Stadtwerke sollen grüner werden

Auf dem Weg zur Klimaneutralität kommt den Stadtwerken in Backnang eine Schlüsselrolle zu. Statt wie bisher auf Erdgas soll das Unternehmen künftig stärker auf regenerative Energieträger setzen. Das geplante Nahwärmenetz auf der Oberen Walke ist nur der Anfang.

Seit Anfang Oktober hat Thomas Steffen bei den Stadtwerken Backnang das Sagen. Der neue Geschäftsführer würde gerne in weitere Nahwärmenetze investieren.

© Alexander Becher

Seit Anfang Oktober hat Thomas Steffen bei den Stadtwerken Backnang das Sagen. Der neue Geschäftsführer würde gerne in weitere Nahwärmenetze investieren.

Von Kornelius Fritz

Backnang. In einer Gemeinderatssitzung kurz vor der Sommerpause platzte Willy Härtner der Kragen. „Die Stadtwerke sollen sich endlich mal bewegen und nicht immer nur ihr Gas verkaufen“, schimpfte der Fraktionschef der Grünen im Backnanger Gemeinderat. Gerade waren dort mal wieder zwei Bauprojekte vorgestellt worden, bei denen die Investoren auf klassische Gasheizungen setzen. Für Härtner ein Unding in einer Zeit, in der auch auf lokaler Ebene Klimaneutralität das erklärte Ziel ist.

„Wenn wir mit Holz aus heimischen Wäldern heizen, sind 90 Prozent CO2-Einsparung möglich“, macht Härtner deutlich. In der Septembersitzung war der Stadtrat dann wieder etwas versöhnt: Auf der Oberen Walke wollen die Stadtwerke nun tatsächlich ein Nahwärmekonzept mit Holzhackschnitzeln umsetzen. Es ist das erste größere Projekt dieser Art in Backnang.

Dass weitere folgen müssen, steht auch für Thomas Steffen fest. Der neue Geschäftsführer der Stadtwerke Backnang (siehe Infobox) räumt ein, dass Erdgas in der Vergangenheit oft die erste Wahl war, zum Beispiel beim Nahwärmenetz auf dem ehemaligen Krankenhausareal. „Das war damals die wirtschaftlichste Variante.“ Durch die neue CO2-Steuer und geplante Fördermittel für Nahwärmenetze könnte sich das aber schon bald ändern. Dann wird der Einsatz regenerativer Energiequellen auch finanziell attraktiver, zumal heute schon absehbar ist, dass der Preis für den Ausstoß von Treibhausgasen in den nächsten Jahren weiter steigen wird.

„Gerade bei der Wärmeversorgung müssen wir den Wandel sukzessive hinbekommen“, sagt Thomas Steffen und wünscht sich dafür einen klaren Auftrag von den Gesellschaftern. „Wir müssen grundlegend entscheiden, wie wir uns für die Zukunft aufstellen.“ Die Stadtwerke gehören zu 51 Prozent der Stadt Backnang, 49 Prozent der Anteile hält die EnBW. Zuletzt konnten die Anteilseigner jedes Jahr rund eine Million Euro Gewinn unter sich aufteilen. Die Stadt verwendet dieses Geld, um damit einen Teil des Defizits der Städtischen Bädergesellschaft auszugleichen. Wenn der Klimaschutz bei den Stadtwerken künftig eine höhere Priorität haben soll, wäre das mit Investitionen verbunden. „Das kann dazu führen, dass wir für eine gewisse Zeit weniger Gewinn machen“, erklärt der Geschäftsführer. Ob dies zu akzeptieren ist, sei letztlich die Entscheidung des Aufsichtsrates.

Im Blockheizkraftwerk an der Weissacher Straße wird Wärme für alle Gebäude auf dem ehemaligen Krankenhausareal erzeugt – zum Ärger von Grünen-Fraktionschef Willy Härtner allerdings mit Erdgas und nicht mit Holz. Fotos: A. Becher

Im Blockheizkraftwerk an der Weissacher Straße wird Wärme für alle Gebäude auf dem ehemaligen Krankenhausareal erzeugt – zum Ärger von Grünen-Fraktionschef Willy Härtner allerdings mit Erdgas und nicht mit Holz. Fotos: A. Becher

Zumindest auf städtischer Seite scheint die Bereitschaft dafür da zu sein: „Die Stadtwerke haben in der Vergangenheit hervorragend gewirtschaftet, aber es ist unser Anspruch, dass die klimatischen Auswirkungen künftig stärker berücksichtigt werden“, sagt Oberbürgermeister Maximilian Friedrich, der Vorsitzender des Aufsichtsrates ist. Auch die Vertreter des Gemeinderats unterstützen diesen Kurs. „In der Vergangenheit wurde relativ konstant am Bewährten festgehalten“, sagt Heinz Franke (SPD). Das habe auch daran gelegen, dass sich Ex-OB Frank Nopper nicht allzu vehement für klimafreundlichere Energieformen eingesetzt habe. Mit dem neuen OB und dem neuen Stadtwerke-Geschäftsführer verbindet Franke die Hoffnung, dass das Thema eine andere Dynamik bekommt.

Grünen-Fraktionschef Härtner geht noch einen Schritt weiter. Er fordert künftig für alle größeren Bauprojekte in Backnang bereits in der Planungsphase eine CO2-Bilanzierung. „Dann kann man zwei oder drei Energiekonzepte gegenüberstellen und das beste auswählen“, sagt Härtner. Bislang sei das Thema oft erst ganz am Ende diskutiert worden. Dann habe es zum Beispiel geheißen, eine Pelletsheizung sei aus Platzgründen leider nicht mehr realisierbar.

Stadtwerke-Geschäftsführer Thomas Steffen sieht die Energiewende für sein Unternehmen auch als Chance. Durch die Planung und den Betrieb weiterer Nahwärmenetze eröffneten sich Möglichkeiten, um sinkende Umsätze beim Gasverkauf auszugleichen. Neben der Oberen Walke hat der Stadtwerke-Chef dabei insbesondere das IBA-Quartier im Blick: Dort kann er sich gut ein innovatives Nahwärmenetz vorstellen, bei dem zum Beispiel mit grünem Wasserstoff geheizt wird. Auch bei der Energieerzeugung würden sich die Stadtwerke gerne noch stärker engagieren. Mit acht Blockheizkraftwerken und vier eigenen Fotovoltaikanlagen produzieren sie derzeit rund vier Millionen Kilowattstunden Strom pro Jahr. Das ist nicht besonders viel, doch der Einstieg in regenerative Projekte sei recht schwierig, sagt Steffen und erinnert an den geplanten Windpark Zollstock-Springstein. Dort waren die Stadtwerke als Investor im Boot, bis die Pläne an der Nähe zum Drehfunkfeuer Luburg/Affalterbach scheiterten. Steffens Fazit: „Die Rahmenbedingungen sind nicht gerade investitionsfreundlich.“

Wechsel in der Chefetage

Thomas Steffen ist seit 1. Oktober neuer Geschäftsführer der Stadtwerke Backnang GmbH. Direkt nach seinem Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Universität Hohenheim kam er 2010 als Assistent der Geschäftsleitung zu den Stadtwerken. Zuletzt war er dort als Bereichsleiter Kundenservice, Marketing und Vertrieb tätig. Der 37-Jährige stammt aus Freudenstadt und wohnt seit 2012 in Backnang. Er ist verheiratet und Vater von vier Söhnen.

Markus Höfer, der bisherige Geschäftsführer, ist im Rahmen einer Altersteilzeitregelung Ende September ausgeschieden. Der Diplom-Ingenieur war insgesamt 21 Jahre für die Stadtwerke tätig, seit 2005 als deren Geschäftsführer. In seine Amtszeit fielen unter anderem der Aufbau der Sparte Wärmeversorgung und die Gründung des Stromvertriebs „Backnang Strom“. Oberbürgermeister Maximilian Friedrich würdigte Höfers Engagement: „Unsere Stadtwerke stehen dank Ihnen top solide da und sind für die Zukunft gut aufgestellt.“

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Erstellt:
12. Oktober 2021, 06:00 Uhr

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