Stichwahl zwischen Marxist und Rechtspopulistin in Peru

dpa Lima. Schlagabtausch der Extreme: Links gegen Rechts, Dorfschullehrer gegen Präsidententochter. Auf den ersten Blick könnten die Kandidaten bei der Präsidentenwahl unterschiedlicher kaum sein.

Die beiden Präsidentschaftskandidaten Keiko Fujimori (l) und Pedro Castillo. Foto: Francisco Vigo/AP/dpa

Die beiden Präsidentschaftskandidaten Keiko Fujimori (l) und Pedro Castillo. Foto: Francisco Vigo/AP/dpa

Nach einem Jahr der politischen Turbulenzen haben die Peruaner an der Wahlurne eine echte Richtungsentscheidung getroffen. Bei der Präsidentenstichwahl trat der marxistische Dorfschullehrer Pedro Castillo gegen die Rechtspopulistin Keiko Fujimori an.

Es zeichnete sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen der politischen Extreme ab: In den jüngsten Umfragen lagen die beiden Bewerber fast gleichauf. Mit ersten Ergebnissen wurde am Montagmorgen (MESZ) gerechnet. Über 25 Millionen Peruaner waren zur Wahl aufgerufen.

Castillo will im Fall eines Wahlsiegs einen sozialistischen Staat aufbauen, die Medien stärker kontrollieren und das Verfassungsgericht abschaffen. Fujimori, die Tochter des autoritären Ex-Machthabers Alberto Fujimori, steht für eine neoliberale Wirtschaftspolitik und eine Sicherheitsstrategie der harten Hand. In den vergangenen Jahren war sie wegen Korruptionsvorwürfen allerdings selbst mehrfach in Untersuchungshaft.

Ihr Vater verbüßt wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen eine 25-jährige Haftstrafe. In seiner Amtszeit (1990-2000) ließ er die Sicherheitskräfte rigoros gegen linke und angeblich subversive Kräfte vorgehen, das Parlament wurde entmachtet. Zudem wurden Zehntausende indigene Frauen zwangssterilisiert. Im Fall eines Wahlsiegs will Fujimori ihren Vater begnadigen.

Auf den ersten Blick könnten die Rivalen unterschiedlicher kaum sein: Castillo stammt aus einer bäuerlichen Familie aus der Provinz Chota im Norden des Landes und hatte 2017 einen Lehrer-Streik angeführt. Er gibt sich als Außenseiter im Politikbetrieb und verfügte vor Beginn der Kampagne nicht einmal über ein Twitter-Konto.

Fujimori hingegen gehört zur Elite des Landes, studierte Betriebswirtschaft in den USA und bewegte sich bereits in jungen Jahren in den politischen Kreisen Limas. Nach der Scheidung der Eltern galt sie jahrelang als First Lady und begleitete ihren Vater bereits mit Anfang 20 auf zahlreichen Auslandsreisen.

Auch wenn Castillo und Fujimori für gegensätzliche Extreme auf der politischen Skala stehen, liegen sie bei ihren gesellschaftspolitischen Ansichten gar nicht weit auseinander: Beide vertreten ein konservatives Familienbild, sind gegen gleichgeschlechtliche Ehen und Abtreibung. Beide setzen auf die Ausbeutung von Bodenschätzen und messen dem Schutz von Umwelt und Menschenrechten keine große Bedeutung zu.

Die Herausforderungen für den neuen Präsidenten oder die neue Präsidentin sind enorm: Peru leidet besonders stark unter der Corona-Pandemie. Es gehört zu den Ländern mit der höchsten Sterblichkeitsquote weltweit, zudem brach die Wirtschaft um 12,9 Prozent ein.

Im Landesinneren sind außerdem noch immer Splittergruppen der Guerillaorganisation Sendero Luminoso (Leuchtender Pfad) aktiv. Vor zwei Wochen hatten Rebellen in den Tälern der Flüsse Apurímac, Ene und Mantaro bei einem Massaker 16 Menschen getötet und in einem Pamphlet zum Boykott der Wahl aufgerufen. Am Sonntag blieb es nach Angaben des Wahlamtes zunächst allerdings ruhig.

Das vergangene Jahr war zudem von einem erbitterten Konflikt der Regierung mit dem Kongress geprägt. Zunächst drängten die Parlamentarier Präsident Martín Vizcarra aus dem Amt, dann warf dessen Nachfolger Manuel Merino nach heftigen Protesten das Handtuch. Zuletzt wurde das südamerikanische Land von Übergangspräsident Francisco Sagasti geführt.

© dpa-infocom, dpa:210606-99-884933/2

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Erstellt:
6. Juni 2021, 18:25 Uhr

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