Tälesbräu baut Flaschengeschäft aus

Eine neue Abfüllanlage soll dafür sorgen, dass der Ausstoß mit der wachsenden Nachfrage Schritt hält. Für die kalte Jahreszeit hat der Weissacher Brauer Andreas Huber ein Winterbier kreiert – ein weiches, rundes, vollmundiges Getränk.

Braumeister Andreas Huber und Vertriebschefin Jessica Häußer wollen mit der neuen Abfüllanlage im Flaschengeschäft voll durchstarten.

© Alexander Becher

Braumeister Andreas Huber und Vertriebschefin Jessica Häußer wollen mit der neuen Abfüllanlage im Flaschengeschäft voll durchstarten.

Von Armin Fechter

WEISSACH IM TAL. „Wir wollen wachsen“, erklärt Jessica Häußer zielstrebig: Die Nachfrage sei enorm. Das Bräustüble – die Alte Schmiede direkt über der Produktionsstätte – ist coronabedingt zurzeit zwar erneut geschlossen, nachdem auch im Sommer Einschränkungen hinzunehmen waren. Was hart war, denn in der Gaststätte mit Biergarten wurde ein Großteil des erzeugten Gerstensafts umgesetzt – frisch vom Fass, versteht sich. Dafür aber finden die Schnätterle- und Woiza-Flaschen vom Weissacher Tälesbräu reißenden Absatz – und das nicht erst seit der Pandemie. Die Geschäfte laufen sogar so gut, dass es bisweilen zu Lieferverzögerungen gekommen ist.

Darauf galt es zu reagieren. „Wir haben uns Anfang des Jahres entschlossen, uns noch besser im Flaschengeschäft und somit im Einzelhandel aufstellen zu wollen“, erklärt die Vertriebsleiterin, die als gelernte Finanzassistentin im Versicherungs- und Bankwesen mit Zahlen umgehen kann. Sie sieht auf der Flaschenschiene große Erfolgschancen für das noch junge Unternehmen. Die Deutschen mögen zwar nach bundesweiten Statistiken immer weniger Bier trinken. Das gilt aber nicht für die Erzeugnisse aus dem Täle, die auf ein neugieriges und dabei treues Publikum stoßen. Anfangs gab es die schicken 0,3-Liter-Fläschchen nur vor Ort im Direktverkauf und beim örtlichen Getränkehändler Kugler. Inzwischen aber werden bereits mehrere Märkte in der Umgebung bis hin zum Unverpacktladen in Backnang beliefert.

Dafür musste der Familienbetrieb die Produktion ankurbeln. Dem Ausstoß waren aber Grenzen gesetzt, denn anfangs war alles Handarbeit, vom Reinigen der Flaschen übers Abfüllen bis hin zum Etikettieren. Maximal 100 Flaschen pro Stunde waren da zu schaffen – und dafür mussten Braumeister Andreas Huber und alle Helfer schon gut zulangen.

Der Tälesbräu-Chef baut seine Produktion Schritt für Schritt aus.

Eine gewisse Erleichterung brachte da die Flaschenreinigungsanlage, die der Start-up-Unternehmer gebraucht erwerben konnte. Im nächsten Schritt legte er sich weitere Tanks zu. So kann er flexibler produzieren – je nach Bedarf mehrere Sorten parallel oder aber von stark nachgefragten Sorten mehr auf einmal.

Und um für den letzten Schritt vor der Auslieferung auch noch größere Handlungsfreiheit zu erzielen, hat die Firma jetzt in eine moderne Abfüllanlage investiert. Die Konstruktion von IC Filling Systems schafft immerhin 1200 Flaschen pro Stunde und ermöglicht damit genug Output, um für eine Expansion gerüstet zu sein. Als Tüpfelchen aufs i wird nun noch ein Etikettierautomat angebaut, der das Mindesthaltbarkeitsdatum auf die Tälesbräu-Aufkleber druckt.

Bis die neue Abfüllanlage gestanden ist, waren allerdings einige Hürden zu nehmen. Bereits vor einem Jahr hatte sich Andreas Huber das System angeschaut, als er nämlich auf der BrauBeviale unterwegs war, der Messe für das Brauwesen schlechthin. Die Leistung der Anlage passte, der Preis des italienischen Herstellers auch, also erhielt das Unternehmen aus Bergamo den Auftrag.

Dann kam Corona. Der Firmensitz befindet sich ausgerechnet in der Stadt in Norditalien, die wegen Infektionen und Todesfällen besonders betroffen war und wochenlang die Nachrichten beherrschte. Reisebeschränkungen traten in Kraft und machten dem Craftbeer-Hersteller in Unterweissach das Leben schwer. Dringend wartete Huber darauf, die Maschine geliefert und installiert zu bekommen. „Wir mussten darum kämpfen, dass der Monteur einreisen durfte“, berichtet Jessica Häußer. Alles geregelt zu bekommen, sei sehr aufwendig gewesen, aber die Gemeinde habe sich sehr bemüht und für das Unternehmen eingesetzt. „Und dann ging alles ganz flott.“ Eine Woche lang war der Fachmann im Betrieb, dann konnte er Vollzug melden: Läuft.

„Flaschen sind in Coronazeiten ideal“, freuen sich Huber und Häußer, aufs richtige Pferd gesetzt zu haben. Im ersten Lockdown, im Frühjahr, hatten sie bereits umstrukturiert und einen Lieferdienst – auch für andere Getränke – eingeführt, und der werde sehr gut angenommen, berichtet die Vertriebschefin. Nachdem die neue Abfüllanlage installiert ist, kündigt sie an: „Wir werden jetzt wieder voll hochfahren.“ Die Vorbestellungen stapelten sich bereits, und es gebe viele neue Kunden. Nachfrage komme auch aus dem Bereich Waiblingen und Fellbach. Deshalb sollen bald auch Märkte aus dieser Gegend beliefert werden. Aber nicht nur das: Auch lokal stehen die Zeichen auf Zuwachs. Jessica Häußer denkt an den örtlichen Edeka-Markt als künftigen potenten Abnehmer.

Das Schnätterle, ein frisches Helles, ist die Sorte, die als Erste durch die neue Anlage gelaufen ist. Sie spielt in den Zukunftsplänen weiterhin eine zentrale Rolle. Der ungewöhnliche Name stellt eine Anspielung auf die schnatternden Weissacher Enten dar. Hinzu kommt als zweites Standardbier das naturtrübe helle Weissacher Woiza. Daneben und darüber hinaus kreiert der Braumeister, der in Weihenstephan einen Masterabschluss erworben hat, Saison- und Sonderbiere.

Als „Weissacher Heimat“ hat Huber aktuell ein Dinkelbier im Programm. Im Winter bietet sich zudem ein Bockbier an, eine ziemlich dunkle Craftbeer-Sorte mit etwas mehr Alkohol. Diese gibt es auch als Stachelbock. Dabei wird das Bockbier mit einem glühend heißen Stahlstab – „Stachel“ – kurz erhitzt.

Aber Huber wartet in dieser Saison noch mit einer weiteren neuen Kreation auf, die er im vergangenen Jahr erstmals ausprobiert hat: einem Winterbier. Dessen edle dunkle Tönung lässt ein herzerwärmendes Getränk erwarten – und in der Tat kommt der Trank mit deutlich malzigem Charakter daher, in dem noch ein Hauch gebrannte Mandeln mitschwingt. Zu ahnen sich auch feine Zitronenaromen, ein Frischekick, der vom Hopfen her stammt. Dabei bleibt das Winterbier erstaunlich leicht: Mit zurückhaltenden vier Prozent Alkohol wirft es den Genießer auch beim zweiten Schluck nicht gleich um.

Das Winterbier wird aber noch lange nicht das letzte neue Projekt des ambitionierten Brauers gewesen sein. Jessica Häußer gewährt einen kleinen Ausblick auf die kommende Sommersaison und verrät, dass ab April ein Radler in die Flaschen kommen soll. Huber ergänzt: Für den Zitronenlimoanteil hat er einen regionalen Hersteller gefunden, der mit diabetikergeeignetem Süßstoff arbeitet.

Wie breit das Tälesbräu mittlerweile aufgestellt ist, zeigen die unterschiedlichen Gebinde. Da gibt es nämlich nicht nur die klassischen Kisten mit 24 Flaschen, sondern seit einiger Zeit auch Sixpacks („Siggs-Pägg“) in Kartonträgern oder aber die 10-Liter-Fässer mit eigenem Aufsatz für CO2-Patronen. Je nachdem werden ganz unterschiedliche Kundensegmente angesprochen, erklärt Jessica Häußer. Denn: „Bier mag doch jeder.“

Das Huber’sche Winterbier überrascht mit seiner rötlich-braunen Farbe und einer recht stabilen Krone, die fast an englisches Stout erinnert. Der Geschmack ist merklich malzig. Fotos: A. Becher

© Alexander Becher

Das Huber’sche Winterbier überrascht mit seiner rötlich-braunen Farbe und einer recht stabilen Krone, die fast an englisches Stout erinnert. Der Geschmack ist merklich malzig. Fotos: A. Becher

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Erstellt:
30. November 2020, 06:00 Uhr

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