläne im Herbst im Stadtpalais vorgestellt und eine Bürgerbeteiligung gestartet werden. Der Zeitplan sieht vor, dass bis Juli 2027 der Bebauungsplan ausgearbeitet werden soll, bis Ende 2027 könnte dann der Baubeschluss gefasst werden.

Zwei anstatt vier Fahrspuren nur auf einem Teilabschnitt

Konkret ist die Umgestaltung der B 14 dabei in sechs Bauabschnitte, sogenannte Sequenzen, unterteilt. Denn die Aufgabe ist vielfältig. „Das konkrete Leitbild sieht vor, neuen Stadtraum zu schaffen, der klimaangepasst ist und auch die verschiedenen Stadtteile besser miteinander verknüpft“, erklärt asp-Architekt Cem Arat. Zudem soll vor allem „auch die Sicherheit von Radfahrern und Fußgängern erhöht, aber auch die Belange der geplanten Quartiersentwicklungen entlang der wichtigen Nord-Süd-Achse berücksichtigt werden“. Dafür soll der gesamte Verkehr durchgängig oberirdisch fließen.

Nach den Vorgaben des Ordnungsamtes beschränkt sich der Straßenrückbau hauptsächlich auf die Verkehrsbereiche zwischen den zahlreichen Plätzen, lediglich zwischen Marien- und Österreichischem Platz sollen die Fahrspuren von vier auf zwei reduziert werden, „was dennoch genügend Platz für einen multifunktionalen Stadtraum bietet“, betont Arat. So könnten neue Grün- und Aufenthaltsflächen entlang der gesamten B 14 generiert, die Gehwege durchgängig beidseitig auf vier Meter verbreitert werden. Unter anderem unter dem Österreichischen Platz könnte eine öffentliche Aktionsfläche entstehen und mit einem bis zu 16 Meter breiten Grünstreifen in der Mitte der Fahrbahnen zwischen Charlotten- und Gebhard-Müller-Platz – der ursprünglichen Kulturmeile – für eine bessere Anbindung von Staatsgalerie an Oper und dem Hauptbahnhof geschaffen werden.

Der Startschuss könnte in der Cannstatter Straße erfolgen

Einwände gab es vom bürgerlichen Lager einmal mehr am Grundsatzbeschluss für den Rückbau der Straße. „Dass wir 50 Prozent weniger Verkehr einplanen, heißt nicht, dass es auch 50 Prozent weniger Verkehr geben wird“, sagte Carl-Christian Vetter (CDU). Er begrüßte es, dass lediglich auf einem Teilstück von vier auf zwei Fahrspuren reduziert werden soll. Die ökosoziale Seite kritisierte den „nach wie vor überdimensionierten Verkehrsknotenpunkten anstatt wirklicher Plätze“. Hannes Rockenbauch (SÖS) monierte, dass man nun wieder von einstmals drei auf vier Verkehrsspuren hochgehe, sei nicht Bestandteil des damaligen Siegerentwurfes gewesen.

In den vergangenen Jahrzehnten ist der Verkehr in der Innenstadt laut Stephan Oehler tatsächlich zurückgegangen. Trotzdem müsse man schauen, dass „das Infrastrukturnetz weiter funktionsfähig bleibt“. Und selbst bei 50 Prozent weniger Verkehr „bleiben von täglich 80 000 Autos, die über die B 14 fahren, immer noch 40 000 übrig“, betonte der Leiter der Abteilung Verkehrsplanung. Freie Wähler und FDP setzen dabei auch darauf, dass der Umbau in Abschnitten erfolgen soll. „Vielleicht gibt es über die Jahre noch neue Erkenntnisse“, sagte Michael Schrade (Freie Wähler). Schließlich soll sich die Gesamtmaßnahme bis 2048 hinziehen.

Aus Sicht von SPD und Grünen soll der Umbau dagegen nicht mehr weiter hinausgeschoben werden. Für Björn Peterhoff (Bündnis 90/Grüne) rücken dabei die Randlagen in den Fokus, vor allem der Abschnitt zwischen Neckartor und Mineralbädern. Denn unter der Cannstatter Straße, wie die B 14 dort heißt, wird ab Ende 2025 bis Anfang der 2030er Jahre ein Abwasserkanal für den Nesenbach neu gebaut. „Im Zuge dessen soll auch die Oberfläche gleich in den angedachten Endzustand gebracht werden.“

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Erstellt:
15. Juli 2025, 13:34 Uhr
Aktualisiert:
15. Juli 2025, 16:17 Uhr

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