Trauergruppe für Verwitwete in Weissach im Tal

Bürgerpreis Rems-Murr 2025 Mit der Trauergruppe für verwitwete Mütter und Väter schafft der Kinder- und Jugendhospizdienst Sternentraum einen geschützten Raum für Menschen, deren Partner oder Partnerin verstorben ist. Der Austausch gibt den Betroffenen Halt und Perspektiven.

Ähnlich wie hier sieht der Raum auch bei den regulären Treffen der Gruppe aus. In der Mitte eines Stuhlkreises stehen Kerzen. Im Gedenken an ihre verstorbenen Lieben zünden alle Teilnehmenden eine davon an. Kirsten Allgayer (hinten) organisiert die Treffen. Foto: Melanie Maier

Ähnlich wie hier sieht der Raum auch bei den regulären Treffen der Gruppe aus. In der Mitte eines Stuhlkreises stehen Kerzen. Im Gedenken an ihre verstorbenen Lieben zünden alle Teilnehmenden eine davon an. Kirsten Allgayer (hinten) organisiert die Treffen. Foto: Melanie Maier

Weissach im Tal. Wie geht das Leben, der Alltag weiter, wenn der Partner oder die Partnerin stirbt und man plötzlich alleine mit den Kindern ist? Soll man anstehende Geburtstage oder Familienfeste dennoch groß feiern? Wie gestaltet man das erste Weihnachten oder den ersten Urlaub nach dem Tod des geliebten Menschen?

Mit Fragen wie diesen sind verwitwete Mütter und Väter oft erst einmal alleine. Dazu kommt die Sorge, wie man zukünftig die Existenz finanziell sichern und gleichzeitig die Kinder betreuen sowie emotional unterstützen soll. Für die eigene Trauer bleibt, vor allem in den ersten Monaten nach dem Verlust, häufig keine Zeit.

Die Trauergruppe für verwitwete Mütter und Väter des Kinder- und Jugendhospizdiensts Sternentraum mit Sitz in Weissach im Tal bietet dafür einen Raum. Zugleich dient das Angebot dazu, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen und zu vernetzen. Seit 2019 trifft sich die Gruppe einmal pro Monat. Jedes Mal sind zwei qualifizierte Trauerbegleiter mit dabei. Sie führen durch den Abend, für den sich Kirsten Allgayer, die Leiterin von Sternentraum, und ihr Co-Leiter Marcel Swoboda vorab ein Thema überlegt haben.

Auch praktische Fragen werden besprochen

„Das können ganz praktische Fragen sein wie zum Beispiel: Was mache ich mit der Kleidung der verstorbenen Person? Aber auch emotionale Aspekte, etwa welche Auswirkungen der Verlust gerade auf die Kinder hat, können thematisiert werden“, erklärt Kirsten Allgayer. Manchmal schaue sich die Gruppe auch unterschiedliche Trauermodelle an, um die eigenen Gefühle und Reaktionen des Trauerprozesses besser verstehen und einordnen zu können.

Julia Brehmer nimmt seit fast drei Jahren an den Treffen teil. Die 36-jährige Augenoptikerin aus der Nähe von Welzheim hat ihren Mann bei einem Sportunfall verloren. Ihre Söhne waren zu dem Zeitpunkt zwei und fünf Jahre alt. Am Anfang habe sie nur noch die Kinder gesehen und ihre eigenen Gefühle hintangestellt, erinnert sich Julia Brehmer. „Ich wollte, dass das Leben für die beiden weitergeht.“ Über eine Bekannte, die bei Sternentraum aktiv ist, kam sie zu der Gruppe. „Anfangs ist es schon eine kleine Hemmschwelle, hinzugehen. Man muss sich erst einmal überwinden, sich zu öffnen und von sich zu erzählen“, berichtet sie.

Trauergruppe für Verwitwete in Weissach im Tal

Vor ihrem ersten Gruppentreffen vor gut eineinhalb Jahren sei sie aufgeregt gewesen, sagt auch Annett Grumann. Dann fühlte sie sich aber schnell wohl. Ihr Mann hatte vergeblich auf eine Spenderlunge gewartet. Die Söhne sind nun 17 und 22 Jahre alt. Die 54-Jährige wohnt nahe Tübingen. Da sie als Lehrerin arbeitet, hat Annett Grumann sich übers Internet eine Anlaufstelle gesucht, die bewusst weit weg von ihrem Wohnort ist. „Ich wollte vermeiden, jemanden zu treffen, den ich kenne.“

Wichtig war ihr aber auch, dass sich das Angebot explizit an Eltern richtet. In vielen Situationen habe sie sich gefragt, wie sie am besten für ihre Kinder da sein kann. Oder auch, wie sie die Reaktionen ihrer Söhne einordnen kann. Der Austausch helfe. „Der Jüngere war 14, als sein Vater verstorben ist. Er ist einfach verstummt“, sagt Annett Grumann. „Es war beruhigend, das in der Gruppe laut aussprechen zu können, ohne Angst zu haben, dass komische Fragen dazu kommen. Weil alle in der gleichen Situation sind und man nicht alleine mit so etwas ist. In der Gruppe habe ich das Gefühl, dass die anderen das nachvollziehen können.“

Dieses grundlegende Verständnis sei sehr wichtig für die Betroffenen, betont Kirsten Allgayer. Im direkten Umfeld sei es oft so, dass viele den Verlust nicht in allen Aspekten nachvollziehen können, weil sie selbst so etwas noch nie erlebt haben.

Weitere Themen

„Die Gruppe ist eine auch riesige Hilfe, weil es dort bei den verschiedensten Fragen eine ganze Palette an Meinungen gibt“, führt Annett Grumann aus. „Wenn ich bei einem Problem nur eine Freundin frage, bekomme ich eben auch nur eine Antwort.“ Schön findet sie es, dass sie mittlerweile oft auch ihre eigene Erfahrungen teilen und so die anderen unterstützen kann.

Die Teilnahme an den Treffen der Trauergruppe ist kostenfrei

Ungefähr 15 verwitwete Mütter und Väter – wobei es im Moment nur Frauen sind – nehmen an den Treffen teil. Der Ablauf ist jedes Mal sehr ähnlich. Los geht es gegen 19.30 Uhr. Wenn alle angekommen sind, zünden die Teilnehmenden jeweils eine Kerze an, die in der Mitte eines Stuhlkreises steht (siehe Foto), und tragen sie zu einer selbst gebastelten Fotocollage mit Bildern der eigenen Familie. Es folgt ein Einstiegsimpuls, bei dem alle, die möchten, zu Wort kommen können. „Dabei geht es darum, auch am Alltag der anderen teilnehmen zu können“, erklärt Kirsten Allgayer. Danach wird das dem Abend zugrunde liegende Thema in Kleingruppen oder auch mal für sich alleine bearbeitet. In der Pause kann man etwas essen und trinken, bevor es auch schon zum Abschlussimpuls geht. Ganz am Ende schauen alle noch einmal ihre Fotocollage an und pusten ihre Kerze aus.

Die Teilnahme an den Treffen ist kostenfrei. Wer möchte, kann zusätzlich Einzeltrauerberatungen wahrnehmen. Auch für Kinder und Jugendliche bietet Sternentraum Trauergruppen an.

Die Trauergruppe für verwitwete Mütter und Väter nimmt regelmäßig neue Mitglieder auf. „Aber nicht bei jedem Mal, denn sonst wird es schwierig mit den Gruppenprozessen“, erklärt Kirsten Allgayer. Über die Zeit lernen sich die Teilnehmenden gut kennen. In der Gruppe sind auch schon Freundschaften entstanden. „Zwei Frauen sind schon zusammen mit ihren Kindern in den Urlaub gefahren“, weiß die Sternentraum-Geschäftsführerin.

Das sei ein schöner Nebenaspekt, sagt Annett Grumann. Ihr sei es aber noch viel wichtiger, den Verlust ihres Mannes einmal im Monat in den Mittelpunkt zu stellen und zentral zum Thema zu machen. „Manchmal geht die Trauer im Alltag etwas unter. In der Gruppe hat sie ihren festen Platz.“ So sieht es auch Julia Brehmer. „Man möchte sich ja an den Verstorbenen erinnern. Er soll nicht aus dem Familienleben weg sein.“

Leserpreis In einer Serie stellen wir die acht Kandidaten aus unserem Verbreitungsgebiet vor, die beim Bürgerpreis Rems-Murr für den Leserpreis der Backnanger Kreiszeitung und der Murrhardter Zeitung nominiert sind. Abstimmen für den eigenen Favoriten kann man vom 25. August bis zum 7. September auf www.bkz.de oder per Post.

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Erstellt:
19. August 2025, 06:00 Uhr

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